3644/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 18.10.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Dr. Dagmar Belakowitsch, Rosa Ecker, MBA
und weiterer Abgeordneter
betreffend Strafbarkeit der Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormunde bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen
Die Genitalverstümmelung von Mädchen nimmt durch die Zuwanderung nach Europa, insbesondere in die EU, massiv zu. Grund dafür ist ein Gesellschafts- und Kulturverständnis, das die Selbstbestimmtheit von Mädchen und jungen Frauen offen ablehnt und auf Grund religiöser und kultureller Traditionen und Ideologien die Genitalverstümmelung an ihnen vollzieht.
Die Praxis ist weltweit in den meisten Staaten – unter anderem in allen Staaten der Europäischen Union – strafbar. Dennoch sind in vielen dieser Staaten Mädchen in Folge verstärkter Zuwanderung zunehmend bedroht. Terre des Femmes ging im Juli 2017 von mehr als 13.000 Mädchen in Deutschland aus, das sind 4000 mehr als ein Jahr zuvor, denen eine Genitalverstümmelung droht.[1] In Österreich sind schätzungsweise bis zu 8000 Frauen betroffen, und europaweit gibt es etwa eine halbe Million Opfer; die meisten davon in Frankreich.[2]
Das Rote Kreuz schreibt im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“ in seiner Presseaussendung am 25.11.2022 folgendes:[3]
Eine Million Frauen in Europa, 200 Millionen weltweit, sind genital verstümmelt. Jährlich kommen 3 Millionen Mädchen dazu, die mit Messern, Glasscherben oder Rasierklingen einer Genitalbeschneidung ausgesetzt werden. Auch in Österreich ist weibliche Genitalverstümmelung – kurz: FGM/C für Female Genital Mutilation/Cutting – ein Thema: Laut Schätzungen leben rund 6.000 bis 8.000 betroffene Mädchen und Frauen im Land.
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) schätzt, dass in Österreich 12–18 % der Mädchen (735 - 1083 Mädchen im Alter von 0 bis 18 Jahren), die aus Ländern stammen, in denen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) praktiziert wird, von FGM bedroht sind. Die Gesamtpopulation liegt bei 5910 Mädchen im Alter von 0–18 Jahren (Zahlen von 2019). Von diesen 5910 minderjährigen Migrantinnen gehören 38 % (2243 Mädchen) der zweiten Generation an.
In Österreich stammen die meisten der durch die grausame Genitalverstümmelung bedrohten Mädchen aus Ägypten und Somalia. Nicht ganz so große Gruppen stammen aus Äthiopien, Guinea, dem Irak, Nigeria und auch aus dem Sudan.[4]
Alle Versuche, dieses grausame Ritual der Verstümmelung von Mädchen mit Aufklärung der Eltern einzudämmen, sind bisher nicht von Erfolg gekrönt. Zumindest ist nicht der erhoffte Erfolg eingetreten, die Anzahl der Verstümmelungen zu senken.
Es bedarf daher einer Erweiterung des § 85 StGB, der ausschließlich Strafen für die Person vorsieht, die die Handlung des Beschneidens vornimmt. Nicht davon betroffen sind die Eltern, Erziehungsberechtigten oder Verwandten, denen Mädchen zur Obhut übergeben wurden, die aus religiösen oder kulturellen Gründen, diesen grausamen menschenverachtenden Eingriff ohne die Möglichkeit des Opfers, sich dagegen wehren zu können, durchführen lassen.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages arbeitetet in seiner Veröffentlichung vom 20. April 2018 „Strafbarkeit der Beschneidung von Mädchen, insbesondere in Fällen mit Auslandsbezug“ diese Problematik auf und schreibt auf der Seite 8 folgendes:[5]
Eine Minderjährige kann selbst nicht in eine Verstümmelung ihrer Genitalien einwilligen, denn bei ihr ist in der Regel davon auszugehen, dass die Einwilligung Willensmängeln unterliegt, weil sie zu diesem Eingriff genötigt wurde oder noch nicht über die für eine Einwilligung notwendige Einsichtsfähigkeit/Reife verfügt. In diesen Fällen steht dann die Frage im Raum, ob die Eltern für ihre Tochter einwilligen können. Grundsätzlich unterliegt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der alleinigen Disposition des Rechtsgutsinhabers, hier der Minderjährigen. Die Eltern können daher nur dann in die Beschneidung ihrer Tochter einwilligen, wenn die Maßnahme vom elterlichen Sorgerecht umfasst ist.30 Auch wenn die Eltern in der Genitalverstümmelung eine Maßnahme zum vermeintlichen Wohle des Kindes sehen, kann dies nicht die schwerwiegenden Nachteile eines solches Eingriffsüberwiegen. Die Einwilligung in eine Genitalverstümmelung stellt deshalb in der Regel eine Gefährdung des körperlichen Wohls des Kindes dar.
