3716/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 23.11.2023
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Dringlichkeit eines Maßnahmenpakets zur Ankurbelung der heimischen Wirtschaft, Industrie und insbesondere der Bauwirtschaft
„Konjunkturell ist das Jahr 2023 zum Vergessen", so eine der vielsagenden und vom ökonomischen Standpunkt betrachtet erschreckenden Aussagen des Wifo-Chefs Felbermayr anlässlich einer Pressekonferenz zur Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose Anfang Oktober dieses Jahres.
Dieser Konjunkturprognose zufolge erwarten die Wirtschaftsforscher vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und vom Institut für Höhere Studien (IHS) für das Jahr 2023 sowie das kommende Jahr einen Einbruch der Bauinvestitionen, vor allem im Hochbau. Daher sehen beide Unterstützungsbedarf für die Bauwirtschaft:[1]
Für 2023 wird ein Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 bzw. 0,4 Prozent erwartet, bei der Sommerprognose war noch ein Wirtschaftswachstum von 0,3 bzw. 0,5 Prozent prognostiziert worden. Außerdem hoben Wifo und IHS die Inflationsprognose für 2023 leicht auf 7,7 bzw. 7,8 Prozent an.
Gerade vor dem Hintergrund, dass bereits im Jänner dieses Jahres insbesondere in der Baubranche starke Auftragsrückgänge für das Jahr 2023 prognostiziert wurden, ist es dringend erforderlich, dass durch entsprechende Maßnahmen die Nachfrage wieder angekurbelt wird. Allein in Vorarlberg wird im gewerblichen Industrie- und öffentlichen Hochbau die Auftragslage mit minus 15 Prozent eingeschätzt, im Tiefbau mit minus 18 Prozent. (Standard 3. Jänner 2023) „Der Ausblick ist nicht mehr so goldig wie in den letzten Jahren", sagt Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das Wifo befragt monatlich ein paar Hundert Unternehmen in Österreich. „Und da sieht man schon, dass sich die Stimmung im Verlauf des letzten Jahres gedrückt hat“, sagt Klien.[2]
Die schwache Baukonjunktur belastet die Wirtschaftsentwicklung. (…) In der Bauwirtschaft schrumpft die Wertschöpfung seit dem III. Quartal mit zunehmender Dynamik.[3]
Wie trist die Situation mittlerweile insbesondere für die Baubranche geworden ist, zeigt nachfolgender Bericht auf ooe.orf.at vom 05.08.2023, wo der größte Ziegel-Fertighaushersteller Österreichs, Maximilian Etzenberger mit drastischen Aussagen aufhorchen lässt:[4]
Totalausfälle in der Baubranche
Nicht nur 50 Prozent, wie zuletzt behauptet, sondern bis zu 90 Prozent seien die Einbrüche in der Baubrache. Vor allem dann, wenn Bau-Unternehmer bisher auf Einfamilienhäuser spezialisiert waren. Viele Firmen sind jetzt von der Insolvenz bedroht.
Exorbitante Kostensteigerungen, erneut gestiegene Zinsen und straffere Kreditvergaberichtlinien habe es vielen Familien unmöglich gemacht, sich Eigentum zu schaffen. Das hat Folgen für die Unternehmen, sagt der größte Ziegel-Fertighaushersteller Österreichs, Maximilian Etzenberger aus Vorchdorf.
„Der Einbruch liegt bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen zwischen 85 und 90 Prozent“, so Etzenberger.
Bauindustrie appelliert an Politik
Die Bauindustrie sieht nur einen Ausweg und appelliert an die Politik. Hubert Wetschnig, Vorsitzender der Bauindustrie in der WKO. „Der Weg aus der Krise müsste sein, dass wir gerade jetzt in der Überbrückung bis 2024 über Unterstützung öffentlicher Auftraggeber Projekte bekommen, die geplant sind, die fertig sind und vorgezogen werden“, so Hubert Wetschnig, Vorsitzender der Bauindustrie der WKO.
Mit einer Entspannung rechne man frühestens im Jahr 2025.
