3762/A XXVII. GP

Eingebracht am 24.11.2023
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Antrag

der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner

und Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 72/2023, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 94j werden folgende §§ 94k und 94l samt Überschrift eingefügt:

„Übergangsregelungen zur Novelle BGBl. I Nr. xxx/2024

§ 94k. (1) Wird der Zulassungsinhaber, der Inhaber einer Registrierung, der Arzneimittel-Großhändler oder Arzneimittel-Vollgroßhändler auf Grund einer Verordnung gemäß § 57a Abs. 2 zur Bevorratung von Arzneispezialitäten verpflichtet, gebührt ihm auf Antrag eine Entschädigung für die dadurch entstandenen, über die für die Deckung des Bedarfs der Patienten im Inland übliche Bevorratung hinausgehenden, Mehrkosten.

(2) Mehrkosten gemäß Abs. 1 sind

           1. entstandene Mehrkosten für die Lagerung, höchstens jedoch in Hohe von 5 % des Fabrikabgabepreises pro Arzneispezialität, und

           2. Kosten in Höhe des 3-Monats-Euribor-Satzes zuzüglich 0,25 Prozentpunkte, berechnet auf den Fabrikabgabepreis pro Arzneispezialität.

(3) Der Antrag ist bis 31. Dezember jedes Jahres für die im Vorjahr anfallenden Kosten zu stellen. Dem Antrag sind sämtliche Unterlagen zum Nachweis der Mehrkosten beizulegen. Die Richtigkeit der Berechnung der Mehrkosten ist durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu bestätigen.

(4) Auf Grund dieser Bestimmung erlassene Bescheide, denen unrichtige Angaben eines Antragstellers über anspruchsbegründende Tatsachen zugrunde liegen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG.

(5) Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Mehrkosten und die entsprechenden Nachweise sowie zum Verfahren erlassen.

§ 94l. (1) Wird der Arzneimittel-Großhändler oder Arzneimittel-Vollgroßhändler auf Grund einer Verordnung gemäß § 57a Abs. 3 zur Bevorratung von Wirk- oder Hilfsstoffen verpflichtet, gebührt ihm auf Antrag eine Entschädigung für die Kosten von auf Grund einer Überschreitung des Verfalldatums nicht abgegebener Wirkstoffe.

(2) Kosten gemäß Abs. 1 sind

           1. der Einkaufspreis des nicht abgegebenen Wirkstoffs,

           2. Kosten in Höhe des 3-Monats-Euribor-Satzes zuzüglich 0,25 Prozentpunkte, berechnet auf den Einkaufspreis des nicht abgegebenen Wirkstoffs,

           3. Entsorgungskosten, und

           4. entstandene Lagerkosten, höchstens jedoch in Höhe von 5 % des Einkaufspreises,

abzüglich des aus dem Verkauf des zu bevorratenden Wirkstoffs erzielten Gewinns.

(3) § 94k Abs. 3 bis 6 gilt.“

2. Dem § 95 wird folgender Abs. 23 angefügt:

„(23) § 94k und § 94l in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2023 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit 31. Dezember 2027 außer Kraft. Sie sind auf Ansprüche, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 entstanden sind, weiterhin anwendbar.“

 

Begründung

Zu Z 1 (§§ 94k und 94l Arzneimittelgesetz):

§ 94k normiert eine befristete Entschädigungsregel für behördliche Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in Form einer Bevorratungspflicht auf der Grundlage des § 57a Abs. 2. Damit sollen den Verpflichteten Mehraufwendungen (§ 94k) abgegolten werden, die ihnen aus dem Aufbau entsprechender Arzneimittel- bzw. Wirkstofflager entstehen.

§ 94k Abs. 2 konkretisiert die Mehrkosten, die durch die verpflichtende Bevorratung von Arzneimitteln entstehen können. Diese belaufen sich im Wesentlichen auf die entstandenen Mehrkosten für die Lagerung (dies umfasst insbesondere die anfallenden laufenden Lagerkosten einschließlich der erhöhten Personal- und Verwaltungskosten und der lagerbedingten Versicherungskosten sowie die Kosten für den erstmaligen Aufbau des Lagers und Kosten für verfallene Produkte) sowie Mehrkosten für das aufgrund der Bevorratung gebundene Kapital. Mit dem Abstellen auf „dadurch entstandene“ Mehrkosten wird eine strikte Kausalität behördlicher Maßnahmen für diese Kosten verlangt.

