3843/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 31.01.2024
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Kein Zwang zur Ehe: Maßnahmen gegen Zwangsverheiratung
Im Frühjahr 2023 veröffentlichte der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) eine Studie des Instituts für Konfliktforschung zum Thema Zwangsheirat. Die Studienergebnisse sind aufschlussreich: Im Jahr 2021 wurden 54 Verdachtsfälle von Zwangsheirat bei Minderjährigen registriert, wobei 53 der Betroffenen weiblich waren. Genauere Zahlen existieren jedoch nur für Jugendliche, die von der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt wurden. Schätzungen zufolge sind jährlich etwa 200 Personen in Österreich von Zwangsheirat betroffen oder bedroht.
Zwangsheirat trifft in erster Linie Frauen. Familien betrachten eine erzwungene Hochzeit teilweise als Mittel zur finanziellen Absicherung, beispielsweise bei Mädchen mit Lernschwierigkeiten oder körperlichen Behinderungen, oder als Methode zur Kontrolle der Sexualität junger Frauen. Auch die Restitution der Familienehre, etwa nach einer Vergewaltigung, kann ein Motiv für eine Zwangsheirat sein. Diese Praxis gründet sich auf überholte und kulturell verankerte Geschlechterbilder, die Frauen und Mädchen kaum Autonomie und Handlungsmacht zugestehen.
Besonders gefährdet sind laut den Studienautor:innen:
Seit 2016 ist Zwangsheirat als eigener Straftatbestand (§106a StGB) verankert. Der Strafrahmen liegt bei sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe, und die Nötigung zur Ehe kann auch von Dritten angezeigt werden. Laut Statcube der Statistik Austria gab es seit Einführung des Gesetzes jedoch nur sieben Verurteilungen bei 61 Anzeigen, wie eine Anfrage beim Bundesministerium für Inneres (BMI) zeigte. Dies entspricht durchschnittlich neun Anzeigen und einer Verurteilung pro Jahr. Vergleicht man diese Zahlen mit der jährlichen Schätzung von 200 Betroffenen, wird deutlich, dass die meisten Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden und die meisten Opfer keine juristische Unterstützung erhalten. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Zwangsheiraten oft von Personen begangen werden, die den Opfern sehr nahe stehen, wie zum Beispiel den eigenen Eltern.
Nicht-juristische Hilfsangebote sind daher in diesem Bereich von großer Bedeutung, um Betroffene zu erreichen und zu schützen. Organisationen wie der Orient Express beraten von Zwangsheirat bedrohte oder betroffene Personen und bieten Notunterkünfte und Schutzzentren, die Anonymität sicherstellen. Sie unterstützen nicht nur in akuten Fällen, sondern tragen auch wesentlich zur Prävention bei. Allerdings können sie aufgrund begrenzter Fördermittel nicht immer so umfangreiche Präventionsarbeit leisten, wie es nötig wäre. Insbesondere die präventive Aufklärung an Schulen kommt derzeit zu kurz, und es gibt in Österreich keine Beratungs- und Betreuungsangebote für männliche Betroffene von Zwangsheirat. Gerade die Präventionsarbeit in Schulen wäre derzeit enorm wichtig, da beratende Organisationen zuletzt einen Anstieg bei minderjährigen Betroffenen ab etwa 14 Jahren verzeichnen.
Die Behörden sind sich des Problems bewusst, und die Sensibilisierung für das Thema ist unter anderem im Prozess der Familienzusammenführung berücksichtigt, wie Anfragen beim BMI und beim Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) ergaben. Dennoch besteht Nachholbedarf: Keines der Ministerien führt eine Statistik über Verdachtsfälle, und es wird auch nicht erfasst, wie viele Anträge auf Familienzusammenführung das Nachholen eines Ehepartners betreffen oder wie alt die nachzuholenden Ehepartner sind. Es gibt keine generelle Altersgrenze für nachzuholende Ehepartner:innen, aber es erfolgt eine Prüfung des öffentlichen Interesses ("ordre public") in Fällen, in denen einer der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährig war.
Auch das österreichische Ehegesetz schließt eine Eheschließung unter 18 Jahren nicht generell aus. Nach §1 Absatz 2 des Ehegesetzes ist eine Eheschließung bereits ab 16 Jahren möglich, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und der minderjährige Partner als "reif für die Ehe" angesehen wird. In Deutschland wurde eine vergleichbare Regelung bereits abgeschafft. Auch in Österreich gilt die Ausnahme als veraltet – Gespräche mit Fachleuten, die sich mit Zwangsheirat auseinandersetzen, bestätigen jedoch, dass die Eheschließung in den meisten Fällen von Zwangsverheiratung Minderjähriger zunächst im Ausland nach islamischem Recht erfolgt und standesamtlich nachvollzogen wird, sobald die Betroffenen volljährig sind.
(1) https://www.integrationsfonds.at/der-oeif/presse/detail/oeif-forschungsbericht-zu-zwangsheirat-in-oesterreich-jaehrlich-rund-200-faelle-auch-frauen-der-zweiten-und-dritten-generation-betroffen-17101/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen‚ Familie‚ Integration und Medien, wird aufgefordert, Zwangsheirat stärker in den Fokus der Bemühungen zu rücken und (wenn notwendig in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien) folgende Maßnahmen umsetzen:
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.