3750/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.11.2023
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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits,

Genossinnen und Genossen

betreffend verbindliche Vorgaben für an Kinder gerichtetes Lebensmittelmarketing

Vor Kurzem stieß eine Äußerung des Bundeskanzlers bei Expert:innen und vielen Bürger:innen auf Unverständnis, wonach ein Hamburger einer bekannten Fastfood-Kette als ausreichend warme Mahlzeit angesehen werden könne.

Gerade angesichts steigender Preise, die immer mehr Menschen vor finanzielle Herausforderungen stellen, müssen wir als Gesellschaft mehr denn je auf die gesunde Ernährung unserer Kinder achten.

Fastfood ist in der Regel energiedicht und hoch verarbeitet, ballaststoffarm, aber fett- und salzreich. Es macht zwar satt, aber die Sättigung hält nicht lange an. Meist werden sie mit gezuckerten Softdrinks kombiniert, Gemüse und Obst fehlen jedoch. Dies stellt das Gegenteil einer gesunden Ernährung von Kindern dar. Es wird jedoch kindgerecht geworben, mit Sammelfiguren oder Kronen für kleine Könige und Prinzessinnen, beliebten Comicfiguren, Abenteuer- und Heldengeschichten.

In der Kindheit werden Ernährungsvorlieben und Essgewohnheiten geprägt, daher sind Kinder eine attraktive und wichtige Zielgruppe der Lebensmittel- und Werbeindustrie. Jüngere Kinder (unter 12) können aber nicht zwischen Werbung und Information unterscheiden und sind daher für Werbebotschaften deutlich anfälliger als Erwachsene. Kinder (wieder)erkennen Lebensmittellogos („Brands“) noch bevor sie lesen und schreiben können, wie eine britische Studie schon 2014 herausfand, und auch, dass es sich dabei fast ausschließlich um Marken handelt, deren bekannteste Produkte nur selten und dann in kleinen Mengen in eine gesunde Kinderernährung passen.[1]

Eine Untersuchung der Universität Hamburg zeigt, dass jedes Kind, das Medien wie Fernsehen und Internet nutzt, täglich durchschnittlich 15-16 Werbungen für ungesunde Lebensmittel sieht. Der Großteil der Lebensmittelwerbung, die im TV oder im Internet an Kinder gerichtet ist, bezieht sich auf energiedichte, kalorienreiche und stark verarbeitete Produkte, die reichlich Zucker, Salz und Fett enthalten. Die Regierungspartner in Deutschland haben daher im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten, dass die Lebensmittelwerbung an Kinder reguliert werden soll. Im Österreich fehlt ein entsprechendes Bekenntnis der Regierung, obwohl die Lage vergleichbar (schlecht) ist.

Eine Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt beispielsweise, dass drei Viertel der Lebensmittel, die in Sozialen Medien durch Influencer:innen beworben werden, die Mindeststandards der WHO für Kinderwerbung nicht erfüllen. Sie sind zu fett, zu süß und/oder zu salzig - also Produkte, zu deren Konsum Kinder und Jugendliche nicht angeregt werden sollen. Diese Produkte sollten daher nicht an Kinder und Jugendliche beworben werden, weder klassisch noch durch „Junkfluencer:innen“. (siehe https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/news-im-mai-2022/influencerinnen-bewerben-zu-75-prozent-ungesunde-lebensmittel/ )

Es gibt eine Reihe weiterer Studien, die den Einfluss der Werbung und allgemein des Lebensmittelmarketings in Form von Produktmodifikationen, Preisgestaltungen und Produktplatzierungen auf das Konsumverhalten untersuchen und zum Schluss kommen, dass Werbung, wie sie heute stattfindet, die Ernährungsweise von Kindern negativ beeinflusst und einen (leicht regulierbaren) Risikofaktor für Übergewicht und Adipositas schon im Kindesalter darstellt (zB. Effertz und Adams 2014, Norman et al 2018, Russel et al 2019.)

Werbung wirkt. Ganz besonders bei Kindern. Sie ist nicht allein schuld am kindlichen Übergewicht, hat aber einen klaren Anteil an den seit Jahren steigenden Raten von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen. Werbung fürs Falsche erfolgt subtil, stört die Entwicklung eines gesunden Essverhaltens und verleitet Kinder dazu, zu viel vom Falschen zu essen. Werbung an Kinder wirksam zu regulieren ist somit ein Gebot der Stunde.

Seit vielen Jahren schon verlangt die WHO (Weltgesundheitsorganisation) daher, den Marketingdruck auf Kinder im Bereich Lebensmittel zu reduzieren. Seitens der WHO wurden auch Tools entwickelt, die - orientiert an ernährungsphysiologischen Fakten - dabei helfen, „unpassende“ Lebensmittel zu identifizieren. So hat die WHO 2010 erstmals ein „Set of Recommandations on the Marketing of Food and Nonalcoholic Beverages to Children“ veröffentlicht und 2015 Nährwertprofile zur Lenkung von Lebensmittelwerbung an Kinder.

Österreich ist der WHO Empfehlung leider bisher nur mit einer vage formulierten freiwilligen Selbstverpflichtung für die Werbe- und Lebensmittelwirtschaft gefolgt. In der Umsetzung der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie der EU hat Österreich – im Unterschied zu anderen Ländern wie zB Slowenien oder Portugal - auf diese freiwillige Selbstverpflichtung der Medienwirtschaft gesetzt und es verabsäumt, verbindliche Vorgaben zu etablieren. Das von der nationalen Ernährungskommission erarbeitete Nährwertprofil zur Lenkung von Werbung in audiovisuellen Medien rund um Kindersendungen wurde nicht einmal zur Grundlage der Selbstverpflichtung gemacht. Beste Rechtssicherheit und verlässlichsten Schutz bietet nur eine klare gesetzliche Regelung für Werbung und Marketing an die Zielgruppe Kinder & Jugendliche (zB bis 14 Jahre), die nicht nur Audiovisuelle Medien umfasst, sondern auch klassische Print-, Plakat- und Automatenwerbung ebenso wie Lebensmittelverpackungen und Marketing im Supermarkt (zB Regeln für die „Quengelzone“ an der Kassa).

Dass vage freiwillige Selbstverpflichtungen ohne unabhängige Kontrollen und verhältnismäßige Sanktionen nicht funktionieren, ist belegt. Es ist deshalb in Österreich dringend nachzubessern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden im Sinne des Schutzes von Kindern aufgefordert, wirksame und nachhaltige Maßnahmen zu setzen, um allen Kindern und Jugendlichen in Österreich ein gesundes Aufwachsen und ein förderndes Umfeld für eine möglichst störungsfreie Entwicklung von guten Ernährungsgewohnheiten zu bieten und deshalb:

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Konsumentenschutz



[1] Young children's food brand knowledge. Early development and associations with television viewing and parent's diet - ScienceDirect