Hinsichtlich der Mehrkosten für die Lagerung wird eine Deckelung in Höhe von 5 % des Fabrikabgabepreises vorgesehen. Dies entspricht den zu erwartenden branchenüblichen Lagerkosten. Gleiches gilt für die Deckelung in § 94l.

Zudem werden gemäß Abs. 1 nur jene Kosten ersetzt, die über die für die Arzneimittelversorgung der Patienten im Inland übliche Lagerhaltung hinausgehen. Dabei ist von einer üblichen Lagerhaltung in einem solchen Ausmaß auszugehen, dass der Bedarf der Patienten für die Dauer von drei bis vier Monaten gedeckt werden kann.

Die Mehrkosten sind durch entsprechende Nachweise zu plausibilisieren (Abs. 3) und durch einen Wirtschaftsprüfer zu bestätigen.

§ 94l sieht einen Kostersatz für verpflichtend zu bevorratende Wirkstoffe vor, sofern deren Verfalldatum überschritten wird und sie deshalb letztlich nicht abgegeben werden. Der Großhändler soll damit nicht das Risiko dafür tragen, dass der Bedarfsfall nicht eintritt.

Abs. 2 präzisiert die zu ersetzenden Kosten dahingehend, dass der Wert der verfallenen Wirkstoffe (in Höhe des Einkaufspreises), die Mehrkosten für das gebundene Kapital sowie die Entsorgungskosten zu ersetzen sind.

Der unterschiedliche Zugang der beiden Entschädigungssysteme des § 94k und § 94l resultiert aus den tatsächlichen Unterschieden bei der Lagerung und der dadurch anfallenden Kosten: Bei der Bevorratung der Endprodukte handelt es sich stets um ein „rollierendes Lager“, bei dem in der Regel nicht mit einer Überschreitung des Haltbarkeitsdatums und somit mit Schäden durch nicht benötigte Mengen zu rechnen ist. Die Bevorratung von Wirkstoffen (die meist Großgebinde betrifft) erfolgt hingegen nicht immer rollierend. Daher könnten Mehrkosten entstehen, wenn der Bedarfsfall nicht eintritt.

Dass bei der verpflichtenden Lagerung von Wirkstoffen eine Entschädigung nur bei Nichteintritt des Bedarfsfalls erfolgt, und somit nur eine „Risikoübernahme“ erfolgt, beruht auf betriebswirtschaftlichen Gründen. Im Gegensatz zur Bevorratung der Endprodukte fließen bei der Lagerung von Wirkstoffen die Mehrkosten (insbesondere laufende Lagerkosten) in die Gestaltung des Preises ein, sodass die Kosten für die verpflichtende Lagerung durch den Verkauf gedeckt werden.

Klargestellt wird, dass die Regelungen über eine Bevorratung insbesondere von Wirkstoffen die sonstigen Regelungen des AMG (vor allem die Anforderungen an Arzneimittelbetriebe) unberührt lassen. Werden daher im Zuge der Abgabe der bevorrateten Wirkstoffe Manipulationsschritte gesetzt (z.B. Wirkstoffe aus Grobgebinden „ausgeeinzelt“ und abpackt), bedarf es hierfür einer Herstellungsbewilligung).

Zuständige Behörde für den Vollzug der finanziellen Begleitmaßnahmen ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. Auf Grund der Vollzugskompetenzen im Bereich der Betriebsüberprüfung, die auch die Kontrolle von Bevorratungen umfassen wird, besteht zu diesem die größte sachliche Nähe.

Z 2 (§ 95 Abs. 23 Arzneimittelgesetz):

Um eine repräsentative Beurteilung der Auswirkungen behördlicher Maßnahmen im Bereich der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung vornehmen zu können, sind diese und auch die finanziellen Begleitmaßnahmen der §§ 94k und 94l zu befristen. Die Maßnahmen und die entsprechenden Begleitregeln sind innerhalb dieses Zeitraums umfassend zu evaluieren. Zudem dient die Befristung auch dazu, allfälligen Entwicklungen auf Unionsebene Rechnung tragen zu können.

Ferner wird aus Gründen der Rechtssicherheit eine Übergangsregelung für anhängige Verfahren vorgesehen (vgl. VwGH 19.6.2023, Ra 2023/09/0023).

 

Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss