3847/A XXVII. GP

Eingebracht am 31.01.2024
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Antrag

gemäß § 26 GOG

der Abgeordneten Ernst Gödl, Jörg Leichtfried, Werner Herbert,
Agnes Sirkka Prammer,
Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 54/2023, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 22 werden folgende §§ 22a bis 22c eingefügt:

§ 22a. (1) Für Verhandlungsgegenstände, die im Nationalrat entstehen, und deren Vorbereitung gelten die Rechte der betroffenen Personen gemäß den Art. 13 bis 21 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, (im Folgenden: DSGVO) und § 1 Abs. 3 Datenschutzgesetz – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999, sowie Art. 5 DSGVO, insofern dessen Bestimmungen den in den Art. 13 bis 21 DSGVO vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 lit. e und h DSGVO nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7. Dasselbe gilt für sonstige Anträge und Verlangen von Abgeordneten oder Klubs und die dazu gefassten Beschlüsse, Berichte der Ausschüsse, Minderheitsberichte bzw. Fraktionsberichte, abweichende persönliche Stellungnahmen, Stenographische Protokolle und Auszugsweise Darstellungen, Konsultationsvereinbarungen sowie sonstige parlamentarische Dokumente, die im Nationalrat entstehen, und deren jeweilige Vorbereitung.

(2) Die nach Art. 13 und 14 DSGVO vorgeschriebenen Informationen sind in Form einer generellen Erklärung auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen. Die Informationspflichten gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. e sowie Art. 14 Abs. 1 lit. d und e und Abs. 2 lit. f DSGVO sind ausgeschlossen.

(3) Das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO und § 1 Abs. 3 DSG sowie Art. 5 DSGVO, insofern dessen Bestimmungen den in Art. 15 DSGVO vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, findet auf Datenverarbeitungen durch Abgeordnete in Ausübung ihres Mandates keine Anwendung. In Bezug auf Datenverarbeitungen durch den Nationalrat und seine Organe ist das Auskunftsrecht ausgeschlossen,

           1. soweit Gegenstände und Inhalte vertraulicher oder geheimer Beratungen, Verhandlungen, Sitzungen und Beschlüsse betroffen sind,

           2. hinsichtlich der Rechte gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c und g sowie Abs. 3 DSGVO.

(4) Das Recht auf Berichtigung gemäß Art. 16 DSGVO und § 1 Abs. 3 DSG sowie Art. 5 DSGVO, insofern dessen Bestimmungen den in Art. 16 DSGVO vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, ist auf Schreibfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt. Zu darüber hinausgehenden unrichtigen oder unvollständigen personenbezogenen Daten kann die betroffene Person eine (ergänzende) Erklärung abgeben, die zu veröffentlichen ist. In Bezug auf wörtliche Protokolle über die Befragung von Auskunftspersonen und Sachverständigen in einem Untersuchungsausschuss besteht das Recht auf Berichtigung für Auskunftspersonen bzw. Sachverständige nur im Rahmen und Umfang des § 19 Abs. 3 VO-UA.

(5) Das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO und § 1 Abs. 3 DSG sowie Art. 5 DSGVO, insofern dessen Bestimmungen den in Art. 17 DSGVO vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, ist auf die Veröffentlichung der in Abs. 1 genannten Dokumente beschränkt.

(6) Das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung gemäß Art. 18 DSGVO, die Mitteilungspflicht gemäß Art. 19 DSGVO und das Recht auf Datenübertragbarkeit gemäß Art. 20 DSGVO kommen nicht zur Anwendung.

(7) Das Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 DSGVO ist auf die Veröffentlichung der in Abs. 1 genannten Dokumente beschränkt. Anstelle eines Nachweises überwiegender schutzwürdiger Gründe für die Verarbeitung durch den Verantwortlichen genügt die Glaubhaftmachung solcher Gründe.

§ 22b. (1) In Bezug auf dem Nationalrat zugeleitete Verhandlungsgegenstände sind die Rechte der betroffenen Personen gemäß den Art. 12 bis 22 DSGVO und § 1 DSG beim Urheber der Information geltend zu machen. Der Urheber hat den Nationalrat unverzüglich schriftlich über allenfalls getroffene Veranlassungen zu informieren und gegebenenfalls die datenschutzrechtlich angepasste Version der Information zu übermitteln. Diese ist der weiteren Behandlung im Nationalrat zugrunde zu legen, sofern dem nicht zwingende Gründe entgegenstehen.

