Eingebracht am 21.11.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Fiona
Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Umsetzung
der UN-BRK-Handlungsempfehlungen im Arbeits- und Sozialbereich
Österreich hat die
UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2008 ratifiziert und sich - unter
Erfüllungsvorbehalt - zu deren Umsetzung verpflichtet (1). Am 22. und 23.
August 2023 fand eine Staatenprüfung Österreichs vor den Vereinten
Nationen in Genf statt, bei der deutlich wurde, wie sehr Österreich bei
der Umsetzung der UN-BRK in Verzug ist. Im Anschluss an die zwei Ausschusstage
wurden Abschlussbemerkungen der UN veröffentlicht, in dem sowohl die
positiven wie auch die negativen Aspekte beleuchtet werden. Der
Abschlussbericht zeigt, dass Probleme die positiven Aspekte bei weitem
überwiegen. Österreich wird stark für die mangelnde Umsetzung
der UN-BRK kritisiert, der UN-Ausschuss zeigt sich über verschiedenste
Umstände "ernsthaft besorgt" und listet unter anderem folgende
Empfehlungen auf (2):
- Der Ausschuss verweist
auf seine Empfehlungen entsprechend den Ziffern 9 und 11 seiner
Abschließenden Bemerkungen von 2013 (CRPD/C/AUT/CO/1), die
österreichischen Gesetze auf der Bundes- wie auf der Länderebene
zügig zu novellieren, um das Bundesrecht und das Recht der
Länder substanziell miteinander in Einklang zu bringen und mit dem
menschenrechtlichen Modell von Behinderung konform zu machen.
- Der Ausschuss empfiehlt
Österreich, innerstaatliche Gesetze zu erlassen, die die gerichtliche
Einklagbarkeit aller im Übereinkommen garantierten individuellen
Rechte vorsehen, oder den Erfüllungsvorbehalt aufzuheben.
- Unter Hinweis auf seine
Allgemeine Bemerkung Nr. 7 (2018) und Ziffer 11 seiner
Abschließenden Bemerkungen von 2013 empfiehlt der Ausschuss dem
Vertragsstaat, auf der Bundes- wie auf der Länderebene Gesetze zur
Einführung strukturierter Verfahren zu erlassen, durch die
Organisationen von Menschen mit Behinderungen bei der Ausarbeitung und
Umsetzung von Gesetzen und Regelungen zur Umsetzung des
Übereinkommens und beim entsprechenden Monitoring eng konsultiert und
aktiv einbezogen werden.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz weiter zu
stärken, indem er die Verfügbarkeit von Rechtsbehelfen auf
Unterlassungs- und Beseitigungsmaßnahmen in allen Bereichen
ausweitet, das Schlichtungsverfahren im Rahmen dieses Gesetzes de facto
vollständig zugänglich macht und die finanzielle
Unterstützung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen, die
in solchen Verfahren klageberechtigt sind, verbessert.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- die Verfügbarkeit
qualifizierter Dolmetschkräfte für Gebärdensprache in
Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in enger
Konsultation mit und unter aktiver Teilhabe von Organisationen von
Menschen mit Behinderungen die Bewertung und Entwicklung von Standards
für die barrierefreie Zugänglichkeit von Verwaltungs- und
Gerichtsgebäuden zu beschleunigen und sie zügig umzusetzen,
Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen in barrierefreien Formaten
bereitzustellen und Verwaltungsanhörungen und Gerichtsverhandlungen
online barrierefrei zugänglich zu machen;
- die Gesetze zu
novellieren, um den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen, die der
stellvertretenden Entscheidungsfindung unterliegen, von der
Klageberechtigung aufzuheben.
