3630/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 20.09.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Christoph Matznetter, Andreas Minnich, David Stögmüller, Dr. Helmut Brandstätter,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Bekämpfung der Aktivitäten der Wagner-Gruppe
Kriege und Gewaltkonflikte beschränken sich seit langem nicht mehr auf Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Armeen. Häufig spielen paramilitärische Verbände privater Firmen oder bezahlte Söldner-Gruppen eine wesentliche Rolle. Eine dieser Söldner-Gruppen ist die russische Wagner-Gruppe, welche sich selbst als privater Akteur bezeichnet, und deren Verbindungen zur russischen Regierung spätestens seit der Beteiligung der Gruppe an der illegalen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 offensichtlich wurden.
Auch wenn der frühere Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin und weitere
Führungskräfte der Wagner-Gruppe Ende August 2023 bei einem
Flugzeugabsturz/-abschuss in der russischen Region Twer verstorben sein
dürften, ist aktuell nicht damit zu rechnen, dass die Einsätze von
Wagner – insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent in Ländern wie
Mali, Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen – ein Ende haben.
Die Wagner-Gruppe sichert als Arm des russischen Kremls Einfluss in Regionen,
Zugang zu Rohstoffen und Allianzen, weshalb Wagner in den Einsatzgebieten
voraussichtlich noch stärker in den Kontrollbereich des russischen Kremls
und des russischen Generalstabs geraten dürfte.
Obwohl private Militärunternehmen nach russischem Recht verboten sind, wird die Wagner-Gruppe mit Sitz in St. Petersburg als militärisches Instrument Russlands im Ausland wie beispielsweise in Syrien, Libyen, Mali, Sudan, der Zentralafrikanischen Republik oder Venezuela eingesetzt, zum Teil auch mit der Absicht, eine Involvierung und Verantwortung der Russischen Föderation zu verschleiern. Mittels Nutzung militärischer Infrastruktur Russlands unterstützen sie örtliche Verbündete Russlands und treiben somit durch die Präsenz vor Ort außenpolitische Ziele der russischen Regierung voran. Die Wagner-Gruppe nimmt seit dem 24. Februar 2022 aktiv an den Kämpfen in der Ukraine teil und hat dort grobe Menschenrechtsverletzungen und grausame Übergriffe gegen Zivilisten und zivile Einrichtungen verübt, die als Kriegsverbrechen einzustufen sind. Im Zuge diverser Operationen in unterschiedlichen Staaten waren Angehörige der Wagner-Gruppe Berichten zufolge systematisch an Morden, Plünderungen, Entführungen und abscheulichen Folterungen vor allem auch gegen Zivilisten beteiligt, oder werden glaubhaft beschuldigt, solche Aktivitäten zu begehen. Ein Untersuchungsbericht des UN-Menschenrechtsbüros kam zum Schluss, dass es starke Anzeichen dafür gibt, dass Wagner-Soldaten gemeinsam mit malischen Streitkräften am Massaker von Moura in Mali beteiligt waren. Dabei sollen über 500 Personen, darunter Zivilistinnen und Zivilisten, getötet worden sein. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte verurteilte die "Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen und Folter in bewaffneten Konflikten, welche Kriegsverbrechen darstellen und je nach den Umständen auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit."[1][2]
Hinzu kommen Desinformationskampagnen der Wagner-Gruppe zur Manipulation der öffentlichen Meinung und politische Destabilisierung, vor allem im afrikanischen Sahel, was internationale Friedensmissionen unterminiert. Ihre Handlungen verbreiten Angst und Terror bei der Zivilbevölkerung und ihren Gegnern und gefährden den Frieden und die Sicherheit weltweit. Die Wagner-Gruppe agiert nicht in einem rechtlichen Rahmen, orientiert sich primär am wirtschaftlichen Profit und unterbindet jegliche Verantwortung und Rechenschaft für die begangenen Verbrechen.
