3399/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Maßnahmenpaket gegen Zwangsheirat
Seit 2016 gibt es einen eigenen Straftatbestand (§106a StGb), der Zwangsheirat verhindern soll - der Strafrahmen bewegt sich zwischen 6 Monaten und 5 Jahren, angezeigt werden kann die Nötigung zur Ehe auch von Dritten. Laut Statcube der Statistik Austria gab es seit 2017 lediglich vier Verurteilungen nach §106a StGB - eine im Jahr 2017, zwei im Jahr 2018 und eine im Jahr 2020.
Dem steht gegenüber, dass eine kürzlich veröffentliche Studie1 des Instituts für Konfliktforschung im Auftrag des ÖIFs für das Jahr 2021 54 Verdachtsfälle von Zwangsverheiratung bei Minderjährigen erfasst, 53 der Betroffenen waren weiblich. Konkrete Zahlen gibt es aber nur für Jugendliche, die durch die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt werden: Die Studienautor:innen gehen als Ergebnis ihrer Befragungen davon aus, dass österreichweit circa 200 Personen von Zwangsheirat betroffen sind.
Zwangsheirat betrifft in erster Linie Frauen. Eine erzwungene Hochzeit wird von Familien teils als Mittel gesehen, sich finanziell abzusichern - etwa, wenn es um Mädchen mit Lernschwierigkeiten oder einer körperlichen Behinderung geht - oder um die Sexualität von Mädchen und jungen Frauen zu kontrollieren. Auch die Wiederherstellung der Ehre, z.B. nach einer Vergewaltigung, kann ein Grund für eine Zwangsheirat sein. Jedenfalls begründet sich die Idee der Zwangsheirat in althergebrachten und kulturell verankerten Geschlechterbildern, die Frauen und Mädchen nur wenig Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit zugestehen.
Besonders gefährdet sind laut Studienautor:innen:
Lösungsansätze sind vielfältig, besonders wichtig und legistisch einfach umzusetzen wäre aber die von der Regierung bereits mehrmals versprochene Abschaffung der Ausnahmebestimmungen betreffend der Volljährigkeit als Voraussetzung zur Eheschließung (§1 Abs 2 EheG). Im Jahr 2023 sollte es keinen Grund mehr geben, vor 18 eine Ehe eingehen zu müssen. Die Bestimmung ist veraltet und wäre einfach abzuschaffen, auch außerhalb einer größeren Reform des Ehegesetzes.
Zusätzlich bieten die drei Risikogruppen Anknüpfungspunkte. So könnte das Thema Zwangsheirat stärker in Werte- und Orientierungskurse einfließen, um Frauen mit Fluchthintergrund zu schützen. Die Kurse sollten dabei nicht erst nach Statuszuerkennung, sondern spätestens drei Monate nach Verfahrensbeginn verpflichtend besucht werden müssen, um bereits Asylwerber:innen über die Illegalität von Zwangsheirat und Unterstützungsangebote für Betroffene zu informieren. Das Thema der Zwangsheirat sollte mit Expert:innen anhand von Incentivierungen Frauen dazu ermächtigen, nicht nur die Illegalität, sondern auch ihre eigene Autonomie und Handlungsfähigkeit zu erkennen. Die Einbindung von Frauenhäusern, Gewaltschutzzentren, sowie weiteren Interventionsstellen, welche sich in Orts- und Ressourcen-Nähe. Außerdem sollten diese Kurse die Möglichkeit für ein Vier-Augen-Gespräch mit der Sachbearbeiter:in sicherstellen, so dass Frauen und Mädchen alleine, also ohne Begleitung von Verwandten, Freunden oder dem Ehepartner, offen reden können.
Lehrpersonal, das eine drohende oder bereits durchgeführte Zwangsheirat erkennt, kann Schüler:innen vor den weiteren Folgen einer Zwangsheirat schützen. Dringend notwendig sind darum eine Evaluierung der derzeitigen Ressourcen und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrpersonal, um Fälle von Zwangsheirat bei jugendlichen Mädchen zu erkennen und zu melden, und entsprechende Anpassungen, sollten die Evaluierungsergebnisse nicht zufriedenstellend sein.
Für die Gruppe der Frauen, die zum Zweck der Zwangsheirat aus ihrem Herkunftsland nach Österreich gebracht werden, muss bereits bei der Einreise umfassendes Monitoring und Sensibilisierung des zuständigen Personals dafür sorgen, dass solche Fälle frühzeitig erkannt und entsprechend geahndet werden.
1https://www.integrationsfonds.at/der-oeif/presse/detail/oeif-forschungsbericht-zu-zwangsheirat-in-oesterreich-jaehrlich-rund-200-faelle-auch-frauen-der-zweiten-und-dritten-generation-betroffen-17101/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung
und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und
Medien, wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit der Bundesministerin für
Justiz ein Maßnahmenpaket zur Verhinderung von Zwangsheirat zu
erarbeiten. Das erarbeitete Paket soll jedenfalls eine Abschaffung von §1
Abs 2 Ehegesetz enthalten und Maßnahmen enthalten, die gezielt auf die
Reduktion von Zwangsheirat in den drei Risikogruppen abzielen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.