3398/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Bedarfsorientierte Deutschförderung und altersgerechte Sprachstandsfeststellung

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die zuhause nicht Deutsch sprechen, sollen im Kindergarten und in der Schule rasch Deutsch lernen, um besser am Schulunterricht teilhaben und einen erfolgreichen Bildungsweg einschlagen zu können. Das Erlernen der Sprache ist außerdem ein wesentlicher Bestandteil der Integration in unsere Gesellschaft.

Seit 2018 ist in Österreich vorgeschrieben, dass der Spracherwerb in separaten Deutschförderklassen stattfinden muss, obwohl Sprach- und Bildungswissenschaftler:innen dem integrativen Sprachfördermodell den Vorzug geben, bei dem Kinder dem gesamten Unterricht der Regelklasse beiwohnen und die Sprachförderung zusätzlich am Nachmittag und/oder durch Begleitlehrer:innen im Unterricht stattfindet. Die Methodik des Lehrens und Lernens von Sprachen umfasst insgesamt eine große Vielfalt an Möglichkeiten, die je nach Anteil der fremdsprachigen Kinder, nach Vorkenntnissen, nach Alter der Kinder und anderen Aspekten passend sind.

Die starre Festlegung auf separate Deutschförderklassen führt zu zahlreichen Problemen:

Ein Indiz dafür, dass die Einführung der separaten Deutschförderklassen keine Verbesserung darstellt, sind auch die Ergebnisse der neuen PIRLS-Studie: Jedes fünfte Kind kann am Ende der Volksschule nicht ausreichend lesen, Kinder mit Migrationshintergrund weisen eine schwächere Lesekompetenz auf als Kinder ohne Migrationshintergrund.1

 

So wie die Bildungswissenschaft erachten auch Lehrer:innen begleitende Deutschförderkurse mehrheitlich für sinnvoller als separate Deutschförderklassen. Dies zeigt sich u.a. in einer Lehrer:innen-Befragung der Universität Wien vom Dezember 2020..

Es ist nicht auszuschließen, dass in manchen Fällen aufgrund der Gegebenheiten in einer Schule auch separate Deutschförderklassen vorteilhaft sein mögen. Unverständlich ist jedoch, warum die Beurteilung, welche Art der Sprachförderung zielführend ist, nicht den Schulen überlassen wird, sondern zentral vorgeschrieben ist. Damit wird eine bedarfsgerechte, an den schulischen Gegebenheiten orientierte Lösung verhindert.

Dazu kommt, dass die Zuteilung der Kinder zu den Deutschförderklassen anhand des höchst umstrittenen Testverfahrens MIKA-D erfolgt. Auch wenn mittlerweile angekündigt wurde, dass die Testinhalte überarbeitet werden, bleibt die Problematik, dass das Setting nicht altersgerecht ist. Das Kindergartenkind wird im Zuge der Schuleinschreibung an einem ungewohnten Ort von einer fremden Person durch den Test geleitet. Es ist offensichtlich, dass in dieser Situation Faktoren wie Ablenkung und Nervosität eine große Rolle spielen. Wie problematisch der MIKA-D ist, zeigt sich u.a. auch daran, dass er zu völlig anderen Ergebnissen führt als die Sprachstandserhebung im Kindergarten, die anhand des BESK (Beobachtungsbogen zur Erfassung der Sprachkompetenz) auf einer altersgerechten Langzeitbeobachtung statt auf einem punktuellen Test basiert. Diese Diskrepanz hat auch eine parlamentarische Anfrage der unterzeichnenden Abgeordneten zutage gebracht.3 Sinnvoller wäre es, für die Schuleinschreibung die Ergebnisse aus dem Kindergarten zu berücksichtigen und dann in der Schule wieder ein Beobachtungsinstrument einzusetzen, das die Einschätzung durch Klassenlehrer:in und Deutschförderlehrer:in heranzieht, statt das Kind einem unverlässlichen Testverfahren zu unterziehen, das unnötige Misserfolge und Laufbahnverluste produziert. 

Die Einschätzung der Lehrer:innen sollte sowohl für die Entscheidung, welche Art der Deutschförderung das Kind erhält, als auch für die Entscheidung, wann es vom außerordentlichen in den ordentliche Status übertreten kann, ausschlaggebend sein. Unabhängig von diesem Status sollte die Deutschförderung so lange weiter betrieben werden, bis das Kind dem Unterricht in deutscher Sprache folgen und sich am Unterricht beteiligen kann.

1) https://www.derstandard.at/story/2000146458792/pirls-studie-jedes-fuenfte-kind-in-oesterreich-hat-probleme-beim

2) https://lehrerinnenbildung.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_lehrerinnenbildung/Arbeitsbereiche/Bildungswissenschaft/Projekte/DFK_Deutschfoerderklassen/Ergebnisse_DFK_Dez_2020.pdf

3) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_10236/index.shtml


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen,

 In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.