3504/A XXVII. GP

Eingebracht am 05.07.2023
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ANTRAG

 

 

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner,

Genossinnen und Genossen,

 

 

betreffend ein Bundesgesetz über die statistische Erhebung der Zeitverwendung (Zeitverwendungserhebungsgesetz – ZVEG)

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz über die statistische Erhebung der Zeitverwendung (Zeitverwendungserhebungsgesetz – ZVEG)

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

„Bundesgesetz über die statistische Erhebung der Zeitverwendung

(Zeitverwendungserhebungsgesetz – ZVEG)

 

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Art und Gegenstand der Erhebungen

§ 2 Zweck der Erhebung

§ 3 Erhebungseinheiten und Stichprobe

§ 4 Freiwilligkeit, Einwilligung, Aufwandsentschädigung

§ 5 Periodizität und Berichtszeitraum

§ 6 Aufbereitung, Berichtslegung, Maßnahmen

§ 7 Erhebungsmerkmale

§ 8 Vollzugsklausel

§ 9 Inkrafttreten

 

Art und Gegenstand der Erhebungen

§ 1. Ab dem Jahr 2024 werden Erhebungen über die Verwendung von Zeit durch natürliche Personen auf repräsentativer Grundlage als Bundesstatistik durchgeführt.

                                                                                                         

Zweck der Erhebung

§ 2. Zweck der Erhebung ist es, statistische Angaben zur Beschreibung und Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen bereitzustellen, insbesondere zur Vorbereitung und zur regelmäßigen Evaluierung gesellschaftspolitischer Maßnahmen und für Vergleiche mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

 

Erhebungseinheiten und Stichprobe

§ 3. (1) Erhebungseinheiten sind Personen und Haushalte.

          (2) Einen Haushalt bilden alle Personen, die gemeinsam wohnen und wirtschaften. Wer allein wohnt oder allein wirtschaftet, bildet einen eigenen Haushalt.

 

          (3) Die Erhebung wird bei bis zu 15 000 Haushalten durchgeführt.

 

Freiwilligkeit, Einwilligung, Aufwandsentschädigung

§ 4. (1) Die Erteilung der Auskunft nach den Vorschriften dieses Gesetzes ist freiwillig.

 

          (2) Bei Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bedarf es der Einwilligung einer obsorgeberechtigten Person in die Verarbeitung der in den §§ 7 und 8 genannten personenbezogenen Daten. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr erteilen Minderjährige diese Einwilligung selbst.

 

          (3) Für die Erteilung der Auskunft erhalten die Haushalte eine Aufwandsentschädigung. Die Aufwandsentschädigung ist kein Einkommen im Sinne des § 2 EstG 1988, BGBl.  Nr. 400/1988, in der jeweils geltenden Fassung, gilt nicht als Nettoeinkommen im Sinne des § 292 Abs. 3 ASVG und ist unpfändbar

 

Periodizität und Berichtszeitraum

§ 5. (1) Die Erhebungen nach § 1 werden im Laufe von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten durchgeführt und sind in dreijährigem Abstand zu wiederholen.

 

          (2) Erhebungsmerkmale werden mit Bezug auf die gegenwärtige Situation oder einen zurückliegenden Zeitraum erhoben.

 

Aufbereitung, Berichtslegung, Maßnahmen

§ 6. (1) Die Aufbereitung der Erhebungen nach § 1 obliegt der Statistik Austria.

 

          (2) Die Statistik Austria hat die Erhebungen derart aufzubereiten, dass die Bundesregierung dem Nationalrat jedes dritte Kalenderjahr, jeweils spätestens bis zum 30. Juni, über die im Berichtszeitraum erhobenen Daten sowie daraus abgeleitete Maßnahmen zum Abbau von bestehenden gesellschaftlichen, familiären und wirtschaftlichen Benachteiligungen von Frauen im Sinne des Bundesgesetzes über Berichte der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen, BGBl. Nr. 837/1992, in der geltenden Fassung, berichten kann.

 

          (3) Maßnahmen im Sinne des Abs. 2 sind:

1. Die Schaffung von Einrichtungen, die es Männern und Frauen ermöglichen, ihre familiären Verpflichtungen mit ihrer Berufstätigkeit zu vereinbaren;

2. Sozialpolitische Maßnahmen, die Benachteiligungen von Frauen im Hinblick auf den Umstand, dass sie Mütter sind oder sein können, abbauen;

3. Aktive Frauenförderungsmaßnahmen in allen gesellschaftlichen Bereichen (insbesondere in den Bereichen Arbeitsmarkt, Wissenschaft, Kunst und Kunstförderung sowie im öffentlichen Dienst);

4. Allgemeine Maßnahmen zur Existenzsicherung, vor allem für die Fälle des Alters, der Invalidität und der Arbeitslosigkeit;

5. Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben.

