3782/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 13.12.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Beendigung des reputationsschädigenden und österreichischen Interessen zuwiderlaufenden Schengen-Vetos
Am 8. Dezember 2022 war es so weit: Die Innenminister:innen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stimmten, unglücklicherweise mitten im von Migrationsdebatten geprägten Niederösterreich-Wahlkampf, über die Erweiterung des Schengen-Raums ab. Ein völlig überraschendes Veto Österreichs verhinderte den Beitritt Rumäniens und Bulgariens.
Die Bundesregierung erklärt seit damals, es ginge nicht um diese beiden Staaten, sondern darum, dass man ein "dysfunktionales System" nicht auch noch erweitern dürfe. Nichtsdestotrotz stimmte Österreich dem Beitritt Kroatiens und damit der Erweiterung des „dysfunktionalen Systems“ zu. Der Bundesregierung waren offensichtlich verärgerte österreichische Urlauber:innen im Stau an der kroatischen Grenze und mögliche Probleme mit der Weiterleitung von Flüssiggas aus dem Terminal Krk wichtiger als der Zustand des „dysfunktionalen Systems.“
Die Reaktionen aus den zurückgewiesenen Staaten kamen schnell und deutlich. Rumänien und Bulgarien fühlen sich überraschend und unberechtigt zurückgewiesen- erfüllen sie doch bereits seit 2011 alle Beitrittskriterien, und sehen den Mangel an inhaltlichen, evidenzbasierten Argumenten. Bis heute. In den Beantwortungen unserer Anfragen konnte Innenminister Karner für die Behauptung der Regierung, dass mehr als die Hälfte der in Österreich einen Asylantrag stellenden Menschen über Rumänien oder Bulgarien zu uns kämen, keine Evidenz vorlegen - es wurde stets auf Dunkelziffern verwiesen.1 Vielmehr besagt unabhängige Forschung, dass nicht einmal ein Zehntel der vom BMI angegebene Anzahl an Asylsuchenden über Bulgarien und Rumänien nach Österreich gelangen, sondern nur etwa 3%.2 Konkrete Kriterien, nach deren Erfüllen Österreich das Veto gegenüber den beiden Länder beenden würde, wurden auch keine genannt.3
Der Schaden für Österreich ist bereits spürbar und wird in Zukunft noch deutlicher zutage treten: Österreich sieht sich bereits mit Gegenmaßnahmen konfrontiert. In der Partnership für Peace wird österreichischen Vertretern der Zutritt zu gewissen Treffen verweigert und damit der Informationsfluss beschnitten. Die vollen Auswirkungen für Österreichs Sicherheit werden sich mit der Zeit verschlimmern.
Österreichische Unternehmen sind in Rumänien und Bulgarien unter den Top-Investoren und beschweren sich über den Reputationsverlust. Neben den Problemen am Markt befürchten österreichische Unternehmen nun auch regulatorische Nachteile. Große Beteiligungen wie z.B. die der OMV an einem Gasprojekt sind von der Zustimmung der Regierungen in den Gastgeberstaaten abhängig.
Einer der größten Erfolge der Europäische Union ist die deutliche Verringerung der Transaktionsgebühren im gemeinsamen Markt, die zu niedrigeren Preisen für Konsument:innen geführt haben. Milliarden Euro wurden an Zöllen, Bürokratieaufwand und Grenzwartezeiten eingespart. Im Gegenzug dazu stauten sich nach dem Brexit an den britischen Grenzen die Lastwagen in den Häfen, Geschäfte waren leer und Preise steigen rapide an. Und so stauen sich auch heute an innereuropäischen Grenzen zwischen Schengen-Mitgliedern und Nichtmitgliedern LKWs kilometer- und stundenlang. Und österreichische Konsument:innen bezahlen z.B. deutlich mehr für Speiseöl, das großenteils Südosteuropa zu uns kommt, als es ohne Grenzwartezeiten und Bürokratie kosten würde.
Abertausende Österreicher:innen können im Alter oder während einer Erkrankung ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause führen, weil sie von qualifizierten Pfleger:innen betreut werden. Ein sehr großer Anteil kommt aus Rumänien. Was passiert, wenn diese Personen nicht mehr einreisen können, hat sich während der Grenzschließungen in der Corona-Zeit gezeigt, als die Bundesregierung Sonderzüge und Flüge aus Rumänien organisierte, um der Knappheit Herr zu werden. Je komplizierter die Einreise für Pflegepersonal nach Österreich ist, desto weniger wettbewerbsfähig ist Österreich gegenüber anderen Staaten und Personal wird sich anderswo im extrem kompetitiven Pflegemarkt nach Stellen umsehen. Die Verlierer:innen werden Österreichs Pflegebedürftige und deren Familien sein.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, das den österreichischen Interessen zuwiderlaufende und die Reputation Österreichs schädigende Veto gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum aufzugeben und stattdessen mit diesen beiden Staaten die Verbesserung des europäischen Außengrenzschutzes zu betreiben."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.