3390/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Endlich echte Entpolitisierung des ORF
Derzeit befindet sich das neue ORF-Gesetz in Begutachtung. Leider befindet sich in diesem keine Änderung der momentanen Gremienordnung beim ORF. Dies verdeutlicht, dass die Regierung die politische Einmischung durch den Stiftungsrat unter keinen Umständen ändern will.
Gerade im Hinblick auf die wirklich bedenkliche Platzierung in der Rangliste der Pressefreiheit mit Platz 29 und den bekanntgewordenen Interventionsversuchen diverser Politiker:innen direkt bei Redakteur:innen des ORF, sollte es eigentlich völlig selbstverständlich sein, dass die Regierung die Entpolitisierung des ORF fördert.
Ganz im Gegenteil:
Seit Ende Jänner 2021 ist bekannt, dass es zusätzlich zur Regierungsvereinbarung auch einen Sideletter zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne gibt. Dieser beinhaltet – neben anderen Absprachen zu Posten und politisch heiklen Themen – auch Absprachen zum ORF. Darin werden die ORF-Direktoriumsposten im Verhältnis drei ÖVP (inklusive Generaldirektor) versus zwei Grüne aufgeteilt. Der damalige Generaldirektor Alexander Wrabetz wusste laut eigenen Angaben zwar von Absprachen, war aber über den Detailgrad erstaunt: "Das ist selbst in der ORF-Geschichte ungewöhnlich.", sagt er im Standard1. Auch der ORF-Redakteursrat hat sich per Aussendung zu der Thematik sehr kritisch geäußert. Es stellt sich die Frage, ob die aufgetauchten Absprachen überhaupt mit dem ORF-Gesetz vereinbar sind, in dem es unter §1 Abs 3 heißt: „Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.“
Weiters gibt es auch gar keine Bemühungen, das völlig verfehlte Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektor:innen aufzuheben. Die Bestimmungen des ORF-Gesetzes (ORF-G) erwecken den Anschein, als würden bei der Ernennung der Landesdirektor:innnen vor allem politische Überlegungen ausschlaggebend sein: Der Bestellung von Landesdirektor:innen geht nämlich eine – vermutlich positive – Stellungnahme des jeweiligen Landes voraus. Dieses Anhörungsrecht der Länder ist in § 23 Abs 2 Z 3 ORF-Gesetz geregelt. Konkret heißt es dort: „Dem Generaldirektor obliegt insbesondere die Erstattung von Vorschlägen für die Bestellung und Abberufung von Direktoren und Landesdirektoren, bei Letzteren nach Einholung einer Stellungnahme des betreffenden Landes“. Dass sich Landeshauptleute in die Personalangelegenheiten des ORF einmischen dürfen und sollen, steht dem Grundsatz eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit jeher diametral entgegen. Die Beurteilung der Eignung eines Kandidaten bzw. einer Kandidatin als Landesdirektor:in soll ausschließlich auf objektiven und fachlichen Kriterien beruhen, nicht auf politischer Einflussnahme.
Dabei ist der Grundsatz der Unabhängigkeit im ORF-G selbst an vielen Stellen statuiert, so legt etwa § 4 Abs. 6 ORF-G unmissverständlich fest, dass für politische Einflussnahmen kein Platz sein darf: "Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss." Genau diese Unabhängigkeit ist aber in Gefahr, wenn den Landeshauptleuten eine Art Vetorecht zukommt und die Möglichkeit besteht, dass potentielle Direktor:innen sich zu politisch motivierter Berichterstattung verleiten lassen, um ihre Chancen für eine Ernennung oder Verlängerung zu erhöhen. Nicht zuletzt die Causa rund um den mittlerweile versetzten Direktor des niederösterreichischen Landesstudios, der massiv zu Gunsten der ÖVP in die Berichterstattung eingegriffen hat, zeigt den dringenden Reformbedarf2.
Einmal mehr wird klar, dass die Regierung endlich unserer langjährigen Forderung einer Entpolitisierung des ORF und seiner Gremien nachkommen und sicherstellen muss, dass der öffentlich-rechtliche ORF unabhängig und im Sinne des ORF-Gesetzes arbeiten kann. Wichtigster erster Schritt ist eine Neuorganisation der Gremien des ORF: Der ORF soll strukturell ähnlich einer Aktiengesellschaft aufgestellt werden. Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden. Stattdessen gibt es eine Hauptversammlung, die sich aus Bürger:innen, die per Los gewählt werden, aus Repräsentant:innen von Institutionen der Zivilgesellschaft sowie einer Person pro Parlamentsklub zusammensetzt. Die Hauptversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium. Dieses wiederum bestellt einen Vorstand, der als Kollegialorgan aus mehreren Vorständen besteht, um so nachhaltige Führungsqualität zu gewährleisten.
1 https://www.derstandard.at/story/2000133002881/ex-orf-chef-wrabetz-bestaetigte-postenabsprachen-unter-tuerkis-blauer-regierung
2https://www.sueddeutsche.de/medien/orf-robert-ziegler-roland-weissmann-oesterrreich-oevp-1.5744403?reduced=true
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einflussnahme auf den ORF sofort zu beenden und rein politische Besetzungen rückgängig zu machen. Zusätzlich braucht das neue ORF-Gesetz, das sich gerade in Begutachtung befindet, noch folgende Punkte:
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.