3634/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 18.10.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Niedrigere Beiträge: Entlastung durch Arbeitsmarktreformen
Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind in Österreich mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Gleichzeitig ist die Mitarbeiterzahl des Arbeitsmarktservices (AMS) trotz Digitalisierung im Vergleich zum Jahr 2012 um ein Drittel gestiegen, obwohl die Arbeitslosigkeit damals zirka gleich hoch war wie jetzt. Im Wege einer Reform des AMS soll Bundesminister Kocher Schritte setzen, damit mittelfristig eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf deutschem Niveau möglich wird.
Teure Arbeitslosenversicherung in Österreich ist mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland
Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung liegen in Österreich bei 6%, in Deutschland bei 2,6% vom Brutto, jeweils aufgeteilt auf Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Die Gründe dafür, dass die Arbeitslosenversicherung in Österreich dermaßen teuer ist, sind vielfältig.
Fehlende zeitliche Grenze für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung
Dazu zählt sicher der Umstand, dass Österreich das einzige Land in der EU ist, das Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ohne zeitliche Begrenzung gewährt. Der Rechnungshof fordert seit langer Zeit, die beiden Systeme Notstandshilfe und Sozialhilfe/Mindestsicherung bei längerer Bezugsdauer zu einem gemeinsamen System der sozialen Absicherung zusammenzuführen. (1) Es ist nämlich bürokratisch nicht sinnvoll, die Notstandshilfebezieher:innen nach ihrem Kontakt mit dem AMS über Jahre hinweg zur Bezirksverwaltungsbehörde zu schicken, um dann auf Mindestsicherung aufzustocken. Das bedeutet letztlich, dass zwei Behörden sich um die soziale Absicherung einer Person kümmern müssen. Das ist offensichtlich kein effizienter Einsatz von Steuermitteln. Die Arbeitslosenversicherung ist eine Versicherung und keine Sozialhilfe, weshalb die Betreuung und die damit verbundenen Kosten ab einem gewissen Zeitpunkt in die Sozialhilfe übergehen sollten. Dort gibt es dann nach drei Jahren einen Regress und das Einkommen des Partners/der Partnerin wird ebenfalls angerechnet.
Auf eine parlamentarische Anfrage von NEOS (2) über die Kosteneinsparungen für die Arbeitslosenversicherung rechnete Bundesminister Kocher vor, dass 793 Millionen Euro pro Jahr in der Arbeitslosenversicherung eingespart werden können, wenn Personen in die Mindestsicherung überführt würden. Laut AMS Geschäftsbericht 2022 waren die Einnahmen aus Arbeitslosenversicherung-Beiträgen 7,9 Milliarden Euro (3). Somit könnten die Beiträge allein damit um rund 1/10 gesenkt werden (auf 5,4% statt 6%). Diese Summe würde jedenfalls nur teilweise auf die Sozialhilfe verschoben, weil dort ja eine Anrechnung von Partnereinkommen und nach drei Jahren ein Zugriff auf Vermögen erfolgen kann.
Steigende Mitarbeiterzahl: Keine Effizienzgewinne durch Digitalisierung?
Zu den unnötigen Mehrkosten durch überschneidende Aufgabenbereiche unterschiedlicher Stellen kommt hinzu, dass das AMS unabhängig der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Österreich immer weiter gewachsen ist. Im Vergleich zum Jahr 2012 verfügt das AMS über 22% mehr Mitarbeiter (4), obwohl die Arbeitslosigkeit damals gleich hoch war wie jetzt. Gerade angesichts der technologischen Entwicklungen seither, stellt sich die Frage, wieso im AMS keine Effizienzgewinne durch die Digitalisierung möglich waren.
Bildungskarenz für Akademiker und Junge
Teuer ist auch die Bildungskarenz, die überwiegend von besser ausgebildeten Versicherten genützt wird, die auf dem Arbeitsmarkt gar nicht zu den Risikogruppen zählen. (5) Versichertenbeiträge fließen also an eine Gruppe, die diese Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt gar nicht braucht. Nur 14,7% der Personen in Bildungskarenz verfügen nur über einen Pflichtschulabschluss. Eine Einschränkung des Programms auf die Risikogruppen auf dem Arbeitsmarkt würde ebenfalls massives Einsparungspotenzial bieten.
Es sind außerdem besonders junge Menschen, die in Bildungskarenz gehen. Mehr als die Hälfte sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. (6) Auch sie zählen auf dem Arbeitsmarkt zu den gesuchten Kräften, nicht zu den Risikogruppen. Mit Slogans wie "Nimm Dir eine bezahlte Auszeit" werden sie beispielsweise von Sprachreiseanbietern in die vom AMS aus Versichertengeld finanzierte Bildungskarenz gelockt. (6) Andere Anbieter werben mit "Babypause verlängern" um Mütter, die an die zweijährige Elternkarenz unmittelbar eine Bildungskarenz anschließen und von zuhause irgendwelche Onlinekurse ohne Prüfungen absolvieren. (7) Für all das war die Bildungskarenz bei ihrer Einführung nicht gedacht.
Geblockte Altersteilzeit bis 2029
Die geblockte Altersteilzeit, mit der Betriebe sich ihre Frühpensionierungsprogramme vom AMS sponsern lassen, wird bis 2029 weiter aus AMS-Geldern gesponsert. In Zeiten des Arbeitskräftemangels kauft das AMS damit Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt vorzeitig heraus. (8)
Entlastung für Erwerbstätige und Betriebe
Diese und viele andere Programme des AMS führen dazu, dass Österreich eine besonders teure Arbeitslosenversicherung hat (6,0% Beitrag), doppelt so teuer wie in Deutschland (2,6%) und fast dreimal so teuer wie in der Schweiz (2,2%). Vernünftige Reformen können hier massive Einsparungen bringen, den Schutz für Arbeitsuchende voll aufrecht erhalten und gleichzeitig die Erwerbstätigen und die Betriebe durch Beitragssenkungen entlasten.
Bundesminister Kocher wird daher aufgefordert, Aufgabenbereich und Arbeitsweise des AMS so effizient zu gestalten, dass die eingesparten Mittel dazu verwendet werden können, eine Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge sicherzustellen. Mittelfristig sollte eine Beitragssenkung auf das aktuelle deutsche Niveau erreicht werden.
Quellen:
(1) https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Mindestsicherung_Tirol_Vorarlberg.pdf
(2) https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/14789/imfname_1578942.pdf
(3) https://www.ams.at/organisation/geschaeftsberichte/geschaeftsberichte-oesterreich
(4) https://www.ams.at/organisation/geschaeftsberichte/geschaeftsberichte-oesterreich-archiv
(5) https://www.agenda-austria.at/grafiken/vor-allem-bessergebildete-gehen-in-bildungskarenz/#:~:text=Eine%20aktuelle%20Auswertung%20des%20AMS,eine%20höhere%20oder%20akademische%20Ausbildung.
(6) https://www.derstandard.at/story/3000000180053/bildungskarenz-nur-eine-auszeit-vom-job
(7) z.B.: https://www.babypause-verlaengern.at
(8) https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk0914
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird
aufgefordert, Reformschritte in der Arbeitslosenversicherung zu setzen, damit
mittelfristig eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf
deutsches Niveau möglich wird."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.