- Unter Hinweis auf die
Allgemeine Bemerkung Nr. 5 (2017) über selbstbestimmtes Leben und
Inklusion in der Gemeinschaft und die Leitlinien des Ausschusses zur
De-Institutionalisierung, auch in Notsituationen (2022), empfiehlt der
Ausschuss,
- eine umfassende
nationale De-Institutionalisierungsstrategie samt Zielvorgaben, Fristen
und Finanzierung festzulegen, die die Zuständigkeiten von Bund,
Ländern und Kommunen umfasst, und dafür zu sorgen, dass die
Organisationen von Menschen mit Behinderungen in allen De-Institutionalisierungsprozessen
eng konsultiert und aktiv einbezogen werden;
- auf Bundes-,
Länder- und gegebenenfalls kommunaler Ebene Gesetze zu erlassen, die
die notwendige Rechtsgrundlage für die Beendigung der
Institutionalisierung von Menschen mit Behinderungen und die
Bereitstellung angemessener barrierefreier Wohnungen und
Unterstützungsleistungen für ein selbstbestimmtes Leben von
Menschen mit Behinderungen in der Gemeinschaft bilden, und diese Gesetze
zügig umzusetzen;
- einen einklagbaren
Rechtsanspruch auf angemessene finanzielle, technische und
persönliche Unterstützung für ein selbstbestimmtes Leben
in der Gemeinschaft zu garantieren;
- alle Bundesländer
nachdrücklich zur Beteiligung an dem Pilotprojekt zur Schaffung
bundesweit einheitlicher Regelungen für persönliche Assistenz
in Freizeit und Beruf zu bewegen;
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- sicherzustellen, dass
Informationen, insbesondere Informationen der Regierung, mittels
barrierefreier Formate und Technologien verbreitet werden, die Richtlinie
über den barrierefreien Zugang zu Websites vollständig
umzusetzen und alle Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher
Stellen gemäß der Europäischen Norm EN 301 549
barrierefrei zu gestalten;
- Organisationen von
Menschen mit Behinderungen, einschließlich Organisationen von
Menschen mit psychosozialen und/oder intellektuellen Behinderungen,
Frauen mit Behinderungen und Kindern mit Behinderungen,
Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung,
zur Erleichterung ihrer kommunikativen Aktivitäten zu leisten;
- Organisationen von
Menschen mit Behinderungen bei der Gestaltung geplanter und
Überprüfung ergriffener Maßnahmen zur Gewährleistung
der barrierefreien Zugänglichkeit von Informationen eng zu
konsultieren und aktiv einzubeziehen.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- die Achtung des Rechts
von Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben, auf ein
Privatleben, einschließlich sexueller Selbstbestimmung, zu
gewährleisten und die abschreckende Einmischung durch Personal und
Vormunde zu beenden;
- die Rechtsvorschriften
des Bundes und der Länder zu Prostitution und Sexualbegleitung zu
harmonisieren, um die Bereitstellung öffentlich finanzierter
Angebote der Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderungen zu
gewährleisten.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- die Projekte im Rahmen
des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2022-2030 in enger Konsultation
mit und unter aktiver Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen,
einschließlich Frauen mit Behinderungen, weiterzuentwickeln und
umzusetzen und in den Aktionsplan spezifische Maßnahmen
aufzunehmen, die, ausgestattet mit ausreichenden Mitteln, Fristen und
Monitoringmechanismen, den Übergang von der segregierten
Beschäftigung zur Beschäftigung auf dem offenen Arbeitsmarkt
für alle Menschen mit Behinderungen gewährleisten;
- die auf der
Einschätzungsverordnung basierende Feststellung mit dem
menschenrechtlichen Modell von Behinderung in Einklang zu bringen, sie
nicht auf Kinder anzuwenden, Feststellungen in periodischen
Abständen zu re-evaluieren, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen
Feststellungen vorzusehen, sicherzustellen, dass Menschen mit
Behinderungen ihren Sozialversicherungsstatus, einschließlich
Kranken- und Pensionsversicherung, unabhängig vom Ergebnis der
Feststellung beibehalten, und ihn rückwirkend auf Menschen mit
