3588/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.09.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

 

Betreffend: Recht auf freien Zugang zur Natur!

 

Österreich ist voll wunderschöner Naturgebiete. Grüne Wälder, malerische Seen, wilde Flüsse und hohe Alm- und Berglandschaften laden zum Spazieren, Wandern, Schifahren und Baden ein. Doch nicht immer stehen diese Naturwunder den Menschen offen. Viele Flächen befinden sich in privater Hand und werden manchmal ohne nachvollziehbaren Grund für die Öffentlichkeit gesperrt. Bei Seen führten die Privatisierung und Verbauung der Ufer dazu, dass die Möglichkeit zum Baden mancherorts unmöglich oder sehr teuer wurde. Dabei ist Natur viel mehr als nur der Privatbesitz einiger weniger. Sie ist Erholungsraum für uns alle! Der Zugang zur Natur ist daher für alle Menschen wichtig und darf nicht davon abhängen, ob man sich überteuerte Eintrittsgebühren oder gar Grundbesitz leisten kann. Was es braucht, sind klare Gesetze, die den Zugang zur Natur garantieren! Wie eine Studie[1] der Arbeiterkammer Wien, des Alpenverein Österreich und der Naturfreunde Österreich zeigt, gibt es dabei noch erheblichen Nachholbedarf. Alle drei Organisationen fordern daher aus gutem Grund das Recht auf freien Zugang zur Natur in der Verfassung zu verankern!

 

„Der Österreichische Alpenverein vermerkt einen zunehmenden Druck auf die freie Betretbarkeit der Natur. Um die Wegefreiheit zu garantieren, soll diese durch eine Verfassungsbestimmung abgesichert werden“ – mit diesen Worten fasst Wolfgang Schnabl, Vizepräsident des Österreichischen Alpenverein, Problem und Anliegen zusammen. Länder wie Finnland und Schweden zeigen vor, wie es anders geht: Hier gilt das „Jedermannsrecht“! Erholungssuchende dürfen unter anderem wandern, reiten, Schi-fahren und baden. Das Pflücken von Pilzen und Beeren ist erlaubt. Auch in Bayern ist das Grundrecht auf Naturgenuss bereits in der Verfassung verankert. Von Wandern über Joggen bis hin zum Langlaufen und Klettern ist hier alles in der freien Natur erlaubt. Dazu zählt nicht nur der Wald, sondern auch Bergwiesen, Felsen und Ödland. Neben dem Naturgenussrecht gilt hier aber auch der respektvolle Umgang mit Natur und Umwelt.

 

 

Schonung von Natur und Umwelt

 

Klar ist: Ein freier Zugang zur Natur ist kein Freibrief diese rücksichtslos zu behandeln, sondern vielmehr ein Auftrag Natur und Umwelt respektvoll zu begegnen. Denn die Natur ist nicht nur Erholungsraum für uns Menschen, sie ist vor allem auch Lebensraum für viele Wildtiere. Diese dürfen nicht unnötig gestört werden. Der Respekt gegenüber anderen Erholungssuchenden sowie der lokalen Bevölkerung gehört selbstverständlich auch dazu. Ein entsprechender Vorrang von Fußgeher:innen gegenüber anderen Sportler:innen ist daher wesentlich. Dann kann auch sichergestellt werden, dass der gemeinsame Aufenthalt zum Wohle aller gelingt!

 

 

Betreten verboten!

 

Der Status quo sieht leider anders aus. 82 Prozent der heimischen Waldfläche sind in privater Hand. Seit 1975 ist es zwar gesetzlich erlaubt, den Wald unentgeltlich zu betreten, doch zuletzt wurde eine zunehmende Beschränkung dieses Zugangs festgestellt. Immer wieder sind Wanderer mit „Betreten verboten“-Schildern konfrontiert. Wo kürzlich noch ein Wanderweg war, gibt es nun einen Zaun. Der Zugang zu den heimischen Wäldern gerät so immer weiter unter Druck.