(2) Abs. 1 erster und zweiter Satz gelten sinngemäß in Bezug auf Akten und Unterlagen, die einem Untersuchungsausschuss gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG vorgelegt wurden, sowie für sonstige zugeleitete parlamentarische Dokumente.

§ 22c. (1) Verantwortlicher für Datenverarbeitungen zur Erfüllung der Aufgaben des Nationalrates und seiner Mitglieder ist der Nationalrat.

(2) …“

2. Dem § 47 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Sitzungen können nach Maßgabe technischer Möglichkeiten im Internet übertragen und zum Abruf öffentlich zugänglich gehalten werden.“

3. Dem § 109 wird folgender Abs. 16 angefügt:

„(16) §§ 22a bis 22c sowie § 47 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2024 treten mit XX.XX.XXXX in Kraft.“

Begründung:

Der Nationalrat und der Bundesrat sind bisher davon ausgegangen, dass Datenverarbeitungen im Bereich der Gesetzgebung vom Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) erfasst sind, dass aber weder die DSGVO noch die übrigen Bestimmungen des DSG auf Datenverarbeitungen im Bereich der (nationalen) Gesetzgebung Anwendung finden (vgl. z.B. 188/A XXVI. GP, AB 98 BlgNR XXVI. GP, AB 463 BlgNR XXVI. GP; AB 9957 BlgBR). Diese Ausgangslage hat sich durch das Urteil des EuGH vom 16.1.2024 im Vorabentscheidungsverfahren C-33/22, Österreichische Datenschutzbehörde, geändert.

Der vorliegende Antrag stellt einen ersten Entwurf für notwendige Anpassungen dar; die Verhandlungen dazu sind jedoch noch offen. Die Einbringung erfolgt aus zeitlichen Erwägungen, um im Fall einer Einigung eine möglichst rasche Beschlussfassung zu ermöglichen.

Zu § 22a

Art. 23 Abs. 1 lit. a bis e DSGVO erlaubt eine gesetzliche Beschränkung der Pflichten und Rechte gemäß den Art. 12 bis 22 und Art. 34 sowie Art. 5, insofern dessen Bestimmungen den in den Art. 12 bis 22 vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die den Schutz wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses eines Mitgliedstaats sicherstellt. Gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. h DSGVO können solche Beschränkungen auch zur Sicherstellung von Kontroll-, Überwachungs- und Ordnungsfunktionen, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt für die genannten Zwecke verbunden sind, vorgenommen werden. § 1 Abs. 4 DSG regelt, dass gesetzliche Beschränkungen der Rechte auf Auskunft, Löschung und Berichtigung zulässig sind, sofern sie in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind (Verweis auf § 1 Abs. 2 DSG bzw. Art. 8 Abs. 2 EMRK) und jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Öffentliche Interessen

Das Funktionieren der Staatsfunktion Gesetzgebung und insbesondere der dazu zählenden parlamentarischen Kontrolle ist ein wichtiges Ziel des allgemeinen öffentlichen Interesses eines Mitgliedstaats iSd Art. 23 Abs. 1 lit. e und h DSGVO, das eine Beschränkung der Betroffenenrechte erforderlich macht. Im Kernbereich der Staatsfunktion Gesetzgebung würde die uneingeschränkte Anwendung der DSGVO nämlich mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen, Garantien und Rechten in Konflikt geraten, die die Funktionsweise von Parlamenten sowie die parlamentarische Arbeit der gewählten Mandatar:innen gewährleisten und schützen. Insbesondere besteht eine weitreichende verfassungsrechtliche Verpflichtung zu Öffentlichkeit und Transparenz und ein besonderer Schutz parlamentarischer Berichterstattung; parlamentarische Materialien sind grundsätzlich öffentlich (vgl. Art. 32, Art. 33 und Art. 37 Abs. 3 B‑VG iVm §§ 21 f. GOG-NR). Die parlamentarische Tätigkeit der Mandatar:innen ist verfassungsrechtlich durch ihre berufliche Immunität geschützt, die gewährleistet, dass Mandatar:innen für ihre mündlichen und schriftlichen Äußerungen nur vom Parlament selbst verantwortlich gemacht werden können (Art. 57, Art. 58 und Art. 96 B-VG). Zudem gilt für Mandatar:innen das Recht auf freie Ausübung ihres Mandats (Art. 56 Abs. 1 B‑VG). In einer Güterabwägung gewichtig zu berücksichtigen ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung der Mandatar:innen. Für die freie Meinungsäußerung an sich wird in Art. 85 Abs. 1 DSGVO verlangt, dass die Mitgliedstaaten diese mit dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten durch Rechtsvorschriften in Einklang zu bringen haben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt der Meinungsäußerung in der politischen Debatte besonderes Gewicht zu, dies umso mehr wenn sie im parlamentarischen Rahmen erfolgt (vgl. das Urteil FREITAS RANGEL v. PORTUGAL vom 11.1.2022, 78873/13).