Anlässlich der von den Freiheitlichen in der Sitzung des letzten Wirtschafts-ausschusses am 10.10.2023 verlangten „Aktuellen Aussprache“ mit den Chefs bzw. Experten von WIFO und IHS zur jüngsten Konjunkturprognose bestätigten die Experten die sich bereits seit Monaten abzeichnenden negative Entwicklung insbesondere im Bereich der Baubranche, wie die Parlamentskorrespondenz Nr. 1035 vom 10.10.2023 berichtet:
Österreichs Wirtschaft befinde sich in einer Rezession, ging Holger Bonin vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf die aktuelle Wirtschaftslage ein. Auf eine milde Rezession folge 2024 ein verhaltener Aufschwung, analysierte Bonin. Gedämpfte Kaufkraft, hohe Energiepreise und starke Zinssteigerungen führen 2023 zu einer milden Rezession in Österreich, erklärte Stefan Schiman-Vukan vom Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) die jüngste Prognose des WIFO. Das reale BIP dürfte dem WIFO zufolge um 0,8% schrumpfen. […]
Während generell von einer Konjunkturerholung ausgegangen wird, soll sich die Rezession im Bauwesen verstärken. Der Bausektor leide unter mehreren Faktoren und werde 2024 um fast 4 % schrumpfen, führte Schiman-Vukan aus. Insbesondere der Hochbau sei betroffen, betonten die Experten. […]
Problematisch sah Bonin die Wohnbauwirtschaft auf Basis rückläufiger Baubewilligungen. Schiman-Vukan erkannte Risiken eines Beschäftigungsabbaus in der Baubranche. Wenn ein Leitbetrieb damit anfange, könnten andere folgen. Derzeit würden Unternehmen Arbeitskräfte halten, um zu verhindern, dass diese zu anderen Betrieben gehen. Bonin ging von einer "konjunkturellen Delle" der Bauindustrie für drei Jahre aus. Daher bedürfe es Maßnahmen, die schnell greifen, unterstrich er.
Die expansive Geldpolitik während der Pandemie sei kontraproduktiv gewesen, hielt der Experte des WIFO fest. Um die Bauwirtschaft nun zu unterstützen, sprach sich Schiman-Vukan für Maßnahmen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung aus. Zudem bedürfe es Rechtssicherheit, um Investitionen anzustoßen. Beim Energiekostenzuschuss 2 sei zu viel budgetiert worden, argumentierte er. Diese budgetären Mittel könnten anderweitig sinnvoller genutzt werden. Um langfristiges Wachstum des mitteleuropäischen Raums zu ermöglichen, müssen aus Bonins Sicht Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Schlüsseltechnologien voranzutreiben. Nur damit könnten langfristig Investitionsentscheidungen getroffen werden, hielt er fest.
Der Hochbau sei im Gegensatz zu Tiefbau und Baunebengewerben stark betroffen, so der Experte des IHS. Die Entwicklung werde sich nächstes Jahr verschlechtern, da die anderen Bereiche laut Prognosen auch betroffen sein werden.
Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk, bringt die schlimme Situation auf den Punkt, wenn sie feststellt, dass es einen so kräftigen Rückgang selten gibt.[5]
Die Baubranche steht vor schwierigen Zeiten. Wenn das Jahr 2024 nicht zu einem Annus horribilis werden soll, muss rasch gegengesteuert werden.
Baustoffe zu horrenden Preisen, steigende Personalkosten, hohe Energiepreise und ausbleibende Aufträge vom privaten Häuslbauer bis zum Großprojekt der öffentlichen Hand führen zu leeren Auftragsbüchern. Die schwierige Lage verschärfen laut Bundesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger, die Lieferkettenthematik, die Energiekosten, die zusätzlichen Steuern wie die CO₂-Steuer und die steigenden Kreditzinsen. Der Quartalsbericht der KMU Forschung Austria verspricht für die nächste Zeit nichts Gutes. Die heimischen Gewerbe- und Handwerksbetriebe beurteilen die Geschäftslage im zweiten Quartal 2023 – ausgehend von einem sehr hohen Niveau – weitaus schlechter als im Vorjahresquartal. Für das dritte Quartal 2023 überwiegen per saldo pessimistische Einschätzungen.
Trotz der sich bereits seit geraumer Zeit abzeichnenden negativen Entwicklungen für die heimische Wirtschaft und die damit verbundenen Gefahren auch für die Beschäftigten verharrte die Bundesregierung in Untätigkeit, wie dies auch kürzlich der Generalsekretär der WKO Karl Heinz Kopf kritisierte:[6]
Spätestens jetzt muss klar sein, dass es ohne Maßnahmen nicht geht, so Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). […]
„Die heutigen Wirtschaftsprognosen von Wifo und IHS lassen aufhorchen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung“, sagt Kopf. „Dazu muss man das Rad nicht neu erfinden; die richtigen Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch, sie müssen nur umgesetzt werden.“
„Wir fordern seit Monaten ein positives Signal für die Betriebe. Die Regierung darf jetzt keine Zeit mehr verlieren, die Zeit des politischen Taktierens muss jetzt endlich vorbei sein“, so der WKÖ-Generalsekretär.“
Anstatt längst notwendig konjunkturbelebende Maßnahmen zu setzen, um insbesondere die Bauwirtschaft wieder zu beleben, machte diese Bundesregierung sogar noch das Gegenteil: So führt unter anderem die steigende CO2 Abgabe in zunehmendem Ausmaß zu massiven Belastungen. Dazu kommen die mit August des Vorjahres in Kraft getretenen verschärften Bedingungen für die Erlangung eines Hypothekarkredites. Die Auswirkungen – nicht nur für die betroffenen Kreditwerber, die sich ein Eigenheim errichten wollen, sondern damit auch für die Baubranche - sind fatal!