Essenziell an dieser Feststellung ist, dass „die Einwilligung Willensmängeln unterliegt, weil sie zu diesem Eingriff genötigt wurde“, was den Schluss nicht nur zulässt, sondern sogar verlangt, dass diese Personen, die ein Mädchen dazu nötigen, derselben Strafandrohung zu unterliegen haben wie die Täter. Eltern und Erziehungsberechtigte und Verwandte, die in Europa ihre Kinder so entstellen lassen, ihnen lebenslanges Leid zufügen und/oder sie dadurch als Menschen zweiter Klasse kennzeichnen, sind auch nicht durch einen Wertekatalog oder Gespräche davon zu überzeugen, solch grausame Handlungen an ihren Schutzbefohlenen nicht durchführen zu lassen.
In Kombination mit einer starken medialen Begleitung, siehe Frankreich, kann es zu Rückgängen kommen, wie es im Heft 11, Seite 28, „Beiträge zum Europa- und Völkerrecht“ (Das heimliche Ritual – Weiblicher Genitalverstümmelung in Europa) dargelegt wurde:[6]
Hingegen kommt es in Frankreich, wo Strafverfahren im Zusammenhang mit FGM/C auf die Vorschriften zur Körperverletzung gestützt werden, seit 1975 regelmäßig zu Verurteilungen. Allein über 35 Verfahren behandelten die Vornahme des Eingriffs an Minderjährigen. Die Fälle werden in der Regel von einer extensiven Berichterstattung in den Medien begleitet und auf diese Weise einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Einschlägige Untersuchungen in einigen französischen Krankenhäusern an weiblichen Babys mit afrikanischem Migrationshintergrund konnten einen Rückgang der Praktik zwischen 1985 und 1992 um 21 % verzeichnen.
Auch hier muss, so wie in Frankreich, angesetzt werden.[7] Die Gerichte in Frankreich verurteilen Eltern, die ihre Mädchen beschneiden lassen.[8] Bei den Untersuchungen, die den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gleich zu setzen ist, werden die Ärzte verpflichtet, Anzeige zu erstatten, wenn sie eine Genitalverstümmelung bei Mädchen erkennen. Auch in der Schweiz werden nicht nur die Personen, die die Beschneidung vornehmen, bestraft, sondern auch die Eltern oder Verwandten, die die Mädchen verstümmeln lassen oder die Verstümmelung zulassen.[9]
Besonderes widerlich ist die Veranlassung eines solchen Kindesmissbrauchs, wenn dieser bewusst mit der Absicht, einer Strafe zu entgehen, im Ausland vorgenommen wird.
Diese Art von Verstümmelung ist einer der schlimmsten des Kindesmissbrauchs.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der folgende Punkte zum Inhalt hat:
· Erweiterung der Strafbarkeit bei der Veranlassung und Zulassung von weiblicher Genitalverstümmelung
· Ein erhöhtes Strafmaß, wenn die Genitalverstümmelung im Ausland veranlasst wurde
· Anzeigepflicht der Ärzte, wenn eine Genitalverstümmelung bei minderjährigen Mädchen festgestellt wurde“
In formeller Hinsicht wird ersucht, den Antrag dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.
[1] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/genitalverstuemmelung-ueber-13-000-maedchen-bedroht-15111443.html
[2] https://www.diepresse.com/5383426/weibliche-genitalverstuemmelung-laengst-in-oesterreich-praesent
[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221125_OTS0020/rotes-kreuz-mehr-als-6000-frauen-in-oesterreich-von-weiblicher-genitalverstuemmelung-betroffen
[4] https://eige.europa.eu/publications-resources/publications/estimation-girls-risk-female-genital-mutilation-european-union-denmark-spain-luxembourg-and-austria
[5] https://www.bundestag.de/resource/blob/557600/f56055a9a0d7a4dc25096a798d8c8569/wd-7-075-18-pdf-data.pdf
[6] https://opendata.uni-halle.de/bitstream/1981185920/70952/1/iwr_77_251.pdf
[7] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/haftstrafen-fuer-eltern-in-frankreich-wegen-beschneidung-der-toechter-a-836561.html
[8]https://www.antidiskriminierungsforum.eu/fileadmin/Antidiskriminierungsforum/Weibliche_Genitalverstuemmelung_Schmidtke_Kimmich.pdf
[9] https://www.maedchenbeschneidung.ch/#c219