Erforderlichkeit

Festzuhalten ist zunächst, dass die DSGVO im Bereich der Parlamentsverwaltung (Art. 30 Abs. 3 bis 6 B-VG) seit jeher uneingeschränkt zur Anwendung kommt und der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde unterliegt (vgl. § 35 Abs. 2 DSG). Der weitaus größte Teil der Datenverarbeitungen im Parlament findet im Bereich der Parlamentsverwaltung statt und ist von den hier vorgenommenen Beschränkungen nicht betroffen. Diese sind nur anwendbar, soweit personenbezogene Daten für die Vorbereitung, Einbringung, Behandlung und Veröffentlichung von parlamentarischen Verhandlungsgegenständen bzw. parlamentarischen Dokumenten verarbeitet werden. Nicht erfasst sind von den Ausnahmen etwa organisatorische Belange der Parlamentsdirektion oder auch der Mandatar:innen und Klubs. Die Beschränkungen sind somit auf das unbedingt erforderliche Ausmaß des Kernbereichs der Staatsfunktion Gesetzgebung reduziert, und können daher nicht zur Umgehung der datenschutzrechtlichen Vorschriften in anderen Arbeitsbereichen als der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben genutzt werden. (Um ein plakatives Beispiel zu nennen: der Betrieb eines Adressenverlags unter dem Deckmantel der genannten Ausnahmen durch Mandatar:innen wäre natürlich unzulässig, die Beschränkung greift insofern nicht.)

In der Staatsfunktion Gesetzgebung ist die Verarbeitung personenbezogener Daten vor allem im Bereich der parlamentarischen Kontrolle unerlässlich. Hier sind insbesondere das Interpellationsrecht sowie die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen zu nennen. Diese verfassungsgesetzlichen Aufgaben können ohne Kenntnis der dazu relevanten personenbezogenen Daten nicht wahrgenommen werden (vgl. grundlegend auch VfSlg. 19.973/2015). Im Bereich der Gesetzgebung sind viele Akteur:innen auf personenbezogene Daten angewiesen: insb. die Mitglieder des Nationalrates, Ausschüsse und Unterausschüsse, Enqueten und Enquete-Kommissionen, die Funktionär:innen eines Untersuchungsausschusses – Vorsitzende:r, Verfahrensrichter:in und Verfahrensanwalt bzw. Verfahrensanwältin sowie deren Stellvertreter:innen, Ermittlungsbeauftragte:r –, die:der Präsident:in des Nationalrates und die ihr:ihm unterstehende Parlamentsverwaltung. Die parlamentarische Arbeit ist geprägt von unterschiedlichen politischen Standpunkten und Interessen.

Um die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Nationalrates und die Tätigkeit seiner Mitglieder und Organe nicht zu gefährden, ist es erforderlich, die Rechte betroffener Personen im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 DSGVO bzw. aufgrund des Gesetzesvorbehaltes in § 1 Abs. 2 und 4 DSG zu beschränken.

Festzuhalten ist, dass den Mandatar:innen grundsätzlich auch die unterstützende Tätigkeit der Mitarbeiter:innen der parlamentarischen Klubs und der parlamentarischen Mitarbeiter:innen zuzurechnen ist. Davon zu trennen sind die organisatorischen Aufgaben der parlamentarischen Klubs, die in deren eigener Verantwortung erfolgen.

