3890/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 28.02.2024
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Gesetzlicher Ausstieg aus russischem Gas

 

Der Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine jährt sich am 24.02.2024 zum zweiten Mal. Noch am Tag des Kriegsausbruches betonte Bundeskanzler Karl Nehammer, dass Österreich „aktuell russisches Gas brauche“, aber zu hinterfragen sei „ob das für die Zukunft so schlau ist“. (1) Nach zwei Kriegsjahren lautet der erschütternde Befund, dass Österreich nach Ungarn und der Slowakei die höchste Abhängigkeit von russischem Gas in der EU hat. Während zum Zeitpunkt des Kriegsausbruches der durchschnittliche Anteil von russischem Gas an den gesamten Gasimportmengen in Österreich bei knapp 80% lag, waren es im gesamten Jahr 2023 noch immer 65% und im Dezember letzten Jahres 98%. (2) 

Wie von NEOS unermüdlich betont, hat sich die Untätigkeit der letzten Jahre und das Verharren auf russischem Gas als fatal für die Endkunden und den Standort erwiesen. 

Die Erzählung, dass Österreich von billigem russischem Gas profitiere, hält sich hartnäckig, hat sich jedoch als Mythos herausgestellt. Im ersten Halbjahr 2023 lagen sowohl die Preise bei Gas für Haushalte als auch die Preise bei Gas für Nichthaushaltkunden über dem Durchschnitt im Euroraum. Bei den Preisen für Gas für Haushalte betrug der Aufschlag in Österreich mehr als 20 Prozent. (3)

Die Inflation bei Gas für Haushalte in Österreich seit Jänner 2021 beträgt mehr als 200 Prozent und mehr als 80 Prozent seit Kriegsbeginn. Durch Zweitrundeneffekte treibt die Abhängigkeit von russischem Gas die gesamtwirtschaftliche Teuerung an und Schwankungen in der Versorgungssicherheit machen auch zukünftige Preissprünge wahrscheinlicher. (4)

       

Mit Ende des Jahres 2024 laufen die aktuellen Gastransitverträge zwischen Russland und der Ukraine aus und die Ukraine hat eine Verlängerung bereits ausgeschlossen. Darüber hinaus verlaufen die Transitpipelines durch aktives Kriegsgebiet. Eine Beendigung der Gaslieferungen ab 2024 oder gar ein abrupter Ausfall kann nicht ausgeschlossen werden. Auch könnte die russische Gazprom so wie 2022 einseitig die Lieferungen drosseln, um europäische Abnehmer:innen unter Druck zu setzen. Jeder dieser Umstände kann die nächsten Preissteigerungen am Gasmarkt auslösen. 

Während die Ukraine unzählige Todesopfer und Verletzte in Reihen der ukrainischen Streitkräfte und, gemäß Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, bereits mehr als 10.000 zivile Todesopfer beklagen muss, hat Österreich hat für russische Gasimporte im Jahr 2022 7,4 Mrd. EUR und im Jahr 2023 erneut mindestens 3,4 Mrd. EUR Blutgeld an Putin überwiesen. In einer Zeit, in der der Wirtschaftsstandort ohnedies unter Druck ist, könnten diese Mittel in den Ausbau kritischer Energieinfrastruktur oder erneuerbarer Energiequellen investiert werden. (4) (5)

Die Gründe für den Ausstieg aus russischem Gas liegen auf der Hand und die Bundesregierung ist gefordert, die richtigen Handlungen nach der bisherigen Chronologie des Scheiterns zu setzen. Während sich die Verantwortungsträger mit zwischenzeitlichen Fortschritten rühmten und Bundeskanzler Nehammer im November 2022 verlautete, „die Versprechen der Bundesregierung waren keine leeren Worte“ und „die Diversifizierung der österreichischen Gasquellen ist geglückt“ (6), sind seit Juli 2023 auch die monatlichen absoluten Mengen an russischem Gas wieder signifikant höher als im Jahr davor. Der Rückgang des Vorjahres hat sich als kurzfristige Reaktion auf den Kriegsausbruch erwiesen und strukturelle Maßnahmen, die tatsächlich die Abhängigkeit von russischem Gas beendet oder zumindest verringert hätten, wurden nicht gesetzt. Die Schuld wird bei zu geringen Anstrengungen der Akteure am liberalisierten Gasmarkt und der fixen Abnahmeverpflichtung von Gas in den Lieferverträgen zwischen OMV und Gazprom verortet.

