347/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.02.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen

 

Am 16. Mai 2019 wurde das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) - trotz heftiger Kritik im Begutachtungsverfahren - von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Dieses Gesetz trat (überwiegend) am 20. Juni 2019 in Kraft. Darin ist festgeschrieben, dass die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) ihre Tätigkeit im Bereich der Grundversorgung ab 1. Jänner 2020 wahrnehmen soll. Die Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung, der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe, der Menschenrechtsbeobachtung von Abschiebungen und der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen soll die Bundesagentur ab 1. Jänner 2021 aufnehmen.

Die Durchführung der Rechtsberatung durch die BBU umfasst jene vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 49 BFA-VG sowie jene vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gemäß § 52 BFA-VG. Die Bundesagentur stellt also Rechtsberater_innen für das Verfahren vor dem BFA sowie Parteienvertreter_innen und damit Verfahrensgegner_innen des BFA im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bereit. Die BBU ist jedoch sowohl finanziell als auch organisatorisch und personell eng mit dem BMI verflochten. Dies ist vor allem im Hinblick darauf problematisch, dass das BFA, also die Asylbehörde erster Instanz und die belangte Behörde im Asylverfahren zweiter Instanz, als dem Bundesminister für Inneres (BMI) unmittelbar nachgeordnete Behörde gegenüber dem BMI weisungsgebunden ist.

Die Geschäftsanteile an der Bundesagentur stehen zu 100% im Eigentum des Bundes. Die Ausübung der Gesellschafterrechte, etwa das Recht auf Information bzw. Auskunft, obliegt dem/der Bundesminister_in für Inneres (§ 1 Abs 5 BBU-G). Als alleinige/r Gesellschaftervertreter_in hat der/die BMI mit Beschluss für die Geschäftsführung verbindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen (§ 12 Abs 2 BBU-G). In Bezug auf Belange der Rechtsberatung vor dem BVwG hat der/die BMI zwar vor Beschlussfassung Einvernehmen mit dem/der Bundesminister_in für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) herzustellen, doch ist nicht geregelt, welche Konsequenzen aus dem allenfalls fehlenden Einvernehmen folgen.

Die vielfältigen organisatorischen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten des/der BMI zeigen sich unter anderem auch in der umfassenden Kompetenz betreffend die Erstellung des Rahmenvertrags gemäß § 8 BBU-G. Auch die Erklärung über die Errichtung der Bundesagentur ist vom/von der Bundesminister_in für Inneres abzugeben (§ 11 BBU-G). Zur Deckung der Kosten der Bundesagentur und ihrer Aufgaben, einschließlich der notwendigen Personal- und Sachkosten sowie aller Aufwendungen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nötig sind, leistet der/die BMI jährliche Zuwendungen (§ 3 Abs 1 BBU-G). Die interne Kostenrechnung der Bundesagentur unterliegt grundsätzlich der Überprüfung durch den/die BMI (§ 7 Abs 1 BBU-G).

Die Geschäftsführung der BBU ist durch den/die BMI nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 1 und 2 BBU-G). Für die Dauer von bis zu 24 Monaten nach Entstehung der Bundesagentur ist der/die BMI ermächtigt, eine interimistische Geschäftsführung unter Ausschluss der Anwendung des Stellenbesetzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 2 BBU-G). Die Bereichsleitung Rechtsberatung ist zwar vom BMVRDJ zu bestellen (§ 9 Abs 1 BBU-G) und von der Geschäftsführung mit einer Handlungsvollmacht iSd § 54 UGB in diesem Bereich auszustatten, allerdings verbleibt die Bereichsleitung Rechtsberatung der vom/von der BMI bestellten Geschäftsführung und darüber hinaus auch den Unternehmensvorgaben (weisungs-)unterworfen. Das bedeutet, dass die Bereichsleitung Rechtsberatung auch in dienst- und disziplinarrechtlicher Hinsicht der Geschäftsführung untersteht.

Auch der Aufsichtsrat steht unter entscheidendem Einfluss des BMI; denn sechs der insgesamt zwölf Mitglieder des Aufsichtsrates der BBU, einschließlich des/der Vorsitzenden und dessen/deren Stellvertreter/in, sollen unmittelbar vom/von der BMI bestellt sowie vier weitere Mitglieder von der innerbetrieblichen Interessensvertretung der unter dem beherrschenden Einfluss des/der BMI stehenden Bundesagentur entsandt werden (§ 10 Abs 1 BBU-G). Der Aufsichtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des/der Vorsitzenden, bei dessen/deren Verhinderung die Stimme des/der Stellvertreters/Stellvertreterin den Ausschlag (§ 10 Abs 2 BBU-G). Der jährliche Vorhabensbericht der Geschäftsführung für das Folgejahr ist nach der Genehmigung durch den Aufsichtsrat dem/der BMI zur Genehmigung vorzulegen (§ 12 Abs 5 BBU-G).

Aufgrund der dargestellten Nahebeziehung der Bundesagentur zum Bundesministerium für Inneres - welches auch Oberbehörde des BFA ist - ist in Zweifel zu ziehen, dass auf diese Weise eine unabhängige Rechtsberatung frei von Interessenskonflikten gewährleistet werden kann. In § 13 Abs 1 BBU-G ist zwar festgeschrieben, dass die einzelnen Rechtsberater_innen in ihrer Beratungstätigkeit „weisungsfrei und unabhängig" sind. Es ist jedoch fraglich, ob diese zentralen Grundsätze in der Praxis aufgrund der engen Verflechtung der BBU mit dem BMI eingehalten werden (können). Zumal der/die Innenminister_in Einfluss auf die Auswahl der Rechtsberater_innen und die Modalitäten bzw. Ausgestaltung der Rechtsberatung, wie z.B. die Auftragsbedingungen, die zu erbringenden Leistungen und das dafür zu leistende Entgelt und die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater_innen hat. Zudem sind keine Garantien vorgesehen, dass die Dienstausübung der Rechtsberater_innen vor dienstrechtlichen Konsequenzen, wie die Beendigung des Dienstverhältnisses, in irgendeiner Weise geschützt ist.

Im mit dem BBU-Gesetz geschaffenen System besteht also ein Naheverhältnis zwischen jenen Personen, die Rechtsberatungen vornehmen und jenen Personen, denen im Asylverfahren die Entscheidungsmacht zukommt. Beide Gruppen sind beim selben Ministerium (BMI) angesiedelt. Ein hier möglicherweise auftretender Interessenskonflikt ist im Falle der Erhebung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl noch deutlicher: Mitarbeiter_innen einer Einrichtung, die unter dem beherrschendem Einfluss des/der BMI steht, beraten und vertreten im Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen dem BMI (auch weisungsabhängig) nachgeordneten BFA.

Die strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes ist für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens unabdingbar. Durch die im BBU-Gesetz vorgesehene Ausgestaltung kann jedoch eine den rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen entsprechende unabhängige Rechtsberatung als zentraler Beitrag zu einem fairen Verfahren nicht gewährleistet werden. Es ist daher notwendig, die Rechtsberatung im Asylverfahren wieder aus der im direkten Einflussbereich des Innenministeriums stehenden Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen herauszulösen, um eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige und qualitätsvolle Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht sicherzustellen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die gesetzlich vorgesehene Rechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen ausgegliedert und eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht gewährleistet wird."


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.