3694/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 21.11.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, MMag. Katharina Werner Bakk., Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umstellung der Vergabepraxis bei gemeinwirtschaftlichen Leistungen

 

Seit Amtsantritt der türkis-grünen Bundesregierung im Jahr 2020 wirbt die für Mobilität zuständige Bundesministerin Leonore Gewessler für mehr finanzielle Mittel für den Ausbau und die Ertüchtigung des öffentlichen Schienenverkehrs. Ein Anliegen, dass sie in den darauffolgenden Jahren auch umsetzte. Die zwei größten Budgetposten für den Schienenverkehr sind traditionell einerseits jener für die Finanzierung der ÖBB-Infrastruktur AG und andererseits jener für die Finanzierung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Davon sind Leistungen im Schienenpersonenverkehr umfasst, deren Erbringung im öffentlichen Interesse liegt, deren Kosten mit Erlösen aus Ticketverkäufen jedoch nicht gedeckt werden können. Aus Sicht von NEOS ist die Förderung des öffentlichen Verkehrs unerlässlich, um das Ziel einer umweltfreundlichen Mobilität zu erreichen, weswegen viele Maßnahmen der Bundesregierung im Mobilitätsbereich auch Unterstützung finden. Beim Einsatz von großen Summen aus dem Budget für einzelne Maßnahmen muss jedoch ein bestmögliches Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet werden. Statistiken im Bereich der gemeinwirtschaftlichen Leistungen lassen daran zweifeln, dass dies in den letzten Jahren erreicht wurde. 

Dem Bundesvoranschlag 2024 zufolge, wird die Republik Österreich im kommenden Jahr 1.11 Milliarden Euro für Verkehrsdienstverträge ausgeben, mittels derer die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Verkehrsunternehmen vereinbart wird. Mit 996 Millionen Euro ist der Großteil dieser Ausgaben für Zahlungen an die ÖBB-Personenverkehr AG angedacht. Dieser Betrag entspricht 16,8% der gesamten Ausgaben im Mobilitätsbereich und im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg von 9,7%. Für Zahlungen an Privatbahnen werden in diesem Zusammenhang 66 Millionen Euro budgetiert. (1) Der Jahresbericht 2022 der Schienen-Control GmbH zeigt, dass die tatsächlich ausgezahlten Mittel für gemeinwirtschaftliche Leistungen in den letzten Jahren, im Vergleich zur Anzahl der damit bestellten Zugkilometer, überproportional wuchs:  Im Jahr 2019 bestellte der Bund im Personenverkehr im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Leistungen 82,9 Millionen Zugkilometer und wandte dafür in Summe knappe 872 Millionen Euro auf. (2) Im Jahr 2022 waren es bereits 112,8 Millionen Zugkilometer, für die knappe 1,37 Milliarden Euro ausgegeben wurden. (3) Der Anstieg bei den Ausgaben für gemeinwirtschaftliche Leistungen zwischen 2019 und 2022 beträgt damit 57%, während der Anstieg bei den bestellten Zugkilometern im selben Zeitraum 36% beträgt.

In Österreich erfolgt die Bestellung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen über eine Direktvergabe von Verkehrsdienstverträgen an die ÖBB-Personenverkehr AG und Privatbahnen. Die europarechtliche Grundlage für diese Praxis ist durch die PSO-Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gegeben. Im Jahr 2014 nahm die Kommission eine Mitteilung über die Auslegungsleitlinien zu dieser Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 („Auslegungsleitlinien von 2014“) an, mit der sie den Interessenträgern ihr Verständnis einiger Bestimmungen der Verordnung darlegte und die an den bewährten Verfahren in den Mitgliedstaaten orientiert war. In der Zwischenzeit hat sich der Rechtsrahmen weiterentwickelt: Im Jahr 2016 wurde die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 umfassend geändert, um insbesondere den Grundsatz der wettbewerblichen Vergabe öffentlicher Dienstleistungen auf den Eisenbahnsektor auszudehnen. Die Änderung beinhaltete die Einführung eines Übergangszeitraums, in dem die bedingungslose Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Schienenpersonenverkehr bis zum 24. Dezember 2023 möglich bleibt, damit sich der Sektor auf die Marktöffnung vorbereiten kann. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat ebenfalls einige Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und Vorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ausgelegt. 

