3507/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 05.07.2023
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,
Genossinnen und Genossen
betreffend Schaffung eines Baukulturförderprogramms für Städte und Gemeinden
Unsere Welt besteht zu einem großen Teil aus Räumen, die von Menschen gestaltet sind: aus Gebäuden, Straßen und Plätzen, Städten und Dörfern, Gärten und Parks, Landwirtschaften und Kulturlandschaften. All das ist Baukultur, weil all das von Menschen geplant und gebaut wird. Um diesem umfassenden Thema gerecht zu werden, wurde 2008 der Beirat für Baukultur eingerichtet. Der Beirat soll beraten, das Prinzip "Baukultur" auf allen politischen Ebenen verankern und als Dialogforum von Architektur und Bauwesen sowie Politik und Verwaltung dienen. Er legt dabei einen Fokus auf die Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für Baukultur und möchte ein breites Verständnis von Baukultur als Querschnittsmaterie etablieren.
Im Jahr 2017 gelang es, die vom Beirat vorgelegten Baukulturellen Leitlinien des Bundes zur Beschlussfassung zu bringen. Der Bund spielt eine wesentliche Rolle für die Entwicklung der Baukultur in Österreich. In den Baukulturellen Leitlinien bekennt sich der Bund zur Bewahrung lebenswerter Kulturlandschaften und schützenswerter Kulturgüter durch eine ressourcenschonende Entwicklung von Orten und Infrastrukturen. Insgesamt gibt es 20 Leitlinien zur Orts-, Stadt- und Landschaftsentwicklung und zum Bauen. Im aktuellen Regierungsprogramm ist die Entwicklung eines Umsetzungsplans vorgesehen.
Darüber hinaus hat der Baukulturbeirat seit seiner Gründung mehrere Publikationen herausgegeben, von besonderer Bedeutung sind dabei die vier Baukulturreporte. Der Erste Baukulturreport, der als ein Ergebnis der parlamentarischen Enquete zur Architekturpolitik und Baukultur (2004) entstand, gibt mit sechs Heften, knapp 50 Artikeln und einer Vielzahl von Statements aller relevanten Baukulturakteure einen Überblick über die österreichische Baukulturlandschaft. Nach der umfassenden Darstellung der österreichischen Architektur-/Baukulturszene im ersten Baukulturreport, fokussiert der zweite Report auf ausgewählte, im Kontext der baukulturellen Entwicklung besonders relevante Schwerpunktthemen. Der dritte Baukulturreport zeigt die Auswirkungen unterschiedlicher Szenarien, wie Österreich im Jahr 2050 aussehen könnte. Zugleich eröffnet er Perspektiven auf Chancen und Risiken – und verfolgt dabei das Ziel, Strategien aufzuzeigen, wie wir Österreich auch in Zukunft lebenswert gestalten können.
Von großer Bedeutung ist der vierte Baukulturreport (2021), der den Weg zu einer Agentur für Baukultur skizziert. Nach den theoretischen Ausführungen der ersten drei Ausgaben, macht der vierte Report konkrete Vorschläge wie das Thema Baukultur in Österreich auf eine neue Ebene gehoben und die baukulturelle Qualität in Österreich ganz konkret gesteigert werden könnte. Dabei konstatiert er: „Die geringe Bedeutung, die Baukultur beigemessen wird, führt in der Konsequenz zum Verlust an Lebensqualität aller, die unter derart ungünstigen Rahmenbedingungen entstehende Gebäude benützen müssen – ob nun als Wohnung, Arbeitsplatz, Freizeitort, soziale oder gesundheitliche Einrichtung. Deshalb besteht hier dringender Handlungsbedarf. Der Bund konnte die Baukulturellen Leitlinien als strategisches Dokument beschließen, aber trotz einiger durchaus beachtlicher Ansätze keine umfassende und auf Umsetzung ausgerichtete Strategie baukultureller Qualität entwickeln. Zu einer solchen Strategie würden auch angemessene Investitionen in Baukulturvermittlung und Baukulturforschung zählen. Eine Steigerung des kulturellen Bewusstseins für das Bauen ist ohne den Bund und andere Gebietskörperschaften als vorbildhafte Akteur:innen nicht zu erwarten.“[1] Eine Folge dieser kritischen Worte war, dass der Bericht nicht so wie Vorgängerreporte im Ministerrat beschlossen werden konnte.
Als konkrete Problembereiche führt der Report den Funktionsverlust von Stadt- und Ortskernen, die fehlende Nachhaltigkeit und den Bodenverbrauch, den ungleichen Zugang zu qualitätsvollem Raum, Qualitätsmängel und Ineffizienzen des öffentlichen Bauens, kontraproduktive rechtliche Rahmenbedingungen und fehlende Vernetzung und Wissensvermittlung an. Besonders kritisiert wird die Flächeninanspruchnahme in Österreich, die „in den vergangenen zehn Jahren bei ca. 55 km2 pro Jahr“ lag und „damit beim Sechsfachen des vom österreichischen Nationalrat definierten Zielwerts (9 km2)“ liegt. Weder auf Bundes- noch auf Länderebene „existieren effektive raumsparende Strategien.“ Deshalb nimmt Österreich, was die Flächeninanspruchnahme betrifft, europaweit eine negative Spitzenposition ein“ [2], konstatiert der Report. Erst kürzlich scheiterte wiederum die Beschlussfassung der neuen Bodenstrategie, nachdem 20 Monate verhandelt worden war.
Um dem entgegenzuwirken, schlägt der Report die Schaffung eines Baukulturförderprogramms und einer Agentur für Baukultur vor. So sollen die dargestellten Probleme gebündelt und die Umsetzung der Baukulturellen Leitlinien des Bundes erreicht werden. Die Agentur stellt dabei Ressourcen für Baukulturförderung, Forschungsförderung, Beratung und Kooperation, sowie Qualitätsentwicklung zur Verfügung und soll grundsätzlich mit allen Ressorts des Bundes und allen weiteren Ebenen der Verwaltung kooperieren. Die Arbeit und somit auch die Organisationsstruktur soll sich in vier Tätigkeitsfelder gliedern: Baukulturförderung für Städte und Gemeinden, Forschungsförderung, Beratung und Kooperation und Qualitätsentwicklung. Inhaltlicher Handlungsrahmen sollen die Baukulturellen Leitlinien des Bundes und ein eigenes Bundesbaukulturgesetz sein. Als erstes und umfangreichstes Tätigkeitsfeld der vorgeschlagenen Agentur für Baukultur wird ein Baukulturförderprogramm für Städte und Gemeinden vorgeschlagen, das baukulturell herausragende Bauprojekte, deren Vorbereitung und Begleitung direkt finanziell unterstützen soll.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat zur Steigerung der baukulturellen Qualität und Umsetzung der baukulturellen Leitlinien des Bundes eine Regierungsvorlage für ein eigenes Bundesbaukulturgesetz und zur Gründung einer Agentur für Baukultur inklusive einer Baukulturförderung für Städte und Gemeinden zu übermitteln.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Kulturausschuss vorgeschlagen.
[1] Plattform Baukulturpolitik/ Forschungsinstitut für Urban Management and Governance: Vierter Baukulturreport. Baukulturpolitik konkret: Der Weg zur Agentur für Baukultur. Entwurf eines Regelungsvorhabens samt wirkungsorientierter Folgenabschätzung (WFA) für effektivere und effizientere Baukulturinstrumente, im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport,
Wien 2021, S. 87.
[2] ebd. S. 20.