Bundeskanzler Nehammer ließ ein Jahr nach Kriegsbeginn damit aufhorchen, dass er keinen Einblick in die OMV-Gazprom Verträge habe. (7) Ein paar Tage zuvor hatte er im Rahmen, der von NEOS initiierten Sondersitzung zum einjährigen Kriegsausbruch erklärt, es sei Verantwortung der Bundesregierung, zu wissen, „was tatsächlich in diesen lange Abnahmeverpflichtungen drinnen steht“. Zudem wies der Kanzler darauf hin, dass aktuell geprüft werde, ob die Möglichkeiten dazu über den parlamentarischen Weg eines Gesetzes gegeben seien. (8) Ein Jahr später wird über den Inhalt der OMV-Gazprom Verträge noch immer spekuliert und die Untätigkeit in dieser Sache anscheinend zur politischen Doktrin erklärt.

Die fahrlässige Passivität der letzten zwei Jahre macht den Ausstieg aus den Verträgen nicht einfacher. Im Jahr 2022 hat Gazprom einseitig die Liefermengen reduziert und damit schwere Turbulenzen am Gasmarkt ausgelöst. Dies wäre nach Einschätzung von Experten ein guter Zeitpunkt gewesen, die Lieferverträge aufgrund eines „erschütterten Vertrauensverhältnisses“ außerordentlich zu kündigen. (9) Österreich harrte der Dinge und ist das einzige westeuropäische Land, das seine langfristigen Lieferverträge wegen des Lieferausfalls entweder nicht gekündigt - oder keine rechtlichen Schritte gegen Gazprom gesetzt hat. (10)

Die Europäische Union hat sich mittels des RePowerEU-Plans vorgenommen, die Abhängigkeit von russischen Öl- und Gasimporten bis 2027 zu beenden. Andere Mitgliedsstaaten haben durch entschlossene Schritte bereits dafür gesorgt, dass der Anteil der pipelinegebunden Gasimporte aus Russland von über 40% im Jahr 2021 auf etwa 8% im Jahr 2023 fiel. (11) In der Trilog-Einigung zur Europäischen Gasmarktverordnung, die voraussichtlich im April 2024 im EU-Parlament abgestimmt wird, wird den Mitgliedsstaaten eine Möglichkeit zum Ausstieg aus russischem Gas gegeben, indem ihnen das Recht eingeräumt wird, die Vorabgebote für Kapazitäten durch einzelne Netznutzer an Einspeisepunkten aus der Russischen Föderation oder aus Belarus zu begrenzen. (12) Die Regierung ist gefordert, diese Möglichkeit zum Anlass zu nehmen um proaktiv den Ausstieg aus russischem Gas auf Schiene zu bringen. Der richtige Zeitpunkt für den Ausstieg war bereits vorgestern und anstelle von weiteren Absichtserklärungen, Studien und Evaluierungen müssen endlich politische Entscheidungen getroffen werden. Im Sinne der leidgeprüften Bevölkerung der Ukraine, im Sinne einer handlungsfähigen aktiven Außenpolitik und im Sinne einer finanziellen Entlastung für die Menschen in Österreich.

 

(1) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220224_OTS0174/nationalrat-bundeskanzler-nehammer-und-vizekanzker-kogler-verurteilen-russische-angriffe-auf-die-ukraine
(2) BMK (2024): Unabhängigkeit von russischem Gas. https://energie.gv.at/hintergrund/unabhaengigkeit-von-russischem-gas
(3) Eurostat: Preise Gas für Haushaltskunden; Preise Gas für Nichthaushaltskunden
(4)  NEOS Lab (2024): Russisches Gas: 3 Gründe für den raschen Ausstieg. https://lab.neos.eu/blog/russisches-gas-3-gruende-fuer-den-raschen-ausstieg#politische-anfaelligkeit-und-erpressbarkeit
(5) https://press.un.org/en/2024/sc15580.doc.htm
(6) Die Volkspartei (2022): Keine leeren Worte: Abhängigkeit von russischem Gas drastisch reduziert. https://www.dievolkspartei.at/Keine-leeren-Worte-Abhaengigkeit-von-russischem-Gas-drastisch-reduziert
(7) Die Presse (2023): OMV-Gazprom-Verträge: Die heißeste Kartoffel der Republik. 02.03.2023
(8) Stenographisches Protokoll der 200. Sitzung des Nationalrats vom 24. Februar 2023
(9) Salzburger Nachrichten (2024).
Jurist: Ausstieg aus OMV-Gasverträgen wird immer schwieriger
(10) Atlantic Council, 2023
(11) 
https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/eu-gas-supply/
(12) Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the internal markets for renewable and natural gases and hydrogen (recast) 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie, wird aufgefordert, das Gaswirtschaftsgesetz 2011 dahingehend zu ändern, dass eine stufenweise Beendigung russischer Erdgasimporte bis 2027 bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungssicherheit gewährleistet wird.  Damit einhergehend muss auch der Ausstieg aus dem OMV-Gazprom Liefervertrag eingeleitet werden."  

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.