3549/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 30.08.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Peter Wurm 

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schluss mit Privilegien, Parteipolitik, Spitzengagen und Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiter- und Wirtschaftskammer!

 

 

Österreich befindet sich seit Frühjahr 2020 in Folge der Corona-Maßnahmen, der Sanktionspolitik im Zuge des Ukraine-Kriegs und einer im europäischen Vergleich Mega-Inflation in einer schweren Wirtschafts- und Konsumkrise. Durch eine anhaltende Teuerungswelle bei Wohnen, Energie und den Konsumgütern des täglichen Gebrauchs können sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten und befinden sich in einer ökonomischen Existenzkrise. Diese Entwicklung reicht von den kleinen Einkommensbeziehern über die Pensionisten und Familien bis hinein in den Mittelstand. Viele dieser Entwicklungen wurden und werden durch anhaltend falsche politische Entscheidungen der österreichischen Bundesregierung, etwa durch die CO2-Bepreisung, auch noch weiter befeuert.

 

Die österreichischen sogenannten „Interessensvertretungen“ mit Zwangsmitgliedschaft wie die Arbeiterkammer oder die Wirtschaftskammer verschweigen sich hier oder machen sich sogar in fortgesetztem Maße und über viele Jahre zum Handlanger der österreichischen Bundesregierung wie etwa bei den Corona-Maßnahmen, der Sanktionspolitik oder der CO2-Bepreisung. Sie stellen sich hiermit tatsächlich gegen die Interessen Ihrer Zwangsmitglieder und kassieren diese gleichzeitig auch noch kräftig ab. Und in der Tagespolitik agieren Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer immer wieder als parteipolitische Filialbetriebe ihrer Mehrheitsfraktionen Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (AK) bzw. ÖVP-Wirtschaftsbund (WKÖ).

 

Arbeiterkammer:  100 Millionen Euro Mehreinnahmen bis 2024 

Während Arbeitnehmer und ihre Familien unter der Inflation leiden, freut sich die SPÖ-dominierte Arbeiterkammer gleichzeitig über stark steigende Zwangsmitglieds-beiträge. Diese Zwangsmitgliedsbeiträge werden Monat für Monat mit den Sozialversicherungsbeiträgen von Löhnen und Gehältern abgezogen und profitieren von den Lohnanpassungen. Bis 2024 rechnet man mit Mehreinnahmen von bis zu 100 Millionen Euro – und somit insgesamt mit gut 700 Millionen Euro an Jahreseinnahmen. Die Mehreinnahmen fließen unter anderem in eine sogenannte „Rücklage“ für die Arbeiterkammerwahlen 2024. Diese Wahlkampf-Rücklage ist um die Hälfte höher als vor den letzten Wahlen im Jahr 2019.[1]

 

Spekulationsverluste mit Arbeiterkammergeldern Spitzengage für Direktorin

5,3 Millionen Euro – diese gewaltige Summe verspekulierte die Arbeiterkammer in nur einem Jahr auf den internationalen Finanzmärkten. Die AK Wien vernichtete mit 2,9 Millionen Euro die größte Summe, gefolgt von der AK Niederösterreich mit 1,1 Millionen Euro, der AK Steiermark mit 1,0 Millionen Euro, der AK Burgenland mit 237.000 Euro und der AK Kärnten mit 119.000 Euro. Aktuell sollen immer noch 40 Millionen Euro an Arbeiterkammergeldern in Wertpapieren veranlagt sein. „Monopoly-Geld“ aus Zwangsmitgliedsbeiträgen, mit dem weiter spekuliert werden kann.[2] Gleichzeitig kassieren hauptamtliche AK-Spitzenfunktionäre wie die Wiener AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank laut Medienberichten nicht weniger als 19.300 Euro Monatsgehalt, wieder finanziert aus den Zwangsmitgliedsbeiträgen der Arbeitnehmer.[3]

 

Wirtschaftskammer sitzt auf Rücklagen von 1,9 Milliarden Euro

Die Rücklagen der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) haben 2022 einen Wert von 1,924 Milliarden Euro erreicht. Das ist deutlich mehr als die 1,3 Milliarden Euro an Aufwendungen. Im Jahr 2020 summierten sich die Rücklagen bereits auf 1,65 Milliarden Euro, im Jahr 2021 auf 1,78 Milliarden Euro. Diese Beträge sind deutlich höher ausgefallen, als die WKÖ mit Verweis auf ihre eigene Haushaltsordnung als vorzuhaltende Reserve angibt. Richtwert für die Höhe der sogenannten Ausgleichsrücklage wäre demnach lediglich der Jahresbedarf für Personal und Sachkosten. Und der liegt deutlich darunter.[4]

 

Mehrbelastungen durch inflationsbedingt steigende Kammerbeiträge

Die enorme und ständig steigende Teuerung, der die Österreicher seit vielen Monaten ausgesetzt sind, hat indirekt auch Auswirkungen auf die Wirtschafstreibenden und Unternehmer, die als Mitglieder der Wirtschaftskammern Zwangsbeiträge abliefern müssen. Durch die Teuerungen erhöhen sich auch die der Berechnung der Kammerumlagen zugrundeliegenden Bemessungsgrundlagen, die unter anderem auf der dem Kammermitglied in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (KU1) bzw. der Lohnsumme (KU2) beruhen. Somit erhöhen sich mit jeder Teuerung auch die den Kammermitgliedern in Rechnung gestellten Kammerbeiträge.

