3392/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Integration ab Tag 1 für Asylwerber:innen - Chancen bieten, Leistung fördern
Asylverfahren ziehen sich in Österreich oft sehr in die Länge. Personen warten jahrelang auf die letztinstanzliche Entscheidung, ob sie Schutz erhalten. Asylwerber:innen verbringen diese Zeit in der Warteschleife - es gibt zwar einzelne Deutschkursangebote, diese sind aber nicht flächendeckend; ausschließlich schulpflichtige Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf einen Schulplatz und der Arbeitsmarktzugang ist eingeschränkt. Wer eine:n Asylwerber:in beschäftigen will, muss nachweisen, dass er keine Arbeitskräfte aus Österreich oder der EU finden kann. In der Konsequenz sind diese Jahre oft verlorene Jahre - Asylberechtigte konnten in der Zeit vor ihrer Anerkennung kaum an ihrer Integration arbeiten und haben Schwierigkeiten, von einer langen Periode des auferlegten Nichtstuns in einen normalen Alltag inklusive Beschäftigung zu wechseln. Auch während des Asylverfahrens kann Integration ab Tag 1 positive Effekte haben - wer den Tag produktiv mit Freiwilligenarbeit oder Schule füllen kann, ist ausgeglichener und arbeitet zielstrebiger an den richtigen Sachen. Ärgernisse in aufnehmenden Gemeinden (z.B. Jugendliche, die auffällig werden) können so reduziert werden.
Asyl ist ein Verfahren, das nicht auf die Leistung der:des Asylwerber:in abstellt, und das ist gut so - Schutz vor Verfolgung oder Krieg soll nicht von anderen Kriterien als der Schutzwürdigkeit abhängen. Gleichzeitig ist es Aufgabe der Politik, Integrationsleistung zu unterstützen und anzuerkennen. Bereits während dem Asylverfahren soll es Asylwerber:innen - und besonders solchen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit - ermöglicht werden, sich auf die Integration in Österreich vorzubereiten. Dazu braucht es nicht nur Informationen über Land und Leute, sondern auch Sprachkurse, Ausbildungsmöglichkeiten für Jüngere und sinnvolle Partizipationsmöglichkeiten für Erwachsene.
Wer sich zu den Menschenrechten bekennt, muss sich auch zur Aufnahme Schutzbedürftiger bekennen. Der politische Trend, Unterstützungsleistungen für Geflüchtete so weit wie möglich zurückzuschrauben, um Österreich als Aufnahmeland unattraktiv zu machen, ist ein Holzweg. Anders als es oft von FPÖ und ÖVP kommuniziert wird, hat Österreich kaum Einfluss darauf, wie viele Flüchtlinge Österreich erreichen. Österreich hat allerdings sehr wohl Einfluss darauf, inwieweit Integration gefördert oder erschwert wird. Eine Vernachlässigung von integrationsfördernden Maßnahmen bewegt wenig Personen dazu, sich ein anderes Zielland zu suchen bzw. Österreich wieder zu verlassen. Diese relativ überschaubaren Abschreckungseffekte bezahlen wir teuer mit einem schlechteren Gesellschaftsklima, höheren Arbeitslosenzahlen, mehr Armut, ausufernden Problemen im Bildungsbereich und weniger Chancengerechtigkeit. Jeder Euro, den wir in die Integration Schutzsuchender investieren, trägt zu einem reibungsloseren Miteinander in der Zukunft bei.
Für gelungene Integration braucht es ein neues System nach dem Credo "Chancen bieten, Leistung fördern". Ein Integrationssystem für Asylwerber:innen, das auf dieses Ziel hinarbeitet, muss auf einem umfassenden Gesamtkonzept beruhen. Zur Erstellung dieses Konzepts haben wir NEOS ebenfalls die Meinungen und Erfahrungen von jungen Schutzberechtigten, welche an dem Citizen Science Projekt "YouCount" der Universität Wien teilnehmen, eingeholt und berücksichtigt. Folgende Aspekte sind für gelungene Integration jedenfalls unabdingbar:
Ankommen. Wer als Schutzsuchender in Österreich ankommt, wird nicht im Regen stehen gelassen (oder in Zelten untergebracht), sondern erhält einen Platz in einem Quartier, medizinische Versorgung und ausreichend Mittel für ein menschenwürdiges Dasein. Eine sichere Wohnsituation ist eine wichtige Voraussetzung, um an der eigenen Integration arbeiten zu können. Besonders bei Minderjährigen muss sichergestellt werden, dass diese in adäquaten Quartieren untergebracht und angemessen betreut werden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) werden darum so schnell wie möglich in die Länderbetreuung übertragen.
