3572/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 20.09.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Michael Bernhard Kolleginnen und Kollegen
betreffend Rascher Beschluss einer Bodenschutzstrategie und Umsetzung entsprechender Maßnahmen!
Die Bodenversiegelung und Flächeninanspruchnahme schreitet in Österreich weiter ungezügelt voran. Pro Tag werden weit über 10ha Bodenfläche versiegelt und eine Verbesserung dieser Situation ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Obwohl das Problem bereits seit über 20 Jahren bekannt ist und regelmäßig auf der politischen Agenda steht, wurden vonseiten der Politik bisher keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt, um diesem Missstand angemessen zu begegnen.
Insbesondere für die Landwirtschaft entfaltet diese Tatenlosigkeit jedoch weitreichende negative Konsequenzen, die nicht zuletzt die Lebensmittel-Versorgungssicherheit Österreichs weiter schwächt und die Importabhängigkeit zwangsläufig erhöhen wird. Statt fruchtbarste Böden für die Produktion hochqualitativer Lebensmittel zu nutzen, wurden seit 1999 über 70.000 ha Ackerfläche verbaut. Laut einer WIFO Studie, die im Auftrag der österreichischen Hagelversicherung durchgeführt wurde, können in Österreich daher pro Jahr 480.000 Menschen weniger ernährt werden als im Vergleichsszenario ohne Rückgang der Agrarflächen. (1) Bereits 2018 hatte ein Forschungsprojekt der AGES mit dem Titel „Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich“ ergeben, dass Österreich vor allem angesichts klimatischer Veränderungen nicht mehr in der Lage sein wird, sich vollständig selbst mit Lebensmitteln zu versorgen. (2) Der Rechnungshof schlussfolgert aus dieser alarmierenden Bestandsaufnahme, dass der Schutz fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen höchste Priorität haben muss, um diese Problematik nicht weiter zu verschärfen und damit eine Versorgungskrise zu riskieren. (3) Mit der zügellosen Zerstörung von Äckern und Wiesen wird die Selbstversorgungsfähigkeit Österreichs sukzessive geschmälert. Es muss daher eine zentrale Aufgabe der österreichischen Landwirtschaftspolitik sein, den relativen Selbstversorgungsgrad Österreichs auch zukünftig sicherzustellen und entschlossen gegen die Flächeninanspruchnahme in der Landwirtschaft aufzutreten. Die aktive Umsetzung einer umfassenden und bundesweiten Bodenschutzstrategie mit verbindlichen Zielvorgaben für Länder bildet hierfür das adäquate und dringend notwendige Instrument.
Obwohl es bereits zahlreiche politische Bekenntnisse zu einer solchen Strategie gab, die von unzähligen Studien und Strategiepapieren begleitet wurden und sich in den letzten zwei sowie im aktuellen Regierungsprogramm niederschlagen, wurde es bisher von der Regierung verabsäumt, eine ambitionierte Bodenstrategie in die Wege zu leiten. Bereits im Oktober 2021 wurde im Rahmen der ÖROK Konferenz unter Einbeziehung aller beteiligten Institutionen und Ebenen ein "Umsetzungspakt" beschlossen, in dem das Ziel formuliert wurde, unter der Federführung des Landwirtschaftsministeriums ehestmöglich mit der Erarbeitung einer "Bodenstrategie für Österreich" zu beginnen und diese zeitnah zur endgültigen Beschlussfassung vorzulegen. Mithilfe unterschiedlichster Maßnahmen und verbindlicher Zielvorgaben sollte der Bodenverbrauch bis 2030 auf 2,5 ha pro Tag begrenzt werden. Im Juni 2023 hätte diese Bodenschutzstrategie auch endgültig beschlossen werden sollen, wurde jedoch zur Verwunderung zahlreicher Beobachter erneut vertagt. (4)
Darüber hinaus sorgen etliche Großbauprojekte, die dem Bodenschutz offensichtlich zuwider laufen und das fehlende Problembewusstsein auch in der Politik offenbaren, wiederholt für Schlagzeilen und öffentliche Empörung. Besonders brisant sind derartige Fälle, wenn es sich um Flächen handelt, die eigentlich im Besitz der Republik stehen. So mussten etwa im oberösterreichischen Ohlsdorf 18ha Wald einem Betriebsbaugebiet weichen, das nun niemand haben will. Die entsprechenden Waldflächen standen ursprünglich im Besitz der Bundesforste AG, die im Alleinbesitz der Republik steht und deren wesentliche Aufgabe eigentlich darin bestünde, den Waldbesitz der Republik Österreich entsprechend zu erhalten. Mittlerweile distanzieren sich die meisten Beteiligten von diesem Bauprojekt, bei dem selbst der Rechnungshof moniert, dass es offensichtlich zu gravierenden Behördenverfehlungen auf allen Ebenen gekommen ist. (5) Und auch das sogenannte "Dubai vom Weinviertel" in Grafenwörth sorgte jüngst für viel Unverständnis. Hier wurde eine Häusersiedlung auf bestem landwirtschaftlichen Boden errichtet. Der Projektbetreiber war der ÖVP-Bürgermeister und Präsident des österreichischen Gemeindebundes Alfred Riedl, der mit dem Deal laut Medienberichten bis zu einer Million € verdiente. (6)
Um diesen Missständen endlich zu begegnen, wurden bereits zahlreiche wissenschaftlich fundierte Empfehlungen von unterschiedlichen Institutionen abgegeben, die allesamt das Ziel verfolgen, der Politik geeignete Handlungsmaßnahmen an die Hand zu geben. Es mangelt also nicht an konkreten Vorschlägen. Neben eine Analyse des Rechnungshofes, die mit eindeutigen Empfehlungen für das Landwirtschaftsministerium aufwartet, wurde jüngst eine weitere Studie des WIFO veröffentlicht, in der erneut zahlreiche Instrumente und Maßnahmen vorgestellt wurden, die das Potential hätten, den Flächenverbrauch bundesweit zu reduzieren und Anreize zu setzen, um die zügellose Verbauung zu bremsen. Die Vorschläge liegen also auf dem Tisch und warten darauf, politisch umgesetzt zu werden. Gleichzeitig bekennen sich nahezu alle politisch Beteiligten öffentlichkeitswirksam zum gemeinsamen Ziel, den Bodenverbrauch endlich entschlossen zu reduzieren. Insofern ist es unverständlich, warum es bis dato keine Einigung gegeben hat, und vom Landwirtschaftsministerium nach wie vor keine Maßnahmen umgesetzt wurden.
Quellen:
(1) https://www.hagel.at/wp-content/uploads/2023/07/PK-Studie_Flaechenentwicklung.pdf
(2) https://www.ages.at/forschung/projekt-highlights/beat
(3) https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/964/imfname_1572626.pdf
(4) https://www.diepresse.com/13432545/beschluss-der-oesterreichischen-bodenschutzstrategie-vertagt
(5) https://www.krone.at/3046467
(6) https://www.wienerzeitung.at/a/das-dubai-vom-weinviertel
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, angesichts der zügellosen Inanspruchnahme fruchtbarster land- und forstwirtschaftlicher Flächen, eine Bodenschutzstrategie mit verbindlichen Zielvorgaben für die Bundesländer zu beschließen und folgende Maßnahmen zu setzen:
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.