3479/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 05.07.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einsatz für ein europäisches, rechtsstaatliches Grenzmanagement

 

Seit ein paar Jahren werden seitens des Innenministeriums immer mehr Exekutivbeamt:innen in andere Länder, meistens Nachbarländer wie Ungarn, auf Basis bilateraler Kooperationen für Grenzmanagement entsandt. Diese Kooperationen werden vertieft, so kam es letztlich zur sogenannten "Operation Fox". Aus der Beantwortung zur NEOS-Anfrage 13073/J ergab sich, dass für diese Zwecke 2022 mehrere Millionen ausgegeben wurden. Allein in Ungarn fielen im Jahr 2022 Personalkosten von 4,78 Millionen Euro an.1

Diese bilateralen polizeilichen Einsätze in Ungarn sind in vielerlei Hinsicht problematisch. Erstens wurde Ungarn bereits mehrmals vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgrund seines Umgangs mit Flüchtlingen verurteilt - zuletzt im Februar 2023, wegen des Todes eines syrischen Asylsuchenden, der in einem Fluss an der ungarisch-serbischen Grenze ertrunken ist. Der EGMR stellte fest, dass die ungarischen Behörden es verabsäumt haben, sein Recht auf Leben zu schützen (Alhowais vs. Ungarn). Ende 2020 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass die ungarische Praxis von Pushbacks, Verstöße gegen das in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Folterverbot, rechtswidrig ist (Rechtssache C‑821/19). Das ungarische Asylrecht verstoße gegen EU-Recht und die ungarische Regierung erschwere die Beantragung von Asyl auf unzulässige Weise.Aus diesen Gründen läuft aktuell auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn.3 

Zweitens stellen sich in Hinblick auf die hohen Kosten dieser Einsätze, die schlussendlich von den Steuerzahler:innen getragen werden, die Fragen des migrations- und sicherheitspolitischen Mehrwert solcher Einsätze. Es zeigt sich nämlich immer deutlicher, dass Ungarn kein verlässlicher Partner ist. Beispielsweise ließ Ungarn im Ende Mai 2023 über 800 inhaftierte Schlepper frei - mit der Anordnung, diese müssten Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen4 - und verursachte somit ein beachtliches sicherheitspolitisches Risiko für Österreich und für die gesamte Europäische Union. 

Anstatt österreichische Exekutivbeamt:innen und kostbare Ressourcen auf Basis bilateraler Vereinbarungen nach Ungarn zu schicken, wäre es angezeigt, Kooperationen mit diesem multipel rechtsbrechenden Staat zu unterlassen und vielmehr die Ressourcen für ein europäisches Grenzmanagement einzusetzen, insbesondere im Rahmen von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Nur eine verstärkte Kooperation auf EU-Ebene ermöglicht ein Grenzmanagement nach bestehenden einheitlichen, rechtsstaatlichen Standards, deren Einhaltung vonseiten der österreichischen Beamt:innen einzuhalten und einzumahnen sind. So können die gemeinsamen Außengrenzen zugleich wirksam kontrolliert und gleichzeitig die Menschenwürde von Asylwerber:innen und Migrant:innen gewahrt werden. 

 

  1. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/13073?selectedStage=105; https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14124?selectedStage=100
  2. https://www.unhcr.org/dach/at/61101-sorge-uber-ungarns-entscheidung-zugang-zu-asyl-weiterhin-einzuschranken.html
  3. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_21_5801
  4. https://www.diepresse.com/6291173/schlepper-freilassungen-ungarn-fordert-von-eu-finanzielle-unterstuetzung

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, unverzüglich die bilateralen Polizeieinsätze in Ungarn zu beenden und sich auf Unionsebene für ein europäisches, rechtsstaatliches Grenzmanagement einzusetzen." 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.