3637/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 18.10.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten MMag. Katharina Werner Bakk., Kolleginnen und Kollegen
betreffend Paket "sichere Hundehaltung in Österreich"
Die aktuellen Ereignisse rund um den Tod einer Joggerin in Oberösterreich und die Attacke auf einen Radfahrer in Seekirchen (SBG) zeigen die Defizite der österreichischen Regelungen zur Hundehaltung klar auf. Es braucht dingend ein Paket zur sicheren Hundehaltung in Österreich, welches die Rahmenbedingungen für einen österreichweiten, rassenunabhängigen Hundeführerschein, ein bundesweites Verbot der Schutzhundeausbildung für private Halter:innen und eine bundesweite Datenbank für Tierhalteverbote umfasst.
Der Hundeführerschein soll eine Weiterentwicklung der bereits verfügbaren Sachkundenachweise zur Hundehaltung darstellen. Er ist ein Befähigungsnachweis für Hundehalter:innen und soll den Absolvent:innen attestieren, dass sie Ihre Hunde so unter Kontrolle haben, dass sie weder für Menschen noch für andere Tiere eine Gefährdung darstellen. In Wien gibt es bereits einen Hundeführerschein, der zum Führen von sog. "Listenhunden" abgelegt werden muss. Das Wiener Modell für Listenhunde besteht beispielsweise aus einer Prüfung zu der ein theoretischer Teil und drei Praxismodule gehören. Geprüft werden also Sachkunde sowie Grundgehorsam und die Sozialverträglichkeit der Hunde. Da das Haltungsgesetz Ländersache ist, gibt es keine bundeseinheitliche Regelung. Jedes Bundesland hat derzeit eigene Regelungen. Teils gibt es keine besonderen Regelungen und die Hundehaltung ist generell und rasseunbhängig erlaubt, teils braucht es einen Sachkundenachweise, teils für alle, teils nur für Listenhunde, teils entscheiden die Gemeinden über die Haltung. Es ist zusammengefasst ein kaum mehr zu durchschauender Fleckerlteppich von unterschiedlichsten Regelungen. (1)Dieser Umstand und die unscharfe Abgrenzung zum Sachkundenachweis einiger Bundesländer sorgen einerseits für Verwirrung und führen andererseits zu uneinheitlichen Rahmenbedingungen unter denen Hunde in Österreich gehalten werden dürfen. In einigen Bundesländern wird zwischen Hunden im allgemeinen und Listenhunden unterschieden. Studien belegen im Widerspruch zur öffentlichen Wahrnehmung jedoch, dass Listenhunde nicht aggressiver reagieren als andere Hunde. Das Ergebnis einer Dissertation der Freien Universität Berlin zeigt darüber hinaus: Es gibt keine Hunderasse, die statistisch mehr beißt im Vergleich zu anderen Hunderassen. Zu Verletzungen durch Hunde kann es also durch alle Rassen gleichermaßen kommen. Die Haltung, nicht die Rasse ist daher wissenschaftlich gesehen ausschlaggebend für das Gefährdungspotenzial. (2)
Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 9 Prozent des Verhaltens eines Hundes durch die Rasse bestimmt werden. (3) Die Verantwortung der Halter:innen und der richtige Umgang mit dem Hund, ungeachtet der Rasse sind daher elementar für die Sicherheit anderer Menschen und Tiere. In Deutschland reagieren bereits erste Regierungen, so wurden in Niedersachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein die Rasselisten wieder gestrichen und Mecklenburg-Vorpommern gab Ende Juni bekannt, ebenfalls eine überarbeitete Hundehalter-Verordnung ohne Rasseliste umsetzen zu wollen. Während Teile Deutschlands also bereits als gutes Beispiel vorangehen, um Mensch und Tier besser zu schützen, herrscht in Österreich ein Regelwirrwarr. Einheitliche Rahmenbedingungen würden Klarheit und Schutz schaffen. Ein verpflichtender Hundeführerschein würde den Menschen Sicherheit geben. Dieser Hundeführerschein sollte einen Theorieteil beinhalten, wie er bereits jetzt bei vielen Sachkundenachweisen verlangt wird, jedoch idealerweise über E-Learning und mehrsprachig (in Ö anerkannte Minderheitssprachen, sowie Türkisch, BKS, Englisch) vor der Anschaffung eines Hundes zu absolvieren sein, da dies auch der richtige Weg wäre um zukünftige Hundehalter:innen über die Herausforderungen der Haltung von Hunden (inkl. der finanziellen) sowie über Qualzuchtmerkmale aufzuklären. Der theoretische Teil sollte pro Halter nur einmalig zu absolvieren sein und sollte entfallen, wenn ein Hundehalter bereits über mehrjährige (mind. 3 Jahre) Praxiserfahrung im Umgang mit Hunden verfügt. Weiters sollte mit jedem Hund individuell ein praktischer Teil absolviert werden, in dem ersichtlich wird, dass das Anlegen eines Maulkorbs, die Leineführen und der Gehorsam in Alltagssituationen (z.B. Spaziergang, bei dem die Begegnung mit Kindern, Jogger:innen oder anderen Hunden) problemlos funktionieren und das Tier sozial verträglich ist. Eine solche praktische Prüfung, die innerhalb eines zu definierenden Zeitraums nach Anschaffung des Hundes absolviert werden sollte, könnte von staatlich zertifizierten Hundeschulen abgenommen werden und sollte über die Heimtierdatenbank hinterlegt werden. (4). So würde gewährleistet werden, dass alle Hundehalter:innen in Österreich mit ihren Hunden gut und artgerecht umgehen können und andere Menschen und Tiere nicht in Gefahr gebracht werden.