Mandatar:innen bekommen – gerade im Hinblick auf ihre parlamentarische Kontrolltätigkeit, aber auch als Anregung für Initiativen im Bereich der Gesetzgebung – häufig Hinweise und Anregungen von Dritten, z.B. Bürger:innen, die personenbezogene Daten enthalten können. Die Identität dieser Informant:innen muss jedenfalls geschützt werden; teilweise erfolgt die Informationsweitergabe an Mandatar:innen auch anonym. Darüber hinaus werden häufig Medienberichte zum Anlass für Anfragen oder Anträge genommen, die ebenfalls personenbezogene Daten enthalten können und für Vorbereitungszwecke erfasst, gesammelt und ausgewertet werden müssen. Zum Zeitpunkt der Erlangung der Informationen bzw. personenbezogenen Daten ist in der Regel auch noch unklar, ob und wenn ja, in welcher Weise diese (weiter-)verarbeitet werden und ob bzw. gegebenenfalls an wen sie weitergegeben werden. Regelmäßig erweisen sich Hinweise nach weiterer Recherche als unzutreffend oder von geringerer Tragweite als von den übermittelnden Personen angenommen. Die Entscheidung, aufgrund welcher Informationen welche parlamentarischen Handlungen gesetzt werden, ist unmittelbarer Ausfluss der politischen Bewertung und Meinungsbildung der Mandatar:innen und damit besonders geschützt.

Ein vorzeitiges Bekanntwerden, ob zu bestimmten Sachverhalten Informationen erhoben werden, welche dies sind, und woher sie stammen, würde den Zweck der parlamentarischen Kontrolle gefährden. Es ist daher notwendig, die Informationspflichten gemäß Art. 13 und 14 DSGVO entsprechend einzuschränken. Die gebotenen Informationen sind in Form einer generellen Erklärung in elektronischer Form (etwa auf der Website des Verantwortlichen) zur Verfügung zu stellen. Eine Erteilung individueller, auf die konkreten Umstände bezogener Informationen wäre faktisch häufig nicht möglich. Sie würde die freie politische Meinungsbildung und deren Äußerung behindern und auf diese somit einen negativen Einfluss ausüben. Ein gelinderes Mittel als die Beschränkung auf allgemeine Informationspflichten ist daher nicht erkennbar, wenn sowohl das Vertrauen der Bürger:innen, die sich an ihre Vertreter:innen im Parlament wenden, als auch der offene parlamentarische Diskurs und die Wahl der parlamentarischen Mittel gewahrt werden sollen.

Das Recht auf Auskunft kann im Bereich der Gesetzgebung aus denselben, sowie darüber hinaus auch aus folgenden Gründen nicht unbeschränkt zur Anwendung kommen: Parlamentarische Materialien sind zum allergrößten Teil ohnedies öffentlich. Sie werden insbesondere gemäß § 23b Abs. 1 und § 23a Abs. 2 iVm § 52 Abs. 1 und 4 GOG-NR sowie § 39 GOG-NR und § 20 VO-UA auf der Parlamentswebsite veröffentlicht und sind damit für jedermann zugänglich. Eine automationsunterstützte Suche, etwa nach Namen, ist möglich. Soweit parlamentarische Dokumente und Unterlagen jedoch nicht öffentlich sind, fallen sie entweder unter den Schutz interner parlamentarischer Beratungen (vgl. z.B. § 37a Abs. 2 bis 4 GOG-NR und die Bestimmungen des InfOG) bzw. deren Vorbereitung oder ihre Zurückhaltung ist zum Schutz bestimmter öffentlicher Interessen (z.B. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder im Interesse einer wirksamen Kontrolltätigkeit) oder zum Schutz von Rechten Dritter erforderlich. Müssten Informant:innen etwa damit rechnen, dass ihre Identität im Zuge von Auskunftsanträgen aufgedeckt würde, hätte dies einen absehbaren negativen Effekt auf die Bereitschaft, Informationen über mutmaßliche Missstände an Mandatar:innen heranzutragen. Die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle würde damit geschmälert und das Erkennen gesetzgeberischen Handlungsbedarfs behindert. Das gelindeste Mittel besteht daher darin, individuelle Einsichtnahme im öffentlichen Bereich durch technische Mittel (Suchfunktion auf der Parlamentswebsite) zu ermöglichen, im vorbereitenden und geschützten Bereich jedoch das Auskunftsrecht auszuschließen.