Informationen erhalten. Das Leben in einem neuen Land ist verwirrend. Wie funktioniert Busfahren? Warum darf ich auf der Autobahn nicht Radfahren? Und wie geht es jetzt weiter? Integration ab Tag 1 inkludiert umfassende Informationen zu allen relevanten Themen - damit Geflüchtete ihre Informationen nicht von anderen Geflüchteten beziehen müssen, die erst ein paar Wochen länger da sind. Dabei geht es nicht nur um das Asylverfahren und rechtliche Fragen, die meist in der Rechtsberatung abgedeckt sind, sondern auch um Fragen zu Gesellschaft, Schule, Gesundheitssystem oder Partizipation. In allen Unterkünften gibt es Ansprechpersonen, an die sich die Geflüchteten wenden können. Zu Beginn des Aufenthalts gibt es für alle Asylwerber:innen ein verpflichtendes Ankunftsgespräch und nehmen Geflüchtete an einem Crashkurs Österreich teil, der die wichtigsten Do's und Don'ts abdeckt. Zusätzlich stehen Onlinekurse zur Verfügung, die niedrigschwellig und in Landessprache die wichtigsten Informationen zum Aufenthalt in Österreich vermitteln. Die Werte- und Orientierungskurse (WOK) finden zurzeit in den meisten Fällen zu spät statt - wer bereits 6 Jahre auf seinen Status gewartet hat, hört im WOK kaum Neues. Die WOK sollen darum bereits für Asylwerber:innen angeboten werden, sobald ihre Verfahrensdauer drei Monate übersteigt.
Deutsch lernen. Ohne Sprache keine Integration. Deutschkenntnisse werden von Beginn an niedrigschwellig gefördert, durch Sprachlernvideos in der Herkunftssprache und der Förderung von Deutschkursen im Gruppenverband. Der kostenlose Besuch der Kurse A1 und A2 ist allen Asylwerber:innen möglich. Geflüchtete mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit können auch Kurse für Level B1 und B2 besuchen. Es wird möglichst darauf geachtet, lange Wartezeiten zwischen Kursen zu vermeiden, damit Geflüchtete im Lernfluss bleiben können.
Ausbildung machen. Ein Schlüssel für langfristige (Arbeitsmarkt-)Integration liegt in der Bildung. Bildung heißt Chancen, und diese Chancen muss es auch für junge Geflüchtete geben. Nach der Schulpflicht sind geflüchtete Jugendliche nicht abhängig vom Einsatz ihrer Betreuer:innen und vom Goodwill von Direktor:innen weiterführender Schulen - sie haben ein Recht auf Ausbildung und die Pflicht, eine solche zu absolvieren. Die Verantwortung für Deutschförderung genauso wie die Entscheidung darüber, wie diese auszusehen hat, wird den Schulen übergeben. Geflüchtete Jugendliche, deren Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen, um eine weiterführende Schule zu besuchen, sollen im Rahmen der Dualen Oberstufe (Verschmelzung Polytechnische Schule, Berufsschule und Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung) gefördert werden und können, sobald ihre Sprachkenntnisse das zulassen, in eine Mangelberufslehre oder auf eine weiterführende Schule wechseln. Ein unbürokratischer Einstieg in eine Mangelberufslehre soll in diesem System garantiert werden.
