3683/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 21.11.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Weichen für echte Gesundheitsreformen stellen

 

Gesundheitspolitisch wird für Reformen häufig auf die Finanzausgleichsverhandlungen verwiesen, welche erneut die Mittelverteilung zwischen Krankenhäusern und niedergelassenem Bereich als Kernpunkt hatten und zu viele Mittel für den Spitalsbereich zur Verfügung stellen. In diesem Fall zeigt sich ein Problem des Föderalismus: Die Finanzierung über die Länder wahrt nicht unbedingt die Interessen der Patient:innen, sondern die Interessen der Länder als Spitalsbetreiber. Auch die neuen Zuschüsse an die Sozialversicherungen, um Kassenplätze auszubauen oder Behandlungsleistungen abzugelten, untergraben das bisherige System der Finanzierung. Üblicherweise stehen dafür den Versicherungsträgern die Versicherungsbeiträge zur Verfügung und wie man am Beispiel der Psychotherapie sieht, ist es nicht unbedingt verpflichtend vorgesehen, dass diese ihren Aufgaben in Folge des gesetzlichen Auftrags nachkommen. Insofern kann der aktuelle Finanzausgleich nur als Eingeständnis bewertet werden, dass die Finanzierung des Gesundheitssystems über Bund, Länder und Sozialversicherungen endgültig keinen Regeln mehr unterworfen ist, sondern Finanzierungspfade und Zuständigkeiten nach Belieben gewählt werden.

Die „Finanzierung aus einer Hand“ des Gesundheitswesens wird seit Jahrzehnten von vielen Expert:innen als essentielle Reform des Gesundheitssystems gefordert. Aktuell wird der ambulante Bereich durch die Versicherungsträger, der stationäre Bereich im Wesentlichen durch die Landesgesundheitsfonds und der Pflegebereich durch die Länder, Gemeinden und Bundeszuschüsse finanziert, also durch drei Säulen. Aufgrund dieser zersplitterten Finanzierungskompetenz ergeben sich unerwünschte Anreize, die zu einer erhöhten Rate von Fehlversorgung führen. Der finanzielle Mitteleinsatz ist dementsprechend ineffizient, wie auch die Statistiken über Behandlungsorte oder den Gesundheitszustand der Bevölkerung zeigen. Im internationalen Kassenumfeld wurde diese Anreizproblematik bereits vor Jahrzehnten gelöst. Beispielsweise gibt es in Deutschland die „Finanzierung aus einer Hand“ durch die Krankenkassen bereits seit 1972. Auch in der Schweiz, Belgien und den Niederlanden obliegt die Finanzierung des Gesundheitssystems zur Gänze den Krankenkassen. In Belgien und Deutschland geht man sogar soweit, dass Krankenkassen auch die (ambulante) Pflegefinanzierung übernehmen - eine zusätzliche Grauzone in Österreich, da diese wiederum unterschiedlich zwischen Kasse und Ländern aufgeteilt ist.

Gescheiterte Reformbestrebungen im Kleinen

Die bisher umfassendste Arbeit zur „Finanzierung aus einer Hand“ mit Bezug auf Österreich wurde vom „Institut für Höhere Studien“ (IHS) geleistet. Auf 342 Seiten werden sechs Modelle ausgearbeitet, wobei sich fünf Modelle ernsthaft mit der „Finanzierung aus einer Hand“ beschäftigen (1). Ernsthaft beherzigt wurden die Reformvorschläge bisher von der OÖ Landesregierung unter Landeshauptmann Pühringer, der 2015/2016 angeboten hat, die Finanzierungskompetenz über die Spitäler (OÖ Gesundheitsfonds) an die OÖGKK zu übertragen, um die „Finanzierung aus einer Hand“ zu ermöglichen. Gescheitert ist die OÖ Landesregierung damals an der OÖGKK (2). In Salzburg wollte die GKK bei den Spitälern mehr Mitsprache für ihre Zahlungen, eine Forderung, die auch die nunmehrige ÖGK in den Finanzausgleichsverhandlungen 2023 stellte (3).

Wie kleinteilig das Gesundheitssystem ist und wie schnell von einer „Finanzierung aus einer Hand gesprochen" werden kann, zeigte sich bei der Zusammenlegung der damaligen Gebietskrankenkassen. Ganz klar handelte es sich dabei aber wohl eher um Marketing, schließlich hielt auch die Ärztekammer in ihrem Positionspapier zur Finanzierung 2020 fest, dass es nach wie vor mehrere Säulen zur Finanzierung gibt (4). Schwierig zeigte sich in den Verhandlungen 2023 auch die Diskussion über eine zusätzliche dritte Säule zur Finanzierung von Primärversorgung und Spitalsambulanzen (5). So schlimm wie befürchtet wurde das Ergebnis zwar nicht, doch die neuen Bundeszuschüsse zeigen, dass die Forderungen nach einer „Finanzierung aus einer Hand", wie sie selbst der Seniorenbund fordert (6), wieder ungehört verhallten und die Gesundheitsfinanzierung auch die nächsten fünf Jahre ein undurchschaubares Dickicht bleibt. 

Stellschrauben nutzen

Nachdem die vergangenen fünf Jahre gezeigt haben, dass nur bedingt auf aktuelle Vorhaben vertraut werden kann und ernsthafte Reformen Vorbereitungszeit brauchen, muss es im Interesse des Gesundheitsministeriums als größter Beitragszahler sein, dass über Versicherungsträger, Länder, diverse Krankenhäuser sowie Ambulatorien und auch Primärversorgungszentren für Beitragszahler:innen überall eine gleich gute, effiziente und effektive Versorgung gewährleistet wird - unabhängig von regionalen oder finanziellen Interessen der Anbieter. Infolgedessen sollte die Debattenpause nach dem Abschluss des Finanzausgleichs genutzt werden, um eine nachhaltige Veränderung des Gesundheitssystems auf eine „Finanzierung aus einer Hand" vorzubereiten.

 

  1. http://irihs.ihs.ac.at/1956/1/IHSPR524945.pdf
  2. https://kurier.at/chronik/kooperation-statt-fusion/193.119.942
  3. https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.891177
  4. https://www.aerztekammer.at/documents/261766/73813/Gesundheitspolitisches+Konzept+%C3%96%C3%84K.pdf/e91185b3-f87e-18a3-c7e5-21ec87068c5a
  5. https://www.periskop.at/neuordnung-notwendig-foederalistische-strukturen-im-gesundheitssystem/
  6. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221125_OTS0030/korosec-finanzierung-aus-einer-hand-ist-der-schluessel-zu-nachhaltigem-gesundheits-und-pflegesystem

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, die die „Finanzierung aus einer Hand" im Gesundheitswesen vorsieht. Dabei soll eine bestmögliche Zusammenarbeit zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen sichergestellt und eine schrittweise Umstellung der Prozesse bis zum Auslaufen der aktuellen Art. 15a B-VG Vereinbarungen zur Finanzierung des Gesundheitswesens sowie zur Zielsteuerung Gesundheit eingeleitet werden."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.