Beim Recht auf Berichtigung ist zu beachten, dass es in der parlamentarischen Tätigkeit notwendigerweise häufig um Werturteile bzw. politische Bewertungen geht. Eine Berichtigung in Bezug auf Werturteile wäre im parlamentarischen Prozess systemwidrig und gerade auch im Lichte der bei Politiker:innen besonders geschützten Meinungsäußerungsfreiheit nicht durchführbar. Die Grenzen zwischen Unrichtigkeiten und Werturteilen sind zudem fließend, sodass eine Feststellung, was „unrichtige personenbezogene Daten“ sind, im politischen Kontext kaum möglich ist. Daher ist es erforderlich, das Recht auf Berichtigung auf Formalia, also Schreibfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten, zu beschränken. Zu darüber hinausgehenden unrichtigen oder unvollständigen personenbezogenen Daten, die veröffentlicht wurden, kann die betroffene Person jedoch eine (ergänzende) Erklärung abgeben, die ebenfalls zu veröffentlichen ist, sodass der Einwand der Unrichtigkeit von Seiten des:der Betroffenen transparent gemacht werden kann und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist. Durch diese Möglichkeit zur Stellungnahme wird ein gelinderes Mittel gegenüber einem gänzlichen Ausschluss des Rechtes auf Berichtigung eingeführt.

Parlamentarische Materialien unterliegen der sachlichen Immunität (Art. 33 B-VG iVm § 22 GOG-NR) und gelten mit ihrer Entstehung als Archivgut (§ 2 Abs. 1 Bundesarchivgutverordnung iVm Z 1 und 2 der Anlage zu § 2 Abs. 1). Eine auch nur teilweise Löschung kommt daher schon im Hinblick auf Art. 17 Abs. 3 lit. d DSGVO nicht in Betracht; im Regelfall ist die Verarbeitung zudem gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. a und b DSGVO erforderlich. Das Recht auf Löschung muss daher notwendigerweise in Bezug auf die jeweiligen internen Dokumente ausgeschlossen werden, da auch (aufwändige) Einzelfallprüfungen in aller Regel nicht zum Erfolg führen könnten. In Bezug auf veröffentlichte parlamentarische Materialien sind Löschungsanträge hingegen zulässig; dies entspricht auch der langjährigen parlamentarischen Praxis zu § 1 DSG. Ein gelinderes Mittel als die Beschränkung des Löschungsrechts auf die veröffentlichten Teile parlamentarischer Dokumente ist aufgrund der langfristigen Dokumentationserforderlichkeiten nicht denkbar.

Für das Widerspruchsrecht gelten im Wesentlichen dieselben Überlegungen wie für das Recht auf Löschung. Abweichend von Art. 21 Abs. 1 zweiter Satz DSGVO muss der Verantwortliche allfällige schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, lediglich glaubhaft machen. Dies ist darin begründet, dass die Notwendigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in parlamentarischen Prozessen sehr stark von politischen Wertungen, Kontrollinteressen etc. abhängt, weshalb ein formeller Nachweis entsprechender Gründe nicht möglich ist.

Das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung spielt infolge der notwendigen Beschränkungen der Betroffenenrechte keine gesonderte Rolle. Da das Recht auf Berichtigung nur in Bezug auf offenkundige Unrichtigkeiten gilt, wird für die Überprüfung der Richtigkeit kein längerer Zeitraum benötigt. Die Abgabe einer (ergänzenden) Erklärung führt wiederum nicht dazu, dass die betreffenden personenbezogenen Daten geändert werden, weshalb insofern auch eine Einschränkung der Verarbeitung nicht in Betracht kommt. Wenn personenbezogene Daten in veröffentlichten parlamentarischen Materialien gelöscht werden, bleibt – wie oben ausgeführt – das jeweilige Originaldokument erhalten, sodass für Art. 18 Abs. 1 lit. b und c DSGVO kein Anwendungsbereich verbleibt.

Da eine Löschung nur in Bezug auf veröffentlichte parlamentarische Materialien vorgenommen werden kann und eine gesonderte Offenlegung – über das Öffentlichmachen hinaus – nicht stattfindet, kommt auch die Mitteilungspflicht gemäß Art. 19 DSGVO insoweit nicht zum Tragen. Gleiches gilt für Berichtigungen in Bezug auf veröffentlichte Materialien.

Das Recht auf Datenübertragbarkeit ist in Bezug auf parlamentarische Materialien nicht einschlägig.