In der Folge wurde es notwendig, die Auslegungsleitlinien von 2014 vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zu überarbeiten und insbesondere die zuständigen Behörden bei der Vorbereitung auf das Ende des genannten Übergangszeitraums am 24. Dezember 2023 zu unterstützen. Vor Verabschiedung der neuen Bekanntmachung der Kommission konsultierte die Kommission Mitgliedstaaten und Interessenträger als Vertreter betroffener Parteien, wie europäische Vereinigungen im öffentlichen Verkehrswesen, einschließlich Beschäftigten im Verkehrswesen und Fahrgastvereinigungen.

Die Bekanntmachung der Kommission vom 26.06.2023 über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (2023/C 222), die nur ausgewählte Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 abdeckt, schafft keine neuen Vorschriften. Sie enthält Erläuterungen und Orientierungshilfen für die Mitgliedstaaten in Bezug darauf, wie die Kommission die Bestimmungen der Verordnung insbesondere unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung der Unionsgerichte auslegt. Die Auslegung des Unionsrechts ist letztlich Sache der Unionsgerichte. 

Im Sinne dieser Bekanntmachung sind ab 2024 Direktvergaben nur mehr bei Erfüllung der Bedingungen, dass diese aufgrund der strukturellen und geographischen Merkmale des Marktes und des Netzes gerechtfertigt sind und ferner zu einer Verbesserung der Qualität der Dienste oder der Kosteneffizienz führen, möglich.  Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, müssen gemeinwirtschaftliche Leistungen in Zukunft mittels wettbewerblichen Verfahrens vergeben werden. Während das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gemäß Auskunft von Bundesministerin Leonore Gewessler noch untersucht, welchen konkreten Änderungsbedarf dies für die Vergabeverfahren in Österreich in Zukunft bedeutet, ist aus Sicht von NEOS der Zeitpunkt reif, die österreichische Vergabepraxis endlich auf den Prüfstand zu stellen. Die im Vergleich zur Anzahl der bestellten Zugkilometer überproportional hohen Kostenanstiege für Verkehrsdiensteverträge innerhalb dieser Legislaturperiode,  machen die Evaluierung von Effizienzsteigerungen unerlässlich.

Eine Analyse der SCHIG mbH als Abwickler von Verkehrsdienstverträgen hat gezeigt, dass im Jahr 2009 bei zahlreichen Parametern (wie z.B. Fremdkapitalzinssatz, Fahrzeuginstandhaltungssätze, Verrechnungssatz der ÖBB Produktion GmbH, Personalkostensatz) der in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren zu erwartende Preis, unter jenem lag, der im ÖBB–Konzern verrechnet bzw. von der ÖBB–Personenverkehr AG bekannt gegeben wurde. Auch in wettbewerblichen Vergabeverfahren kann und muss die Gewährleistung von Qualitätskriterien wie Pünktlichkeit, Taktung, Sauberkeit, Sicherheit, Informationszugang, Zugpersonal, Anschlusserreichung, Schadensfreiheit und Qualität der eingesetzten Waggons etc. sichergestellt werden. Im Sinne eines kosteneffizienten Umgangs mit Steuergeldern können sie im Vergleich zum Status Quo jedoch deutliche Vorteile mit sich bringen. 

 

Quellen: 

  1. Budgetdienst (2024): UG 41 - Mobilität. Untergliederungsanalyse
  2. Schienen-Control GmbH (2020): Jahresbericht 2019
  3. Schienen-Control GmbH (2023): Jahresbericht 2022
  4. Rechnungshof (2017): Bericht des Rechnungshofes. Verkehrsdiensteverträge - Schiene

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie, wird aufgefordert, im Wege der dazu notwendigen Verwaltungsakte sicherzustellen, dass die österreichische Vergabepraxis bei gemeinwirtschaftlichen Leistungen im öffentlichen Verkehr gemäß Bekanntmachung der Kommission vom 26.06.2023 über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (2023/C 222) so umgestellt wird, dass wettbewerbliche Vergabeverfahren das Standardinstrument werden und Direktvergaben nur mehr äußerst restriktiv genutzt werden."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.