 

Dies führt für die Unternehmer zusätzlich zu den derzeit bestehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten zu steigenden finanziellen Belastungen durch höhere Kammerbeiträge. Damit verdienen neben dem Finanzminister insbesondere auch die Wirtschaftskammern Österreich an der derzeit enormen Teuerung und Inflation, wie jüngst bekannt gewordene Zahlen eindrucksvoll bestätigen:[5]

 

Seit 2020 geht es besonders stark nach oben. (…) Die Einnahmen aus Pflichtbeiträgen der WK betrugen 2022 insgesamt rund 876 Millionen Euro. Laut Agenda Austria wird erwartet, dass diese bis 2024 um mehr als 100 Millionen auf 980 Millionen Euro steigen. Die Einnahmen der WKO steigen damit laut Agenda Austria stärker als die Inflation.

 

Ein Antrag der FPÖ betreffend keine Mehrbelastungen für Zwangsmitglieder der Wirtschaftskammern Österreich durch infolge der Teuerung steigende Kammerbeiträge wurde von den Regierungsparteien sowie der SPÖ im Nationalrat noch am 17. November 2022 abgelehnt.

 

Wie entsprechende Schlagzeilen eindrucksvoll bestätigen, werden diese Einnahmen von den Wirtschaftskammern auch dringend benötigt:[6]

 

Um deren standesgemäße Kontakte zu Wirtschaft und Politik in Metropolen wie Schanghai, Hongkong, Moskau oder New York und damit den Export zu fördern, steuerte die WKO im Jahr 2019 exakt 40.508 Euro zu Mitgliedschaften in Golf-, Yacht- oder Sportvereinen bei. Auch die Zugehörigkeit zu Rotary-Vereinen wird unterstützt.

 

Wenn dann in einer Reaktion der Generalsekretär der WKO, Karlheinz Kopf, gegenüber der „Kleinen Zeitung“ vom 18. April 2021 mitteilte, dass es auch zweckmäßig sein könne, beispielsweise „Mitgliedschaften in Sportvereinen wie Golfklubs zu übernehmen“,[7] so kann das nur als Schlag ins Gesicht der Unternehmer bezeichnet werden, die als Zwangsmitglieder jährlich enorme und durch die Teuerung weiter steigende Zwangsbeiträge an die Kammern entrichten müssen.

 

Diese Wortmeldung von Karlheinz Kopf veranlasste damals auch die Bundesvorsitzende der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, zu einer kritischen Reaktion in der Kleinen Zeitung vom 19. April 2021:[8]

 

Jungwirth stört die „Überheblichkeit“, mit der WK-Generalsekretär Karlheinz Kopf und WK-Präsident Harald Mahrer Kritik vom Tisch wischten, „als wäre das Bezahlen von Golfklubmitgliedschaften das Normalste der Welt. Kein Unternehmen kann so wirtschaften, warum eine Interessenvertretung?“, fragt Jungwirth. „Gerade wenn man weiß, wie letztes Jahr WK-Mitglieder, die jeden Cent umdrehen müssen, mit den Grundumlagen geknebelt wurden, während in der Kammer geklotzt wird.“

 

Sonderpension für WKO-Generalsekretär Kopf musste rückabgewickelt werden

Seit dem 1. Juli 2018 ist Karlheinz Kopf Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, zwei Monate zuvor wurde Harald Mahrer zum Präsidenten der Österreichischen Wirtschaftskammer ernannt. Bis November 2017 war Kopf Zweiter Präsident des Nationalrates, sein ÖVP-Parteikollege Harald Mahrer war bis Ende 2017 Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

 

Nahezu zeitgleich haben die ehemals hohen Parteifunktionäre der ÖVP demnach ihre neuen Positionen als höchste Vertreter für die Interessen von 540.000 österreichischen Mitgliedsbetrieben der WKO angetreten.

 

Als eine der ersten Amtshandlungen hat Wirtschaftskammerpräsident Mahrer Kopf – noch vor „Dienstantritt“ – mit einer Sonderpension von 252.211 Euro bedacht, wie ein Vertrag, der in der „Kronen Zeitung“ vom 21.01.2023 abgedruckt wurde, zeigt.[9] Im Zuge der Pensionsreform der WKO wurde per 1.1.2012 festgelegt, dass es für neu eintretende Mitarbeiter keine Pensionskassenzusagen – somit auch keine Sonderpensionen – mehr gibt. „Sie erhalten somit ausschließlich die gesetzlichen Pensionsleistungen.“[10]

 

Die Sonderpension in Höhe von 252.211 Euro, die für Generalsekretär Karlheinz Kopf überwiesen wurde, hätte dementsprechend nicht gewährt werden dürfen. Wie die Wirtschaftskammer mittlerweile verlautbaren ließ, wurde der Deal 2021 bereits rückabgewickelt, nachdem der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts die Vereinbarung angezweifelt hatte.