Verhältnismäßigkeit

Die gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen der Betroffenenrechte sind den wichtigen öffentlichen Interessen, die oben dargestellt wurden und aus denen sie erfolgen, angemessen. Die Funktionsweisen parlamentarischer Demokratien beruhen unter anderem ganz wesentlich auf dem Prinzip des Wettstreits der politischen Meinungen und einer effektiven Kontrolle der Exekutive durch die Parlamente. Ihnen kommt daher in der erforderlichen Interessenabwägung großes Gewicht zu. Die vorgesehenen Beschränkungen sind für die Betroffenen im Gegenzug nur von einer geringen Eingriffstiefe. Sie betreffen im Wesentlichen nur den Bereich der Vorbereitung parlamentarischer Instrumente sowie allenfalls besonderer Geheimhaltungsvorschriften. Sobald personenbezogene Daten veröffentlicht werden, stehen den Betroffenen nach der neuen Regelung geeignete Mittel zur Hand, ihre Interessen wahrzunehmen. Der Wesensgehalt der Grundrechte wird daher gewahrt.

Zu § 22b

Bei zugeleiteten Verhandlungsgegenständen (Regierungsvorlagen, Berichten der Bundesregierung und ihrer Mitglieder, Petitionen und Bürgerinitiativen, Volksbegehren, Auslieferungsersuchen etc.) hat der Nationalrat keinen Einfluss auf die darin allenfalls enthaltenen personenbezogenen Daten. Er hat diese Verhandlungsgegenstände entsprechend den verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Vergleichbares gilt für Akten und Unterlagen, die einem Untersuchungsausschuss gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG vorgelegt wurden. Diese wurden vom vorlagepflichtigen Organ als für den Untersuchungsgegenstand potentiell abstrakt relevant eingestuft. Der Untersuchungsausschuss darf sie gemäß seines verfassungsmäßigen Auftrags verwenden; nach Ende seiner Tätigkeit werden sie wieder an das vorlagepflichtige Organ zurückgestellt bzw. in Absprache mit diesem vernichtet.

Rechte von betroffenen Personen, die sich auf die übermittelten Informationen beziehen, sind in diesen Fällen daher ausschließlich gegenüber dem Urheber der jeweiligen Information geltend zu machen. Nur dieser kann beurteilen, aus welchen Gründen die Verwendung der jeweiligen Daten erforderlich ist/war bzw. inwieweit Anträgen von Betroffenen zu entsprechen ist. Der Nationalrat als Empfänger der jeweiligen Daten ist über allfällige Anpassungen unverzüglich zu informieren, damit die adaptierte Version gegebenenfalls der weiteren Behandlung zugrunde gelegt werden kann.

Zum Schutz personenbezogener Daten kann grundsätzlich auch eine Klassifizierung nach dem InfOG durch den Urheber (das übermittelnde Organ) in Betracht kommen.

Eine Weiterverarbeitung der übermittelten Informationen durch den Nationalrat oder dessen Mitglieder (z.B. Übernahme in einen Ausschussbericht oder Fraktionsbericht) ist von dieser Regelung nicht erfasst. Hier gelten die Bestimmungen für im Nationalrat entstandene Materialien. Auch bezüglich der Veröffentlichung zugeleiteter Informationen auf der Parlamentswebsite sind Betroffenenrechte gegenüber dem Nationalrat geltend zu machen (siehe § 22c).

In Einzelfällen kann es erforderlich sein, eine beim Urheber erfolgte datenschutzrechtliche Anpassung im parlamentarischen Verfahren nicht nachzuvollziehen: Dies etwa dann, wenn die ursprünglichen Dokumente benötigt werden, um einem Kontrollauftrag nachzukommen.

Zu § 22c

Zu § 47 Abs. 1

Die öffentlichen Sitzungen des Nationalrates werden in der Praxis mittels Livestream übertragen, die Aufnahmen werden in der Mediathek auch zum späteren Abruf bereitgehalten. Bisher beruhte dies auf § 14 Abs. 8 GOG-NR, nun soll dafür eine explizite gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

 

 

 

Bedeckungsvorschlag: Allfällige Mehrkosten finden im Parlamentsbudget Deckung.

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag nach Durchführung der ersten Lesung dem Geschäftsordnungsausschuss zuzuweisen.