3708/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.11.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr.in Petra Oberrauner,

Genossinnen und Genossen

betreffend Digital Gender Gap beenden – Weiterbildungsangebote für Frauen verbessern

Die digitale Transformation durchdringt umfassend alle Bereiche unserer Gesellschaft. Dabei entstehen im IKT-Bereich viele hochqualifizierte und gut bezahlte Jobs, für die in Österreich dringend Fachkräfte benötigt werden. Durch die Neuorganisation von Aufgaben und Arbeitsprozessen digitalisieren sich aber auch immer mehr Berufe außerhalb des IKT-Bereichs in einem Maße, dass auch dort digitale Kompetenzen zu den entscheidenden Qualifikationsanforderungen zählen.

Dass die Menschen in Österreich in der Breite über gute digitale Kompetenzen verfügen, ist daher nicht nur für den unmittelbaren IKT-Bereich relevant, sondern für die gesamte Wirtschaft. Die Frage, wie schnell und flexibel Unternehmen neue digitale Entwicklungen für sich nutzbar machen können, wird im internationalen Wettbewerb auch in IKT-fernen Bereichen ein immer wichtigerer Faktor.

Für die Menschen in Österreich wiederum bedeutet die zunehmende Digitalisierung vieler Berufsbereiche, dass der Besitz digitaler Kompetenzen immer entscheidender wird, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, den in Österreich verfestigten Digital-Gap zwischen Männern und Frauen zu schließen.

Egal ob Softwareentwicklung, IT-Sicherheit oder KI, in allen Bereichen werden mehr Frauen in den Hörsälen, Forschungseinrichtungen und IT-Unternehmen gebraucht. Im Studienjahr 2018/19 wurden nur 23% aller Bacherlorstudien in Informatik und Kommunikationstechnologie von Frauen aufgenommen (öffentliche Universitäten 22%, Fachhochschulen 24%). Das ist nur unwesentlich höher als im Studienjahr 2002/03, wo der Frauenanteil an den öffentlichen Universitäten 20% betrug.[1] Angesichts der geringen Zahl an Studienanfängerinnen ist auch der niedrige Anteil von 15% an Informatik-Absolventinnen im Jahr 2020 nicht überraschend. In seinem jüngsten Leistungsbericht nennt der RFTE die niedrige Zahl an IKT-Absolventinnen einen gewichtigen Schwachpunkt im österreichischen FTI-System, da sie im Vergleich weit unter dem EU-Durchschnitt liegt.[2] Der Frauenanteil unter den IKT-Fachkräften lag laut DESI 2022 mit 19,3% nur knapp über dem EU-Durchschnitt, ist in den Vorjahren sogar Rückläufig gewesen und hat seinen Höchststand von 20,4% aus dem Jahr 2019 noch nicht wieder erreichen können.[3]

Der fortgesetzt niedrige Anteil an Frauen im IT-Bereich ist ein signifikantes Problem für die österreichische Wirtschaft. Zum einen, weil ihr laut WKÖ jährlich ein Wertschöpfungsverlust von rund 4,9 Milliarden Euro durch fehlende IT-Expert*innen entsteht.[4] Zum anderen wirkt sich der geringe Frauenanteil für die Tech-Branche nachteilig aus, weil diverse Teams nachweislich die Innovationskraft erhöhen.

 

Aber auch für die Gesellschaft insgesamt bringt der deutliche Digital Gender Gap Nachteile, wenn die Hälfte der Bevölkerung bei der Entwicklung und Gestaltung der digitalen Zukunft kaum vertreten ist und sie somit um den wichtigen Input der Frauen gebracht wird.

 

So lange Frauen ihr Know-how und ihre Perspektiven nicht in die Gestaltung der digitalen Transformation einbringen können, ist das Risiko hoch, dass digitale Anwendungen, wie bspw. Gesundheits-Apps, Beratungsangebote, Job- und Karriereportale – beabsichtigt oder nicht – vornehmlich aus männlicher Perspektive konzipiert und auf männliche Bedürfnisse zugeschnitten werden. Beispiele hierfür gibt es zu Hauf: Spracherkennungs-Programme, die Frauenstimmen schlechter verstehen, Gesundheits-Apps, die auf den männlichen Körper abgestimmt sind, Bewerbungsprogramme, die nur Männer für geeignet halten, weil sie mit veralteten Datensätzen trainiert wurden oder Suchmaschinen, die nach CEOs in den USA gefragt, nur 11% Frauen anzeigen, obwohl der Frauenanteil unter CEOs dort 27% beträgt. Wollen wir die ungewollte Reproduktion von Vorurteilen und einseitigen Perspektiven zukünftig vermeiden, müssen wir die gesellschaftliche Vielfalt bei den Entwickler*innen vergrößern.

 

Das Ziel, den Frauenanteil im IKT-Bereich zu steigern, muss über den gesamten Bildungsweg ins Auge gefasst werden, denn noch immer findet im österreichischen Bildungssystem bei den Naturwissenschaften eine Spaltung entlang der Geschlechter statt. Während im Volksschulalter Jungen und Mädchen noch ungefähr gleich viel Interesse und Freude an Naturwissenschaften zeigen, wächst der Geschlechterunterschied im Laufe der Schulzeit deutlich an und viele Mädchen und junge Frauen verlieren das Interesse.

