3695/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 21.11.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Entlastungspaket für den niedergelassenen Handel

 

Der niedergelassene Handel in Österreich steht von mehreren Seiten unter Druck: Die höchsten Inflationsraten in Westeuropa lassen die Gehaltsforderungen steigen, der Onlinehandel gewinnt Marktanteile, überzogene Lockdowns haben Kundenbindungen geschädigt und die Regulierung der Öffnungszeiten ist die strengste in Europa. Gerade angesichts der herannahenden Weihnachtszeit, die umsatzstärkste Zeit für den Handel, sollte die Bundesregierung Maßnahmen beschließen, um eine nachhaltige Entlastung sicherzustellen und den niedergelassenen Handel mit den Arbeitsplätzen vor Ort zu stärken. 

 

Der Einzelhandel steht in Österreich in diesem Jahr besonders unter Druck. Die Kollektivvertragsverhandlungen sind in diesem Jahr aufgrund mehrerer Herausforderungen besonders kompliziert. Die Inflation erreichte den höchsten Stand seit 1953, was den Verhandlungspartnern eine besonders hohe Ausgangsbasis bietet. Die Gewerkschaft forderte in den ersten Runden eine Lohnerhöhung von elf Prozent. Handelsvertreter betonten in den Verhandlungen die schwierige Lage, verursacht durch rückläufige Umsätze, sinkende Beschäftigungszahlen und eine Zunahme von Insolvenzen. Die Statistik Austria gab kürzlich bekannt, dass der Einzelhandel in Österreich von Jänner bis September im Vergleich zum Vorjahr einen realen Rückgang von 3,5 Prozent verzeichnete. Die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten im Handel ging im Vergleich zum Vorjahr um 1700 zurück. (1)

Diese aktuellen Herausforderungen sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Eine der höchsten Abgabenquoten in der OECD sowie veraltete bürokratische Bestimmungen erschweren dem niedergelassenen Handel in Österreich unnötig das Leben. Ein Maßnahmenpaket soll zu einer deutlichen Entlastung der Betriebe und Mitarbeiter im Einzelhandel beitragen.

Deutliche Senkung der Lohnnebenkosten: Entlastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

In Österreich ist die Inflation derzeit stärker ausgeprägt als in den meisten anderen Ländern der Eurozone. Die Inflationsrate von 7,4% im September 2023 setzt den Druck auf die Preise fort, was sich unmittelbar auf die täglichen Ausgaben der Menschen auswirkt. Gleichzeitig bleibt die steuerliche Belastung der Erwerbsarbeit in Österreich weiterhin eine der höchsten im Vergleich zu anderen Industrieländern. Lediglich etwa die Hälfte der Unternehmensausgaben für ihre Mitarbeiter:innen gelangt auf deren Gehaltskonto, während fast 47% durch Steuern und Beiträge an den Staat abgeführt werden.

Die Senkung der Lohnnebenkosten würde einen Spielraum für höhere Löhne für über 430.000 Handelsangestellte schaffen und gleichzeitig den Inflationsdruck mindern. Dies ermöglicht einen real positiven Abschluss, ohne die Preise signifikant zu beeinflussen. Eine Reduzierung der Lohnnebenkosten um 6,55 Prozentpunkte, auf das Niveau des Durchschnitts in der OECD, würde den Verhandlungsspielraum erheblich erhöhen, vergleichbar mit einem zusätzlichen 15. Monatsgehalt. (2) Ein größerer Spielraum im Jahr 2023 würde auch die Kollektivvertragsverhandlungen im Jahr 2024 erleichtern, da die Zweitrundeneffekte geringer wären, wenn höhere Nettolöhne möglich sind, ohne dass die Lohnkosten im gleichen Maße steigen.

Flexibilisierung der Öffnungszeiten 

Angesichts der Krisen der letzten Jahre und des wachsenden Drucks vom Onlinehandel kann es sich Österreich nicht mehr leisten, das Land mit den strengsten Öffnungszeiten in Europa zu sein. Nur wenige Staaten in Europa regeln überhaupt Öffnungszeiten von Montag bis Samstag: Österreich ist selbst darunter sehr restriktiv. Im Gegensatz dazu gibt es in 23 Staaten in Europa keine Regeln für Öffnungszeiten von Montag bis Samstag - 16 Staaten in Europa haben sogar keine Regeln für Öffnungszeiten am Sonntag. Österreich ist der einzige Staat Europas, der eine Maximalzahl an Öffnungsstunden innerhalb des Rahmens vorgibt. Angesichts des gestiegenen internationalen Wettbewerbsdrucks sollten derart unübliche und starren Regeln dringend überdacht werden. 

Am 19. Dezember 2021 wurde das Unmögliche möglich: Händler konnten an einem Adventssonntag öffnen. Die im Vorfeld vorgebrachten Horrorszenarien erfüllten sich hingegen nicht. Sonntagsöffnungen sind in anderen Ländern selbstverständlich und unterstützten den Handel in umsatzstarken Monaten dabei, gegen die starke Konkurrenz des Onlinehandels zu bestehen, die sich an keine Öffnungszeiten halten muss. Durch eine Modernisierung, die einerseits die neuen Bedürfnisse in der Gesellschaft und andererseits arbeitsrechtliche Standards berücksichtigt, könnten wichtige Impulse für den stationären Handel und den Tourismus gesetzt werden. Gerade angesichts der aktuell schwierigen Wirtschaftslage sollte die Bundesregierung hier rasch handeln und durch eine ambitionierte Flexibilisierung den lokalen Handel tatkräftig unterstützen.

Entbürokratisierung: Keine verpflichtenden Kassenbelege unter 30 EUR

Zusätzliche Entlastung wäre auch durch Streichung unnötiger bürokratischer Verpflichtungen zu erreichen. Beispielhaft könnte die Belegpflicht bei Einkäufen unter 30 EUR gestrichen werden, wobei der Kunde selbstverständlich das Recht behalten soll, einen Beleg auf Wunsch zu bekommen. Laut Handelsverband werden täglich allein im Lebensmittelhandel bis zu 4 Millionen Transaktionen erfasst. Insgesamt wird landesweit von 2,8 Milliarden Transaktionen ausgegangen, wobei etwa 70% davon einen Betrag von weniger als 30 Euro ausmachen. Daher könnte die Einführung einer freiwilligen Bagatellgrenze von 30 Euro, ähnlich wie in Frankreich, bereits einen positiven Umwelteffekt haben. (3) Mit dieser kleinen ersten Entbürokratisierungsmaßnahme werden unkompliziert Betriebe und Umwelt entlastet. Eben diese Maßnahme wurde im Sommer 2023 auch von Wirtschaftsbund Generalsekretär Egger und Staatssekretärin Plakolm gefordert. (4)

 

 

Quellen:

  1. https://www.diepresse.com/17823151/handelsangestellte-demonstrieren-in-wien-und-salzburg-fuer-mehr-gehalt
  2. https://www.neos.eu/programm/blog/sagt-sonst-keiner-ein-15-gehalt-moeglich-machen#wie-wollen-wir-neos-die-lohnnebenkosten-senken
  3. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230827_OTS0014/handelsverband-fuer-ende-von-verpflichtenden-kassenbelegen-bis-30-euro-sofern-haendler-nicht-in-digitale-belegpflicht-gezwungen-werden
  4. https://www.krone.at/3095694

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, ein Entlastungspaket für den niedergelassenen Handel vorzulegen. Dieser soll zumindest eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten sowie eine Streichung der Belegpflicht unter 30 EUR enthalten."  

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.