Neben der Vereinheitlichung der Hundehaltebedingungen wäre ein Verbot von Schutzhundeausbildungen für private Halter:innen nach Wiener Vorbild ein weiterer Schritt um sicherzustellen, dass Hunde im privaten Bereich nicht mehr zu Kampfhunden trainiert werden und andere Personen in einem höchst gefährlichen Ausmaß gefährden, verletzen oder wie der aktuelle Fall aus Oberösterreich (4)zeigt, sogar töten. Laut Expert:innen unterscheidet der Hund beispielsweise nicht unbedingt, dass eine bestimmte Bewegung eines Menschen im Training als Auslöser für sein aggressives verhalten gilt, dieselbe Bewegung eines Menschen im Alltag dieses verhalten aber keinesfalls auslösen darf und lernt seinen Stress durch Beißen abzubauen, was er im Alltag dann mitunter auch anwendet (6,7,8). Die Ausbildung zum Diensthund der Sicherheitsexekutive und des Bundesheeres ist wesentlich komplexer als die allgemeine Schutzhundeausbildung im privaten Bereich und unterliegt detaillierten rechtlichen Anforderungen, wird von speziell ausgebildeten Hundeführern der Polizei, der Zollwache und des Bundesheeres durchgeführt, die in der Regel ausschließlich mit dieser Aufgabe betraut sind und ist daher von der Schutzhundeausbildung im privaten Bereich abzugrenzen. Die Ausbildung von Hunden zu Schutzzwecken (Schutzhundeausbildung) im Privatbereich sowie sonstige vergleichbare Ausbildungen von Hunden, die ein gegen den Menschen gerichtetes Angriffsverhalten beinhalten, sollten bundesweit verboten werden.
Neben eines einheitlichen bundesweiten rassenunabhängigen Führerscheins und einem Verbot der Schutzhundeausbildung im privaten Bereich braucht es eine bundesweite Datenbank über Tierhalteverbote in die Bürgermeitster:innen, Amtstierärzt:innen, Tierschutzombudsleute und Polizei bei berechtigtem Interesse Einsicht nehmen können. Tierheimbetreiber:innen und Tierärzt:innen berichten immer wieder davon, dass Hunde an Halter:innen vermittelt werden, die zuvor eigentlich amtsbekannt waren, weil es schon zu Tierabnahmen gekommen war, sie aber davon nichts wussten. Bei berechtigtem Interesse sollten daher Bügermeister:innen, Amtstierärzt:innen, Polizei und Tierschutzombundsleute Zugriff auf eine derartige bundesweite Datenbank haben um die Vermittlung von Hunden an bereits amtsbekannte Halter:innen hinkünftig zu vermeiden, und neue lokale Verbote leichter aussprechen zu können sowie auch Tier-Abnahmen leichter durchführen zu können. Laut Medienberichten (9) ist ein derartiges Register bereits seit 2019 in Planung und sollte nun umgehend umgesetzt werden. Neben dieser bundesweiten Tierhalteverbot-Datenbank ist die Implementierung einer bundesweiten transparenten Bissstatistik ein Grundstein, die Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen messbar zu machen und gegebenenfalls evaluieren zu können. Eine Bissstatistik ist notwendig um statistisch auswertbare Aussagen treffen zu können, welche Hunderassen vermehrt an Beißvorfällen beteiligt sind und in welcher Situation ein Hund gebissen hat. Nur so können Maßnahmen gesetzt werden um Bissvorfälle zu reduzieren.(10) Abschließend ist, um transparente und einheitliche Voraussetzungen für eine sichere Hundehaltung implementieren zu können, die Schaffung österreichweiter Handhabungsleitlinien unter Mitwirkung des Tierschutzrates elementar.
(1)https://www.oesterreich.gv.at/themen/freizeit_und_strassenverkehr/haustiere/1/2.html
(2)https://refubium.fuberlin.de/bitstream/handle/fub188/7295/Roiner_online.pdf?sequence=1
(3)https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0639
(4)https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000209
(5)https://www.derstandard.at/story/3000000190260/joggerin-tot-gebissen-hundehalteverbot-252ber-paar-verh228ngt
(6)https://www.denktier.at/verbot-der-schutzhundeausbildung
(7)https://www.krone.at/302358
(8)https://docplayer.org/22948493-Die-schutzhundeausbildung.html
(9)https://noe.orf.at/v2/news/stories/2970341/
(10)https://institut-forschung-listenhunde.de/Forschung/Forschungsziele-Umsetzung-52317.html
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, einen runden Tisch mit den zuständigen Landesrät:innen der Bundesländer sowie mit dem Innenminister und den Tierombudspersonen einzuberufen, um ein Paket für die sichere Hundehaltung in Österreich zu schnüren und umgehend umzusetzen, welches einen österreichweiten, rassenunabhängigen Hundeführerschein, ein bundesweites Verbot der Schutzhundeausbildung für private Halter:innen und eine bundesweite Datenbank für Tierhalteverbote umfasst. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird zudem aufgefordert, eine österreichweite transparente Bissstatistik zu implementieren und gemeinsam mit dem Tierschutzrat österreichweite Handhabungsleitlinien für die Hundehaltung im öffentlichen Raum zu erarbeiten“.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.