Behinderungen anzuwenden, die bereits als
„arbeitsunfähig“ eingestuft wurden;
- sicherzustellen, dass
alle Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen gleiches
Entgelt für gleichwertige Arbeit erhalten, Maßnahmen zur
Beseitigung des Geschlechtergefälles bei der Beschäftigung,
auch beim Entgelt, zu beschließen und dafür zu sorgen, dass
alle Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen
Arbeitsverträge erhalten oder den Arbeitnehmerstatus zugesprochen
bekommen oder als selbständig anerkannt werden;
- behinderungsbedingte
Leistungen mit Einkommen aus Erwerbsarbeit vereinbar zu machen, um zu
vermeiden, dass sich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit negativ auf
den Erhalt von behinderungsbedingten Leistungen auswirkt;
- den Voraussetzungen
für die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen,
einschließlich persönlicher Assistenz, am Arbeitsplatz das im
Übereinkommen verankerte menschenrechtliche Modell von Behinderung
zugrunde zu legen;
- eine inklusive
berufliche Orientierung und Ausbildung für Menschen mit
Behinderungen, insbesondere junge Menschen mit Behinderungen,
bereitzustellen.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- wirksame
Maßnahmen zur Beseitigung der Armut von Menschen mit Behinderungen
zu ergreifen, einschließlich der vollständigen Abdeckung durch
das Sozialversicherungssystem;
- Flüchtlingen mit
Behinderungen und Menschen mit Behinderungen in
flüchtlingsähnlichen Situationen, einschließlich Menschen
mit Behinderungen, die unter vorübergehendem Schutz stehen, den
Zugang zu Programmen der Behindertenhilfe zu eröffnen, um zu
verhindern, dass sie in Armut geraten.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat,
- sicherzustellen, dass
die Abstimmungs- und Wahlverfahren für Menschen mit Behinderungen
uneingeschränkt zugänglich sind, unter anderem durch die
Schulung von Wahloffiziellen, Parteifunktionärinnen und
-funktionären und Mitgliedern zivilgesellschaftlicher Organisationen
sowie die Bereitstellung entsprechenden Materials in barrierefrei
zugänglichen Formaten wie Leichter Lesen, Einfaches Deutsch,
Brailleschrift und anderen;
- im Einklang mit der
Allgemeinen Bemerkung Nr. 7 (2018) Organisationen von Kindern mit
Behinderungen zu fördern und zu unterstützen, um ihre Teilhabe
am politischen und öffentlichen Leben zu verbessern.
- Der Ausschuss empfiehlt
dem Vertragsstaat, einen umfassenden nationalen Rahmen für die
Erfassung von Daten im Bereich Behinderung zu entwickeln, um geeignete,
national kohärente Maßnahmen für die Erhebung, Auswertung
und öffentliche Bekanntmachung aufgeschlüsselter Daten im Rahmen
aller Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zu gewährleisten,
insbesondere im Hinblick auf lesbische, schwule, bisexuelle,
transgeschlechtliche, intergeschlechtliche, geflüchtete und staatenlose
Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Behinderungen in
flüchtlingsähnlichen Situationen, Menschen mit Behinderungen,
die unter vorübergehendem Schutz stehen, Kinder mit Behinderungen,
Frauen und Mädchen mit Behinderungen und Menschen mit Behinderungen
in Einrichtungen.
Da es sich bei dem Bericht
des Fachausschusses um verbindliche Empfehlungen handelt (3), hat
Österreich bis zur nächsten Staatenprüfung 2030 Zeit, diese
umzusetzen.
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20006062
- https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Menschen-mit-Behinderungen/UN-Behindertenrechtskonvention.html
- https://www.behindertenrat.at/staatenpruefung-2023/
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚
Pflege und Konsumentenschutz, sowie der Bundesminister für Arbeit und
Wirtschaft, wird aufgefordert, einen den Zuständigkeiten des BMSGPK und
BMAW entsprechenden verbindlichen Stufenplan zur Vollziehung der
Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses über den Umsetzungsstand der
UN-BRK zu entwickeln und dem Nationalrat ehestmöglich vorzulegen."
In formeller Hinsicht
wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales vorgeschlagen.