Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm (JN), das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG), das Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof (OGHG), die Zivilprozessordnung (ZPO) und die Exekutionsordnung (EO) geändert werden
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Jurisdiktionsnorm
Das Gesetz vom 1. August 1895, über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm – JN), RGBl. Nr. 111/1895, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 61/2022, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 8a wird folgender § 8b eingefügt:
„§ 8b. (1) (Verfassungsbestimmung) Durch Bundesgesetz kann die Verwendung der englischen Sprache in näher zu bestimmenden Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen vorgesehen
(2) Verfahren in Handelssachen können vor dem Handelsgericht Wien in englischer Sprache geführt werden, sofern die Parteien eine Vereinbarung gemäß § 104a geschlossen haben.
(3) Wird das Verfahren in erster Instanz in englischer Sprache geführt, gilt Abs. 2 sinngemäß für alle Instanzen.“
2. § 104a erhält die Bezeichnung § 104b.
3. Nach § 104 wird folgender § 104a eingefügt:
„§ 104a. (1) In Handelssachen, für die das Handelsgericht Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetztes in erster Instanz zuständig ist oder von den Parteien gemäß § 104 zuständig gemacht wird, können die Parteien die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache vereinbaren. Die Vereinbarung hat nur dann rechtliche Wirkung, wenn sie sich auf einen bestimmten Rechtsstreit oder auf die aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringenden Rechtsstreitigkeiten bezieht. Die Vereinbarung kann in deutscher oder englischer Sprache getroffen werden.
(2) Die Vereinbarung nach Abs. 1 muss spätestens zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung urkundlich nachgewiesen oder vor Gericht geschlossen werden. Erfolgt spätestens zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung ein übereinstimmender Antrag der Parteien auf Delegierung an das Handelsgericht Wien nach § 31a Abs. 1, so können die Parteien zugleich eine Vereinbarung nach Abs. 1 schließen.
(3) Eine Vereinbarung nach Abs. 1 zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ist dem Verbraucher gegenüber rechtsunwirksam. Dies gilt nicht für Vereinbarungen, die erst nach Entstehen der Rechtsstreitigkeit geschlossen werden.“
Artikel 2
Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes
Das Gesetz vom 27. November 1896, womit Vorschriften über die Besetzung, innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassen werden (Gerichtsorganisationsgesetz – GOG), RGBl. Nr. 217/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 77/2023, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 30 Abs. 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
„(4) In Verfahren in Handelssachen sind beim Handelsgericht Wien eine oder mehrere Gerichtsabteilungen einzurichten, in denen Verfahren in englischer Sprache geführt werden können.“
2. Dem § 46 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„(3) Beim Oberlandesgericht Wien sind eine oder mehrere Senatsabteilungen einzurichten, in denen Verfahren in englischer Sprache geführt werden können.“
Artikel 3
Änderung Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof
Das Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968, zuletzt geändert durch BGBl. I 112/2007, wird wie folgt geändert:
In § 5 Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:
„Beim Obersten Gerichtshof sind ein oder mehrere Senate zu bilden, in denen Verfahren in englischer Sprache geführt werden können.“
Artikel 4
Änderung der Zivilprozessordnung
Das Gesetz vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung – ZPO), RGBl. Nr. 113/1895, zuletzt geändert durch BGBl. I 77/2023, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 252 wird folgender § 253 samt Überschrift eingefügt:
„Verfahren in englischer Sprache
§ 253. In den Fällen des § 8b Abs. 2 und 3 JN ist das gesamte Verfahren in englischer Sprache zu führen.
Es gelten folgende besondere Bestimmungen:
1. Sofern mehrere Personen unter den Voraussetzungen der § 11 ff gemeinschaftlich klagen oder geklagt werden, ist das Verfahren nur dann in englischer Sprache zu führen, wenn für alle Streitgenossen die Voraussetzungen nach § 104a JN vorliegen.
2. Eine Streitverkündung (§ 21 Abs. 1) hat eine Belehrung in deutscher Sprache über das Recht des Dritten zu enthalten, binnen 14 Tagen eine Übersetzung der Streitverkündung in die deutsche Sprache zu verlangen.
3. Das Gericht kann aus besonderen Gründen, etwa bei sprachlicher Komplexität, für einzelne Teile des Verfahrens einen Dolmetscher beiziehen. Die Protokollierung hat dennoch in englischer Sprache zu erfolgen.
4. Urteile und verfahrenserledigende Beschlüsse sind in englischer und deutscher Sprache abzufassen und gemeinsam auszufertigen.
5. Das Mahnverfahren ist in englischer Sprache zu führen, wenn die Vereinbarung nach § 104a JN bereits mit der Klage urkundlich nachgewiesen wird. Für Mahnverfahren in englischer Sprache mit Hilfe automationsunterstützter Datenverarbeitung gelten die §§ 250 f.“
2. In § 298 wird nach Abs. 2 folgender Absatz 2a eingefügt:
„(2a) Nicht in der Verfahrenssprache vorgelegte Urkunden kann das Gericht ohne Übersetzung zulassen, wenn alle Parteien zustimmen.“
3. Dem § 616 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„(3) Die Parteien können die englische Sprache als Verfahrenssprache in Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof vereinbaren, wenn das Schiedsverfahren in englischer Sprache geführt wird oder geführt worden ist. Die Vereinbarung muss urkundlich nachgewiesen werden.“
Artikel 5
Änderung der Exekutionsordnung
Das Gesetz vom 27. Mai 1896, über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO). RGBl. Nr. 79/1896, zuletzt geändert durch BGBl. I 136/2023 wird wie folgt geändert:
Dem § 389 wird folgender Absatz 4 angefügt:
„(3) Liegt eine Vereinbarung für die Führung des Verfahrens in der Hauptsache in englischer Sprache vor (§ 104a JN), ist auch das Verfahren über einen Antrag auf einstweilige Verfügung in englischer Sprache zu führen. Die Entscheidung über den Sicherungsantrag ist in englischer und deutscher Sprache abzufassen. In besonders dringenden Fällen kann die einstweilige Verfügung vorerst nur in einer Sprache ausgefertigt werden; in diesem Fall hat sie eine Übersetzung des Spruches in die andere Sprache zu enthalten. Die volle Ausfertigung in der anderen Sprache hat unverzüglich zu folgen. Erst mit ihrer Zustellung beginnt die Frist für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe.“