Darüber hinaus werden die infolge der enormen Inflation erfolgten massiven Zinserhöhungen durch die EZB zunehmend zu einem enormen finanziellen Hemmschuh für Hypothekarkreditnehmer:[7]
KIM-Verordnung würgt Hypothekarkredite ab
Mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie im August 2022 ist die Zahl der Hypothekarkredite massiv eingebrochen. Der Traum vom Eigenheim ist damit für viele Menschen vorerst ausgeträumt.
In den ersten drei Quartalen 2023 sind die Hypothekarkredite um 50,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurückgegangen. Grund dafür ist neben den gestiegenen Zinsen vor allem die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V), die die Kreditvergabe mithilfe deutlich restriktiverer Rahmenbedingungen seit gut einem Jahr neu regelt. Besonders betroffen sind junge Menschen (bis 35 Jahre), für die sich der „Traum vom Eigenheim“ immer seltener erfüllt. In dieser Alterskategorie hat sich die Anzahl der gewährten Kredite zuletzt sogar um 57,6 Prozent reduziert, was den Höchstwert darstellt. Parallel dazu ist auch das generelle Finanzierungsvolumen im Schnitt um sieben Prozent auf 196.000 Euro gesunken.
In den ersten drei Quartalen 2023 wurden 44.628 Hypothekarkredite gewährt, was gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 50,6 Prozent bedeutet. Hypothekarkredite werden in der Regel für die Finanzierung von Immobilien verwendet. Der häufigste Grund für den Absturz: die hohen Anforderungen der KIM-Verordnung, die seit August 2022 gültig ist. Die zumindest 20%ige Eigenkapitalquote, eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren und eine Monatsrate, die maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen darf, sind eine enorme Hürde bei einer Finanzierung. […]
Schlechte Aussichten für junge Menschen
Die gewährten Hypothekarkredite sind in sämtlichen Altersgruppen stark rückläufig. Ganz besonders betroffen ist die für die Schaffung eines neuen Eigenheims besonders relevante Gruppe der bis 35-Jährigen. Hier fällt das Minus mit 57 Prozent am gravierendsten aus. Damit einhergehend ist diese Altersgruppe auch nicht mehr wie im Vorjahr für 41,2 Prozent aller Hypothekarkredite „verantwortlich“, sondern nur mehr für 35,9 Prozent. „Einerseits legt man vor allem jungen Menschen nahe, in Immobilien zu investieren, um sich für die Zukunft zu rüsten, andererseits werden die Einstiegshürden so angesetzt, dass diese insbesondere für die junge Generation schlichtweg nicht machbar sind“, so Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH, der ergänzt: „Der Absturz bei den Kreditvergaben wirkt sich auch auf die Baubranche aus. Die Auftragslage sinkt. Es fehlt an neuen Projekten im Wohnbau, denn die Kosten sind hoch und die Nachfrage ist zurückgegangen. Auch 2024 wird sich daran voraussichtlich nichts ändern.“
Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten ist es daher dringend an der Zeit, entsprechende konjunkturbelebende Maßnahmen im Sinne einer dringenden wirtschaftlichen Aufholjagd und Stärkung der heimischen Wirtschaft, Industrie und insbesondere der Baubranche zu setzen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpaket im Sinne der Ankurbelung der heimischen Wirtschaft und Industrie, und dabei insbesondere der Bauwirtschaft, sowie im Sinne der Stärkung der Regionen sowie der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zuzuleiten, welches insbesondere die nachstehenden Maßnahmen umfasst:
· Bereitstellung von öffentlichen Budgetmitteln für Infrastrukturinvestitionen, Straßen- und Wohnbau, sowie den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel
· Lockerung der seitens der FMA erlassenen restriktiven Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO)
· Sofortige und endgültige Streichung der CO2-Abgabe
· Aufhebung aller Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine, die negative finanzielle Auswirkungen auf die Österreicher zeitigen
· Rechtzeitige Verlängerung der Schwellenwerteverordnung für das Jahr 2024
· Schaffung einer Investitionsprämie NEU mit einer unbürokratischen und einfachen Abwicklung über die Finanzämter.“
In formeller Hinsicht ersuchen die unterfertigten Abgeordneten um Zuweisung dieses Antrages an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie.
[1] APA0335 5 WI 1105 II/WB Aktualisiert APA0241/06.10 Fr, 06.Okt 2023
[2] Der Standard, 3. Jänner 2023
[3] OTS0029 5 WI 0423 WFO0001 09.03.2023
[4] https://ooe.orf.at/stories/3218876/
[5] https://www.handwerkundbau.at/wirtschaft/bau-auftragslage-2024-loesungen-liegen-auf-dem-tisch-51965
[6] OTS0052 5 WI 0398 PWK0001 Fr, 06.Okt 2023
[7] OTS0016 5 WI 0962 KSV0001 WB Do, 09.Nov 2023