 

          (4) Durch den Bericht gemäß § 6 Abs. 2 soll der Nationalrat in die Lage versetzt werden, den jeweiligen Stand der Erhebungen über die Verwendung von Zeit durch natürliche Personen sowie daraus abgeleitete Maßnahmen nach Abs. 3 Z 1 bis 5 festzustellen.

 

Erhebungsmerkmale

§ 7. (1) Die Erhebungen werden auf Basis des Mikrozensus Fragebogen der Statistik Austria durchgeführt und sollen Informationen über Haushalte aller Haushaltsmitglieder erheben.

 

          (2) Folgende Erhebungsmerkmale werden bei den im Haushalt lebenden Personen ab zehn Jahren unter der Berücksichtigung der Richtlinien über harmonisierte Europäische Zeitverwendungserhebungen (HETUS) von EUROSTAT in der jeweils geltenden Fassung einzeln erhoben:

1. Art, Dauer und Ort ausgeübter Aktivitäten sowie daran beteiligte Dritte und dafür verwendete Informations- und Kommunikationstechnologien,

2. Bewertung der verwendeten Zeit und Zeitwünsche,

3. Umfang der Betreuung und ausgewählte Aktivitäten von Kindern unter zehn Jahren

4. Formen und Umfang von freiwilligem Engagement,

5. Formen und Umfang von Unterstützungsleistungen für andere Personen, inklusive Pflegeleistungen,

6. Kontakt zu eigenen Kindern unter 18 Jahren, die nicht im selben Haushalt leben,

7. Zeitempfinden und Zeitwünsche in verschiedenen Lebensbereichen, Wahrnehmung von Einsamkeit und allgemeine Lebenszufriedenheit

8. Gesundheitszustand der Haushaltsmitglieder sowie mit diesem einhergehende Einschränkungen.

 

 

Vollziehung

§ 8. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt betraut.

 

 

Inkrafttreten

§ 9. Dieses Bundesgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. xx/2023 tritt mit 1. Jänner 2024 in Kraft.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Gleichbehandlungsausschuss

 

Begründung

 

Zeitverwendungserhebungen (ZVE) liefern Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit grundlegende Informationen dazu, wieviel Zeit Menschen in Österreich mit Arbeit oder Schule, Sport, Freunde und Kultur verbringen. Die Daten dienen als Grundlage für Untersuchungen im Bereich der Lebensqualitätsforschung und zeigen auf, wie viel Zeit verschiedene Bevölkerungsgruppen für unterschiedliche Tätigkeiten pro Tag aufwenden und wie beispielsweise unbezahlte Arbeit, z.B. Hausarbeit, Pflege, Freiwilligenarbeit und Kinderbetreuung, auf Frauen und Männer verteilt ist.[1]

Leider gibt es in Österreich nur stark veraltete Informationen, für welche Tätigkeiten Frauen und Männer ihre Zeit aufwenden. v.a. der Bereich der unbezahlten Arbeit ist kaum erforscht. Die letzte große Zeitverwendungserhebung wurde durch die Statistik Austria 2008/09 durchgeführt. Damals wurde sichtbar, dass Frauen täglich durchschnittlich 3 Stunden und 42 Minuten Hausarbeit verrichten, Männer hingegen nur knapp die Hälfte mit 1 Stunde und 58 Minuten. Das heißt, dass Frauen knapp zwei Stunden mehr unbezahlt arbeiteten als Männer.

Wie sich die Situation 15 Jahre später darstellt ist nicht bekannt. Erst im Herbst 2023 werden von der Statistik Austria neue Zahlen veröffentlicht. Diese unregelmäßige und inkonsequente Durchführung von Zeitverwendungserhebungen verhindern klare Aussagen und lassen unbezahlte Reproduktionsarbeit und Mehrfachbelastungen von Frauen weiterhin unsichtbar.

Mit dem vorliegenden Initiativantrag soll nun eine gesetzliche Grundlage für die regelmäßige Durchführung einer Zeitverwendungserhebung (im Drei-Jahre-Zyklus) durch die Statistik Austria geschaffen werden. Das Wissen um die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit muss endlich sichtbar werden.

 

 



[1] https://www.statistik.at/ueber-uns/erhebungen/personen-und-haushaltserhebungen/zeitverwendungserhebung