350/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.02.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Reduktion der Gerichtsgebühren

 

Im Jahr 2019 nahm die Justiz Gerichtsgebühren in Höhe von  1,07 Milliarden Euro ein.

Diese Summe setzt sich aus folgenden Rubriken zusammen:

Zivilprozesse: 112 631 486,39 

Exekutionsverfahren: 45 726 403,14

Insolvenz- und Reorganisationsverfahren: 11 798 901,79

Außerstreit- und JV-Sachen: 51 816 419,66

Strafsachen inkl. Diversion: 5 128 849,96

Firmenbuch: 23 222 086,42

Grundbuch: 800 146 243,86

(Quelle: Anfragebeantwortung 193/AB durch den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz DDr. Clemens Jabloner zu der schriftlichen Anfrage (221/J) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Budgetvollzugsbericht – Einnahmen aus Gerichtsgebühren)

 

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) spricht die Höhe der Gerichtsgebühren auch kritisch in seinem Tätigkeitsbericht 2019 an (http://www.rechtsanwaelte.at/fileadmin/user_upload/PDF/02_Kammer/Stellungnahmen/Taetigkeitsbericht/tb_2019_hp.pdf): 

"Die Gerichtsgebühren sind zu einer echten Hürde im Zugang zum Recht geworden. Viele Bürger können sich den Gang zu Gericht aufgrund der hohen Gebührenbelastung nicht mehr leisten, Wirtschaftsstreitigkeiten werden immer öfter im benachbarten Ausland (z. B. Bayern) ausgetragen. Österreich ist das einzige europäische Land, dessen Einnahmen aus Gerichtsgebühren die tatsächlichen Kosten der Gerichte übersteigen. Der ÖRAK empfiehlt daher folgende Maßnahmen: Reform der Gerichtsgebührenstruktur in Österreich, Beseitigung des Selbstverständnisses der Justiz als Großunternehmen, Abflachung der Kurve des progressiven Tarifs bei den Gerichtsgebühren, Abschaffung des Automatismus der Inflationsanpassung, Deckelung der Gerichtsgebühren bei hohen Streitwerten (Attraktivierung des Gerichtsstandortes Österreich), Reduktion der Gerichtsgebühren für jeden Vergleich, Reduktion der Pauschalgebühr im Revisionsverfahren für den Fall einer Zurückweisung der Revision durch den OGH, Reduktion der Pauschalgebühr bei Klagsrückziehungen auch nach Zustellung an den Gegner und ebenso für den Fall des ewigen Ruhens des Verfahrens, Gebührenfreiheit hinsichtlich einer Generalbereinigungsklausel im Vergleich."

 

Der Zugang zum Recht muss leistbar sein
Der freie und gleiche Zugang zu Recht und Gerichtsbarkeit zeichnet einen liberalen Rechtsstaat wesentlich aus. Doch die hohe Gebührenlast schränkt diesen Zugang maßgeblich ein. Für Rechtssuchende ist die eigene Vermögenssituation schon bei der bloßen Entscheidung über den Gang zu Gericht und völlig unabhängig von systemimmanenten Kosten wie jenen für Rechtsberatung ein signifikantes Kriterium, das gerade sozial Schwächere davon abhalten kann, sich an die Gerichte zu wenden.  Die Gebührenlast wird zudem jährlich durch die Inflationsanpassung des § 31a GGG verschärft.

Darüber hinaus sind die hohen Verfahrenskosten ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Attraktivität des Wirtschafts- und Schiedsgerichtsstandortes Österreich. Bei hohen Streitwerten ufern die Gerichtsgebühren ins Unverhältnismäßige aus.

Die rechtssuchende Bevölkerung finanziert über Gebühren den Überschuss des Justizressorts
Laut einer Studie des Europarates (European judicial systems - Efficiency and quality of justice, Edition 2018) ist Österreich mit großem Abstand europaweiter Spitzenreiter bei Einnahmen aus Gerichtssteuern- und Gebühren.

Während Österreich pro Bürger_in und Jahr 106,65 Euro an Gerichtssteuern einnimmt, sind es in Deutschland 52,78 Euro, in der Schweiz 29,49 Euro und in Dänemark lediglich 9,81 Euro (Quelle: European judicial systems - Efficiency and quality of justice, Edition 2018, Seite 65).

Laut dieser Studie hat der Deckungsgrad der österreichischen Justiz durch Gerichtsgebühren den europaweiten Rekordwert von 117 Prozent erreicht. Auf dem zweiten Platz folgt demnach die Türkei mit 62 Prozent, danach Deutschland und Malta mit jeweils 43 Prozent. Von 2010 bis 2016 sind hierzulande die jährlichen Einnahmen aus Gerichtsgebühren um 41 Prozent gestiegen - während sich der Verbraucherpreisindex in diesem Zeitraum um nur zwölf Prozent erhöhte. (Quelle: https://rm.coe.int/rapport-avec-couv-18-09-2018-en/16808def9c)

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Gerichtsgebühren senken, gleichen Zugang zum Recht ermöglichen, Bevölkerung und Wirtschaftsstandort entlasten
Neben einer Abschaffung des Automatismus der Inflationsanpassung iSd § 31a GGG ist daher eine Deckelung der Höhe von Gerichtsgebühren im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität ebenso angezeigt wie eine allgemeine, schrittweise Senkung der Gerichtsgebühren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, wonach die Gerichtsgebühren mit den europäischen Schnitt möglichst nahe kommenden, sozial verträglichen und dem internationalen Wettbewerb des Wirtschaftsstandtorts Österreich Rechnung tragenden Beträgen gedeckelt werden und die Gesamtbelastung durch Gerichtsgebühren gesenkt werden."


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.