Arbeiten. Arbeit ist ein Integrationsmotor. Wer arbeitet, findet Anschluss, verbessert die eigenen Deutschkenntnisse, verdient seinen eigenen Unterhalt und ist somit nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen und sorgt für Wertschöpfung – win, win, win. Die restriktive Beschäftigungspolitik der letzten Jahre hat eine Beschäftigung sehr erschwert. Bis Mitte 2021 war de facto nur Saisonarbeit erlaubt, und auch der Zugang zur Lehre war Asylwerber:innen seit 2018 verwehrt. Gerade in Mangelberufen können wir es uns nicht leisten, Asylwerber:innen den Weg in eine Beschäftigung zu erschweren. Bei Asylwerber:innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit soll nach maximal 3 Monaten beim AMS eine Kompetenzerfassung erfolgen. Sofern die Kompetenzen und Deutschkenntnisse ausreichend sind, werden sie bereits während dem Asylverfahren aktiv in Mangelberufe vermittelt. Die Beschäftigung in einem Mangelberuf soll rasch und unbürokratisch sein - haben Asylwerber:innen eine Jobzusage, erhalten sie direkt eine Beschäftigungsbewilligung. Genauso wie bei der Mindestsicherung trägt die harte Zuverdienstgrenze in der Grundversorgung dazu bei, dass sich Arbeiten nicht immer lohnt - wer mehr als die Zuverdienstgrenze aber weniger als den Grundversorgungsbetrag verdient, hat durch die Arbeitsaufnahme weniger Geld über als zuvor. Damit sich die Arbeitsaufnahme in allen Fällen leistet, bedarf es einer Überarbeitung der Zuverdienstgrenze.
Teilhaben. Von ehrenamtlich tätigen Geflüchteten profitieren Aufnahmegesellschaft und Asylwerber:in - Ehrenamt ist ein Sprach- und Integrationsbooster und hilft der Empfängerorganisation, die von der Zeitspende profitiert. Ein Netzwerk regionaler Servicepunkte, die interessierte Asylwerber:innen und soziale Organisationen verbinden, und die verstärkte Zusammenarbeit mit ebenjenen Organisationen, um den Ausbau geeigneter ehrenamtliche Positionen zu fördern, sind dafür essentiell.
Perspektiven bieten. Asylverfahren stützen sich rein auf die Schutzwürdigkeit der Asylwerberin bzw. des Asylwerbers. Wie gut die betreffende Person integriert ist, spielt im Asylverfahren keine Rolle. So passiert es immer wieder, dass Geflüchtete, die in ihrer Umgebung gut integriert sind, die Sprache sprechen und eine Anstellung bzw. eine Ausbildung in einem Mangelberuf vorweisen können, einen negativen Asylbescheid erhalten und abgeschoben werden - und das, obwohl Arbeitgeber:innen händeringend nach Personal suchen, unter anderem auch in Drittstaaten. Hier kann es helfen, Perspektiven zu bieten - wer sich gut integriert und einen Beitrag an die österreichische Gesellschaft liefert, soll unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens die Möglichkeit haben, auch weiterhin in Österreich zu leben und zu arbeiten. Österreich würde von dieser Regelung profitieren, da sie zur schnelleren Integration motiviert und uns ermöglicht, bereits integrierte Fachkräfte im Land zu halten, statt sie aus dem Ausland rekrutieren und integrieren zu müssen. Für gut integrierte, arbeitende Menschen, soll daher bei Erfüllung klar definierter Voraussetzungen eine rechtliche Möglichkeit geschaffen werden, einen Aufenthaltstitel zu erlangen und nicht abgeschoben zu werden. Weiters soll der Nostrifizierungsprozess für Asylwerber:innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit bereits während dem Verfahren begonnen werden können und gibt es politische Bemühungen, die Verfahrensdauer signifikant zu senken, um die Zeit, die Asylwerber:innen in Unsicherheit verbringen, auf ein Mindestmaß zu verkürzen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien wird aufgefordert, ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Integration von Asylwerber:innen ab Tag 1 zu erarbeiten. Im Zuge dessen sollen insbesondere folgende Maßnahmen eingeführt werden:
Unterkunft ab Tag 1: Adäquate und altersgerechte Unterbringung ab Tag 1, mit österreichweit gerecht verteilten kleinen Quartieren statt Massenunterkünften
Information ab Tag 1:
Deutsch ab Tag 1:
Ausbildung ab Tag 1:
Arbeit ab Tag 1:
Teilhabe ab Tag 1: Regionale Servicepunkte für Asylwerber:innen zu freiwilligen und gemeinnützigen Tätigkeiten bei den Freiwilligenzentren der Länder ansiedeln
Perspektiven ab Tag 1:
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.