 

Der Digital Gender Gap besteht jedoch nicht nur im IKT-Bereich selbst, sondern auch mit Blick auf die generellen digitalen Kompetenzen der Bevölkerung. Das Women in Digital Scoreboard der Europäischen Kommission zeigt einen deutlichen Unterschied digitaler Kompetenzen zwischen Frauen und Männern auf. So verfügen zwar 70% der österreichischen Männer über zumindest grundlegende digitale Kompetenzen, bei den österreichischen Frauen sind dies jedoch nur 61%. Bei den grundlegenden Softwarekenntnissen liegen die Frauen mit 64% hinter den Männern mit 73% zurück.[5]

Auch eine Studie des österreichischen Vereins fit4internet aus dem Jahr 2022 zeigt einen deutlichen Geschlechterunterschied bei den digitalen Kompetenzen auf. Die Studie zeigte zudem, dass Frauen im Home Office von ihrem Arbeitgeber deutlich seltener die für ihre Tätigkeit benötigte digitale Ausstattung erhalten, als Männer.[6]

 

Es ist daher wichtig, auch bei den beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten die Angebote für Frauen zu verbessern. Es fehlen sowohl Angebote, die speziell Frauen ansprechen, sowie von Frauen für Frauen durchgeführt werden. Auch findet der Großteil der angebotenen Fort-/Weiterbildungskurse ganztägig statt, was insbesondere für Frauen mit Kinderbetreuungs­pflichten und Teilzeitbeschäftigung eine zusätzliche Barriere bedeutet. Außerdem lag der Fokus digitaler Weiterbildung bislang auf männerdominierten Technikbranchen, während in frauendominierten Branchen wie z.B. der mobilen Pflege oder dem Handel die Weiterbildung deutlich weniger formalisiert ist, sondern vor allem informell und auf Eigeninitiative der Beschäftigten erfolgt. Dabei schreitet auch in diesen Branchen die Digitalisierung voran. Durch eine breitere Vermittlung digitaler Kompetenzen könnte berechtigten Ängsten vor Jobverlust entgegengewirkt und die Beschäftigten mit ihrem branchenspezifischen Knowhow besser in die Digitalisierungsprozesse eingebunden werden, um die unterstützenden Potentiale der Digitalisierung für alle nutzbar zu machen.

 

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den Bildungseinrichtungen, der Wirtschaft und der Wissenschaft zielgerichtete Maßnahmen und Projekte vorzusehen, um den Frauenanteil in der Digitalbranche deutlich zu erhöhen, die Weiterbildungsmöglichkeiten für Frauen zu verbessern und mehr Mädchen und Frauen für Fächer wie Informatik zu begeistern, bzw. das vorhandene Interesse zu erhalten. Dazu gehören:

o   Die Ausgestaltung von Unterrichtsmaterialien für Informatik und Digitale Grundbildung in einer Form, dass sie für Jungen und Mädchen ansprechend sind und das Interesse an digitalen Themen und digitalen Berufen steigern,

o   Die stärkere Förderung des Aspekts „gendersensible Vermittlung digitaler Themen“ in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten,

o   Flächendeckende bundesweite Angebote von Informatikklassen in der Sekundärstufe II,

o   Verstärkte Initiierung und Förderung von Projekten, die jungen Frauen nach abgeschlossener Schul- bzw. Lehrlingsausbildung, durch entsprechende Schulungs- und Praktikaangebote die Möglichkeit geben, sich digitale Kompetenzen anzueignen und Digitale Berufe kennenzulernen,

o   Schaffung von Anreizen für Universitäten und Fachhochschulen, den Anteil weiblicher Studierender in ihren IKT-Studiengängen zu erhöhen,

o   Aktive Förderung des Quereinstiegs von Frauen aus anderen Fachrichtungen in die Informatik durch die Hochschulleitungen und das Anbieten hierfür geeigneter Qualifizierungsmöglichkeiten,

o   Stärkere Integration von digitalen Kompetenzen in Ausbildungen und Fachbereichen mit hohem Frauenanteil,

o   Ausweitung der formellen Weiterbildungsangebote zur Erlangung digitaler Kompetenzen in frauendominierten Sektoren, wie Handel, Dienstleistung und Care-Bereich. 

o   Ausweitung und stärkere Förderung von Weiterbildungsangeboten zur Erlangung digitaler Kompetenzen, die in Ansprache und Inhalt ebenso speziell auf die Bedürfnisse und Interessen von Frauen Rücksicht nehmen, wie bei der zeitlichen Ausgestaltung (Kinderbetreuung, Teilzeitbeschäftigung).“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung ersucht.



[1] Vgl. Geschlechtersituation am Beispiel von MINT-Fokus- & Pädagogikstudien Zusatzbericht der Studierenden-Sozialerhebung 2019, Februar 2021: https://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/IHS_Studierenden-Sozialerhebung-2019_Zusatzbericht-Geschlechtersituation.pdf

[2] Vgl. Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2023: https://fti-monitor.rfte.at/docs/pdf/L100012.pdf

[3] Vgl. DESI 2023 Indicators: https://digital-decade-desi.digital-strategy.ec.europa.eu/datasets/desi/charts/desi-indicators?indicator=desi_1b3&breakdown=total&period=desi_2023&unit=pc_ict_spec&country=AT

[4] Vgl. "IT-Fachkräftemangel ist Wachstumsproblem für den Wirtschaftsstandort Österreich", November 2023: https://www.wko.at/oe/oesterreich/it-fachkraeftemangel-ist-wachstumsproblem-fuer-den-wirtschaft

 [5] Vgl. Women in Digital Scoreboard 2021 – Country profiles: https://ec.europa.eu/newsroom/dae/redirection/document/80470 [8.11.2023]

[6] Vgl. Digitale Fitness in Österreich. Wie #digitalyfit sind wir?: https://www.fit4internet.at/view/verstehen-zahlendatenfakten