3400/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.05.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Michael Bernhard, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Finanzierung Schulen autochthoner Volksgruppen
In Österreich leben sechs anerkannte, autochthone Volksgruppen: die kroatische Volksgruppe, die slowenische Volksgruppe, die ungarische Volksgruppe, die tschechische Volksgruppe, die slowakische Volksgruppe, und die Volksgruppe der Roma. Diese Volksgruppen sind seit Jahrhunderten in Österreich verwurzelt, identifizieren sich mit der Republik Österreich und sind ein essenzieller Bestandteil unseres Landes. Die Republik Österreich bekennt sich in ihrer Verfassung dazu, diese zu schützen und zu fördern: "Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern." (B-VG, Art. 8 (2))
Ein wesentliches Element dieser Förderung ist das mehrsprachige Schulwesen, das Kindern dieser Volksgruppen ermöglicht, die eigene Sprache als Bildungssprache zu nutzen. Die betreffenden Schulen sind teilweise öffentliche Schulen und teilweise Schulen in privater Trägerschaft. So gibt es bspw. in Kärnten öffentliche slowenische Volksschulen und Mittelschulen sowie ein slowenisches Bundesgymnasium, aber die Schulen der Tschech:innen und Slowak:innen in Wien sind Privatschulen des Schulvereines Komenský. Die privaten Schulen genießen zwar einen höheren Grad an Autonomie - was im Sinne der Volksgruppen vorteilhaft ist - müssen aber von den Eltern Schulgeld verlangen, was dazu führt dass nicht alle interessierten Mitglieder der Volksgruppe sich den Schulbesuch leisten können.
Im internationalen Vergleich erfolgreiche Schulsysteme verbinden meist beide Aspekte: Hochgradig autonome Schulen, die kostenlos für alle zugänglich sind, wie bspw. bei den "PISA"-Europameistern Estland und Finnland. Österreichs Schulsystem ist davon noch weit entfernt: Die Bildungsreform von 2017 hat zwar im Bereich der Unterrichtsorganisation und Pädagogik autonome Möglichkeiten erweitert, aber die Ressourcen werden weiterhin zentral verwaltet und stehen nicht autonom in Form von Globalbudgets zur Verfügung, wie das bei den Universitäten der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund würde es sich anbieten, die Schulen der autochthonen Volksgruppen zum Gegenstand eines Pilotprojekts zu machen, das die Finanzierung der Schulen auf neue Beine stellt. Mit einem Finanzierungssystem nach dem Prinzip "freie Schulwahl ohne Schulgeld" wird eine für öffentliche und private Schulen einheitliche, subjektbezogene Finanzierung geschaffen. In diesem System folgt das Steuergeld der Schülerin oder dem Schüler. Die Schulen erhalten ein pauschalen Jahresbetrag pro Schüler:in, ergänzt um Zusatzmittel für besondere Herausforderungen (sozial kritische Lage, periphere Lage etc.). Mit diesem Pauschalbudget können die Schulen autonom wirtschaften und eigenständige alle Entscheidungen treffen, die mit Ressourceneinsatz verbunden sind.
"Zusatzmittel für besondere Herausforderungen" könnte und sollte in einem solchen System auch bedeuten, dass Schulen der autochthonen Minderheiten zusätzliche Mittel bzw. einen Aufschlag auf die Pro-Kopf-Finanzierung erhalten, um ihrer Aufgabe nachzukommen, zum Erhalt der Sprache und Kultur der Volksgruppe beizutragen. Eine ähnliche Sonderregelung findet schon jetzt im öffentlichen Minderheitenschulwesen statt, bspw. im Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, in dem für slowenischsprachige Klassen niedrigere Mindestschülerzahlen festgelegt sind.
Die Schulen der Volksgruppen - als kleiner Ausschnitt aus dem gesamtösterreichischen Schulwesen - eignen sich gut für ein Pilotprojekt für ein autonomiefreundliches und chancengerechtes Schulfinanzierungssystem. Aufgrund ihrer kulturellen Eigenständigkeit ist der Autonomiegedanke und der Wille zum eigenverantwortlichen Gestalten in den Volksgruppen stark verankert. Gleichzeitig sind die Volksgruppen auch stark auf die öffentliche Finanzierung und Unterstützung angewiesen, um in einem mehrheitlich deutschsprachigen Umfeld ihre sprachliche Eigenständigkeit zu behaupten und an die nächste Generation weiterzugeben können. Ein solches Modell würde es außerdem erleichtern, neue Volksgruppenschulen zu gründen, bspw. auch außerhalb der angestammten Minderheitengebiete, um auch in Landeshauptstädten und in der Bundeshauptstadt entsprechende Angebote zu schaffen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, für das Schulwesen der autochtonen Volksgruppen ein Pilotprojekt für ein autonomiefreundliches und chancengerechtes Schulfinanzierungssystem zu entwickeln, das
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.