3619/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 20.09.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Martin Graf
und weiterer Abgeordneter
betreffend Aktionsplan für altösterreichische Minderheiten
Bereits im Zuge des Vertrages von Saint-Germain nach dem Ersten Weltkrieg und entgegen dem Selbstbestimmungsrecht der Völker kamen Millionen deutschsprachige Bürger der im ehemaligen Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder unter Fremdherrschaft. In der 2. Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung für Deutschösterreich am 5. März 1919 hielt Staatskanzler Dr. Karl Renner dementsprechend mit merkbarem Verdruss fest:
Vergleichen wir einmal und stellen wir es dem Auslande, den Völkern des Westens und den Vereinigten Staaten Nordamerikas vor: 4 Millionen Einwohner, unzweifelhaft deutsche Einwohner – denn wir haben uns in unserem Staatsgebiete auf die Gebiete beschränkt, die unzweifelhaft deutsch sind – werden ihrer unzweifelhaft geschichtlichen staatlichen Zugehörigkeit und ihrer freien Entschließung entrückt, werden nicht wie Schachfiguren mit freier Hand, sondern gewaltsam wie Opfertiere unter eine andere Staatlichkeit hinüberverschoben.[1]
Am Ende des Zweiten Weltkrieges folgte die menschenverachtende Vertreibung von Millionen seit Jahrhunderten autochthon lebender Altösterreicher aus ihren Siedlungsgebieten in Ost-, Mittel- und Südosteuropa. Dennoch leben auch heute noch altösterreichische Minderheiten in diesen angestammten Siedlungsgebieten. Sie sind nicht nur unsere Landsleute, sondern sie stellen auch eine unverzichtbare Brücke zu unseren Nachbarländern dar. Anzuführen sind:
· 310.000 in Italien (Südtirol)
· 300.000-350.000 in Polen (Schlesien)
· 40.000 in Rumänien (Siebenbürgen, Banat)
· 4.000 in Serbien (Wojwodina)
· 4.700 in der Slowakei (Pressburg, Ober- und Unterzips, Hauerland, Bodwatal)
· 40.000 in der Tschechischen Republik (Egerland, Hauerland, Prag)
· 186.000 in Ungarn (Westungarn, Region Budapest, Tolnau, Branau)
Eine aktivere Rolle Österreichs gegenüber den deutschsprachigen Altösterreichern entspringt nicht nur einer historischen Verantwortung, sondern bringt auch konkrete Vorteile bei der Pflege bilateraler Kontakte, bei Investitionen österreichischer Unternehmen in diesen Regionen und bei der Gewinnung und Ausbildung von Fachkräften dort und hier. Darüber hinaus sollte die Republik Österreich die altösterreichischen Minderheiten bei der Pflege ihrer angestammten Kultur und Sprache unterstützen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Aktionsplan für altösterreichische Minderheiten im Ausland zu initiieren. Als Bestandteile desselben sind folgende Maßnahmen durch die Bundesregierung zu ergreifen:
· Wahrnehmung einer aktiven Schutzfunktion für alle altösterreichischen Minderheiten in Europa
· Einsatz für die Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien
· Schaffung einer Stiftung zur Unterstützung der altösterreichischen Minderheiten in Europa
· Nominierung eines Regierungsbeauftragten für Auslands- und Altösterreicher
· Forcierung einer aktiven Besuchspolitik österreichischer Repräsentanten (Botschafter, Minister, Beamte) bei altösterreichischen Ortsgruppen bzw. im Rahmen von Staatsbesuchen
· Errichtung neuer Standorte von österreichischen Kindergärten und Schulen in Gebieten mit altösterreichischer Bevölkerung
· Ausweitung des Entsendungsprogramms des Auslandsschulwesens in Gebiete mit altösterreichischer Bevölkerung
· Ausbau von Schulpartnerschaften zwischen österreichischen Schulen und Schulen in Gebieten altösterreichischer Bevölkerung
· Unterstützung zweisprachiger Bildungsprogramme
· Schaffung eines wissenschaftlichen, von der Republik getragenen Gedenkinstituts, welches den historischen Opfern der Vertreibung ein Gesicht gibt, ihre Kulturgeschichte und ihre Leistungen dokumentiert und die Verbindung zu den Heimatverbliebenen pflegt
· Förderung der deutschen Sprache in Europa, insbesondere in den Gebieten der altösterreichischen Minderheiten.“
In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Entschließungsantrag dem Außenpolitischen Ausschuss zuzuweisen.
[1] Stenographische Protokolle der Konstituierenden Nationalversammlung für Deutschösterreich, 2. Sitzung, 5. März 1919, S. 26