Angesichts der internationalen Dimension und der Tragweite der Tätigkeiten der Wagner-Gruppe sowie ihrer destabilisierenden Wirkung auf Länder, in denen sie operativ ist, ist die Gruppe bzw. sind ihre führenden Mitglieder seit 2021 unter anderem in der Europäischen Union (EU) mit Sanktionen belegt. Im Februar 2023 beschloss die EU weitere Sanktionen gegen Personen und Organisationen, die mit der Wagner-Gruppe in Verbindung stehen und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind und/oder daran beteiligt waren. Im April 2023 verhängte die EU weitere umfangreichere Sanktionen gegen die Wagner-Gruppe und ihre internationale Organisationsstruktur. Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 23. November 2023 den Europäischen Rat aufgefordert, die Wagner-Gruppe unter anderem in die EU-Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften (EU-Terroristenliste) aufzunehmen. Nationale Parlamente wie beispielsweise jene in Deutschland, Frankreich, Litauen, Estland, Belgien, der Ukraine, Kanada sowie den USA haben sich bereits mit den terroristischen Handlungen der Wagner-Gruppe auseinandergesetzt, die französische Nationalversammlung sowie das litauische Parlament Beschlüsse hinsichtlich des terroristischen Charakters der Wagner-Gruppe gefasst. Neben diesen EU-Mitgliedsstaaten plant auch die britische Regierung, die Wagner-Gruppe demnächst als Terrororganisation einstufen.
Zudem hat die Parlamentarische Versammlung der OSZE anlässlich ihrer Sitzung in Vancouver 2023 eine einstimmige Resolution zur Einstufung der Wagner-Gruppe als terroristische Organisation beschlossen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht,
- im Einklang mit europäischen Partnern sämtliche weiteren Maßnahmen und Initiativen zu unterstützen, die darauf abzielen, die Aktivitäten der Wagner-Gruppe sowie deren Anführer, Mitglieder und Unterstützer, deren Organisationen und Nachfolgeorganisationen zu ächten, deren politischen und finanziellen Handlungsspielraum zu begrenzen und deren Präsenz weltweit zu unterbinden, um Menschenrechtsverletzungen, Straflosigkeit und destabilisierende Wirkungen der Gruppe effektiv entgegenzuwirken;
- internationale Initiativen zu unterstützen, die auf eine Berücksichtigung des Dokuments von Montreux über einschlägige völkerrechtliche Verpflichtungen und bewährte Praktiken für Staaten im Zusammenhang mit Operationen von privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen während bewaffneter Konflikte hinwirken sowie
- Initiativen von inhaltlich zuständigen Gremien, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, sowie die Tätigkeit zuständiger Gerichte, vor allem des Internationalen Strafgerichtshofs, zu unterstützen, um schwere Verbrechen durch private Militär- und Sicherheitsfirmen weltweit strafrechtlich zu verfolgen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.
[1] UN News, Moura: Over 500 killed by Malian troops, foreign military personnel in 2022 operation, https://news.un.org/en/story/2023/05/1136607.
[2] "Au regard des informations collectées, vérifiées et corroborées par la mission d’établissement des faits, le Haut Commissariat des Nations Unies aux droits de l’Homme a des motifs raisonnables de croire qu’au moins 500 personnes auraient été tués en violation des normes, standards, règles et/ou
principes du droit international des droits de l’homme et du droit international humanitaire
entre le 27 et le 31 mars au cours de l’opération militaire à Moura. Il s’agit d’une vingtaine de civils tués le 27 mars par des tirs aériens effectués par les Forces Armées Maliennes et les personnels militaires étrangers pour empêcher la population de s’enfuir et de quitter Moura et d’au moins 500 individus, y compris une vingtaine de femmes et sept enfants, exécutés par les Forces Armées Maliennes et les personnels militaires étrangers entre le 27 et le 31 mars après que la zone a été totalement «maitrisée»."
[Hinsichtlich der Informationen, die von der Untersuchungsmission gesammelt, verifiziert und bestätigt wurden, hat das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen hinreichende Gründe zur Annahme, dass mindestens 500 Menschen unter Verletzung von Normen, Standards, Regeln und/oder Grundsätzen der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zwischen dem 27. und 31. März während der Militäroperation in Moura getötet wurden. Es handelt sich dabei um etwa zwanzig Zivilistinnen und Zivilisten, die am 27. März durch Luftangriffe der malischen Streitkräfte und ausländisches Militärpersonal getötet wurden, um die Bevölkerung an der Flucht und Ausreise aus Moura zu hindern und mindestens 500 Individuen, darunter etwa zwanzig Frauen und sieben Kinder, die von den malischen Streitkräften und ausländischen Militärangehörigen zwischen 27. und 31. März hingerichtet wurden, nachdem das Gebiet vollständig "unter Kontrolle“ gebracht wurde.
Siehe https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/countries/mali/20230512-Moura-Report.pdf, S. 3.