 

Zwangsmitglieder finanzieren Gagenparadies in den Kammern

Die „Kronen Zeitung“ vom 15.08.2023 berichtete in diesem Zusammenhang unter dem Titel „Kammern zahlen üppige Gagen“ wie folgt:[11]

 

Die Direktoren bei Arbeiterkammer und WKO verdienen so viel wie ein Minister, im Durchschnitt zwischen 14.000 und 19.000 Euro im Monat

 

Dank der vollen Kassen lassen sich die Kammern auch nicht lumpen, was die Bezahlung ihrer führenden Mitarbeiter betrifft. Die Bezüge der Präsidenten (auch in den Bundesländern) sind zwar an die „Gehaltspyramide“ der Politiker gebunden und dürfen maximal 30% über einem Nationalrat liegen, also bei maximal 13.000 € brutto im Monat.

 

Anders sieht es bei den „Kammerdirektoren“ aus, also den höchsten Angestellten. Die AK veröffentlicht deren Gehälter sogar auf den Websites (nicht leicht zu finden), die WKO nicht. Doch es sind durchaus üppige Gagen, die einem Ministergehalt entsprechen: Silvia Hruska-Frank, Direktorin der AK Wien und der Bundeskammer, kommt auf 19.365 € brutto, ihre Kolleginnen aus OÖ und NÖ folgen mit je 18.742 € knapp dahinter. Sie fühlt sich nicht überbezahlt: „Wenn man das mit allen Unternehmen vergleicht, die vom Rechnungshof geprüft werden (Anm.: alle, die mehrheitlich im öffentlichen Eigentum stehen), liege ich im guten Mittelfeld.“
Bei der WKO ist Generalsekretär Karlheinz Kopf gleichzeitig Abgeordneter im Nationalrat (9300 € brutto), im Vorjahr kamen zwischen 8000 und 12.000 monatlich (erlaubt sind maximal 180% des Abgeordnetenbezugs) dazu. Ansonsten veröffentlicht nur das kleine Burgenland das Gehalt seines Kammeramtsdirektors (ca. 14.000 €), die anderen Landeskammern schweigen sich offiziell aus. Die Größenordnung dürfte aber wie bei den AKs sein.

 

Arbeitnehmer und Unternehmer brauchen eine Interessensvertretung. Aber diese Interessensvertretung muss sich an den Bedürfnissen und der ökonomischen Situation ihrer Mitglieder orientieren.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

  

Entschließungsantrag 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen beinhaltet:

·         Evaluierung und Senkung der Arbeiterkammerumlage und der Wirtschaftskammerbeiträge

·         Senkung der Gehälter und Funktionsgebühren für AK- und WKO-Präsidenten sowie AK- und WKO-Direktoren bzw. Generalsekretäre durch eine Angleichung an das Gehaltschema des öffentlichen Dienstes

·         Solidarbeitrag aus den Rücklagen der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer an ihre Mitglieder in Zeiten der Teuerungswelle

·         Entparteipolitisierung der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer und Weiterentwicklung zu einer tatsächlichen Service- und Vertretungseinrichtung

·         Verankerung einer „Opting out“-Möglichkeit von der Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer für Arbeitnehmer und Unternehmer“

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuzuweisen.



[1] https://kurier.at/politik/inland/arbeiterkammer-rekordhoehe-ruecklage-wahlen-teuerung/402558317

 

[2] https://exxpress.at/absurd-hohe-gagen-millionen-verluste-rote-arbeiterkammer-verweigert-ruecktritte/

[3] https://exxpress.at/19-300-euro-fuer-ak-direktorin-bereits-der-vierte-gagen-skandal-der-arbeiterkammer/

[4] https://www.derstandard.at/story/3000000179704/ruecklagen-der-wirtschaftskammer-auf-rekordhoch

[5] https://www.nachrichten.at/wirtschaft/arbeiter-und-wirtschaftskammer-einnahmen-steigen-staerker-als-die-inflation;art15,3869287

[6] https://www.derstandard.at/story/2000125912058/kritik-an-ausgaben-der-wirtschaftskammer-blick-in-eines-der-letzten

[7] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5967446/WKOe-reagiert-auf-Kritik_Es-kann-zweckmaessig-sein-Kosten-fuer

[8] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5967989/Nach-Pruefbericht_Mitglieder-werden-geknebelt-waehrend-Kammer

[9] https://www.krone.at/2909917

[10] https://www.wko.at/service/oe/WK-Stellungnahme-zur-RH-Pruefung-der-Pensionsregelungen-der-.pdf

[11] https://www.krone.at/3086255