 

Bei Seen wiederum ist die Beschränkung nicht auf die Willkür privater Eigentümer:innen, sondern auf die Privatisierung an sich zurückzuführen. Österreich hat zwar 25.000 Seen, von diesen sind jedoch viele für die Allgemeinheit unzugänglich. Manche Seen befinden sich komplett in privater Hand, bei anderen Seen, wie dem Wörthersee, dem Attersee oder dem Ossiacher See sind rund 80 Prozent der Ufer privat. Diese wurden in den letzten Jahrzehnten mit Villen, Hotels und Zweitwohnsitzen zugebaut und somit für die Bevölkerung in umliegenden Gemeinden sowie Besucher:innen gesperrt. Die wenigen verbliebenen Zugänge kassieren oft horrende Eintrittspreise oder überteuerte Parkgebühren. All das macht es für viele Menschen unmöglich, das heiße Wochenende im kühlen Nass zu verbringen.

 

Selbst Orte, wo der Zugang zur Natur möglich ist, sind für viele Menschen unerreichbar. Denn um die Natur zu genießen, muss man erst mal hinkommen. Vielerorts ist der öffentliche Verkehr an die Anforderungen der Arbeits- und Schultage ausgelegt: Bus und Bahn verbinden Wohnorte mit Arbeitsplätzen, erschließen Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Ausgangspunkte für Wanderungen oder Schitouren, Badeplätze an Seen und viele andere Ausflugsziele bleiben oft außen vor. Das Resultat ist mehr Auto-Verkehr, ein enormer Parkplatzdruck in beliebten Ausflugszielen, überfüllte Strände an den wenigen freizugänglichen Metern See-Ufer sowie viel Stress für Wildtiere durch große Menschenmengen. Das muss nicht so sein!

 

 

Die Natur gehört uns allen!

 

Wer die größtmögliche Schonung von Natur und Umwelt an den Tag legt, dem soll die Natur auch offenstehen! Ohne Wenn und Aber! Willkürliche Absperrungen und horrende Gebühren müssen endlich der Vergangenheit angehören! Am Recht auf freien Zugang zur Natur im Verfassungsrang führt deshalb kein Weg vorbei!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, allen voran der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft und die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der folgende Punkte umfasst:

 

1)    Jede Person hat das Recht, die Naturräume und Landschaften zu Erholungszwecken oder aus Gründen der Wissenschaft oder der Bildung unentgeltlich zu betreten oder sich dort aufzuhalten. Die Aneignung wildwachsender Pilze, Pflanzen, Beeren und Kräuter ist allen im Rahmen der Gesetze für den Eigenbedarf im ortüblichen Umfang gestattet.

2)    Zur freien Natur gehören insbesondere das alpine Ödland, die Almregionen, Wälder, Steppenlandschaften, stehende und fließende Gewässer inklusive Uferflächen sowie Kulturflächen außerhalb der Vegetationsperiode, soweit dies die landwirtschaftliche Nutzung nicht beeinträchtigt. Dazu gehören nicht Abstandsflächen zu Gebäuden zum Schutz der Wahrung der Privatheit und notwendiger wirtschaftlicher Interessen.

3)    Dieses Recht kann durch Gehen,     Laufen, Radfahren, Skifahren, Rodeln, Schwimmen sowie mit maschinell antriebsfreien Schwimmfahrzeugen und vergleichbaren umweltschonenden Aktivitäten ausgeübt werden.

4)    Die Inanspruchnahme dieses Rechts darf nur mit größtmöglicher Schonung von Natur und Umwelt wahrgenommen werden.

5)    Behördliche Beschränkungen dieses Rechts sind nur aufgrund eines Gesetzes möglich. Dabei ist auf die Schutzgüter Leben, Gesundheit, Eigentum, Sicherheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, der Land- und Forstwirtschaft und des Umweltschutzes Bedacht zu nehmen.

6)    Beschränkungen dieses Rechts durch Grundeigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte sind aus Gründen des Schutzes der Privatheit zur Abwehr von Schäden und Belästigungen zulässig. Über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen entscheidet auf Antrag die Behörde. Näheres wird durch das Gesetz geregelt.

7)    Den Betroffenen hat die Gesetzgebung effektiven Rechtsschutz einzuräumen.

8)    Bund, Länder und Gemeinden haben als Träger von Privatrechten die freie Zugänglichkeit zu Naturräumen und Landschaften insbesondere durch die Förderung der Anlegung und Betreuung von Wanderwegen, Lehrpfaden und Erholungsräumen sicherzustellen. Dabei ist auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung Bedacht zu nehmen.“

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.

 



[1] https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/umweltundverkehr/umwelt/klimawasserundluft/Freier_Zugang_zur_Natur.html