3921/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 28.02.2024
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möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher,
Genossinnen und Genossen
betreffend dringende Maßnahmen gegen den Pflegepersonalnotstand
Geschlossene Stationen[1] und unbelegte Betten[2] weil das Pflegepersonal fehlt, und Dienstpläne die kaum noch erstellt werden können, sobald nur eine einzige Person einmal erkrankt, ist in Österreich längst bittere Realität. Die Situation in Österreichs Gesundheitssystem wird schlechter. Deutlich schlechter. Für Patientinnen und Patienten ebenso, wie für das gesamte Gesundheitspersonal. Im Besonderen für das Pflegepersonal.
Täglich denken 45% aller Beschäftigten in der Pflege ans Aufhören. Der Grund: Druck, Stress, fehlende Planbarkeit. Allesamt Ausflüsse aus dem vorhandenen Personalengpass.
Die letzten erhobenen Zahlen verdeutlichen diese dramatische Entwicklung: österreichweit sind 2775 Spitalsbetten gesperrt – das sind um über 1.000 Betten mehr als im gesamten AKH Wien mit 1732 zur Verfügung stehen[3].
Aber auch in der Langzeitpflege ist die Situation kein bisschen besser: Die letzten Zahlen, die zum Beispiel aus Oberösterreich zur Verfügung stehen, belegen, dass exakt 1319 von 12.798 Pflegeheimbetten 2022 wegen Pflegepersonalmangel gesperrt waren[4].
Zwischen Krankjammern und Schönreden: die Zahlen liegen auf dem Tisch und lügen bekanntlich nicht. Derzeit beziehen rund 470.000 Menschen in Österreich Pflegegeld und rund 950.000 erwachsene Menschen in Österreich sind in der Familie von Pflege und Betreuung betroffen. Somit kümmern sich derzeit schon rund 10% der Gesamtbevölkerung Österreichs entweder zu Hause oder in stationären Einrichtungen um einen pflegebedürftigen Menschen!
Diese Zahlen werden auf Grund der demographischen Entwicklung noch weiter steigen. Bis zum Jahr 2050 ist in Österreich mit einem Anstieg auf 750.000 pflegebedürftige Menschen zu rechnen, der Anteil an über 80-Jährigen in Österreich wird dann schon bei 11,5% der Gesamtbevölkerung liegen.
Bis 2050 werden in der Pflege bzw. Betreuung aufgrund von Pensionierungen und der demografischen Entwicklung knapp 200.000 Personen an zusätzlichem Personal benötigt. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Pflegepersonalbedarfsprognose der Gesundheit Österreich. Stellt man die derzeitige Zahl der abgeschlossenen Ausbildungen im engeren Pflegebereich und den Bedarf bis 2050 gegenüber, ergibt sich eine "Lücke" von rund 2.000 bis 3.000 Personen pro Jahr.
Gesundheits- und Krankenpflege ist ein wirklich sinnvoller, interessanter und spannender Beruf. Befragungen zeigen, dass die Berufsangehörigen ihre Arbeit gerne machen. Woran es mangelt, sind gute Arbeitsbedingungen. Diese müssen massiv verbessert werden. Gute Arbeitsbedingungen sind die beste Werbung für Pflegeberufe. Attraktive Arbeitsplätze sorgen dafür, dass sich interessierte Menschen für die Pflegeberufe entscheiden und dafür, dass die Berufsangehörigen ihren Beruf über viele Jahre zufrieden und bei guter Gesundheit ausüben können und wollen. Davon profitieren auch die Menschen, die Pflege benötigen.
Aber gerade in diesem Bereich ist die schwarz/grüne Regierung viel schuldig geblieben. Die wenigen gesetzten Maßnahmen wurden schlecht umgesetzt: Boni, die nie im versprochenen Ausmaß am Konto landeten, eine sogenannte „Entlastungswoche“, die für den Großteil der Beschäftigten nicht zur Anwendung kommt, Entgeltzuschüsse, die befristet sind – alles schlecht ausgeführt und teils gar wirkungslos. Die Wirkungslosigkeit zeigt sich darin, dass der höchste Zuwachs bei arbeitslosen Personen und AMS-Schulungsteilnehmer:innen nach Branchen im Jänner 2024 im Gesundheits- und Sozialwesen mit 16,2 Prozent stattfand. Das Gegenteil von dem also, was wir im Angesicht eines derartigen Mangels an Pflegepersonal brauchen würden.
Im Gegenteil: in der monatelang vorbereiteten Rede des Bundeskanzlers, die die ÖVP noch dazu mit dem Namen „Plan“ taufte, wurde das große Problem der Pflege beinahe völlig vergessen. Ein einziger Absatz, knapp fünf Zeilen wurden der Pflege und dem Pflegepersonal gewidmet. Die einzige Antwort der ÖVP: mehr Menschen aus dem Ausland holen. Keine einzige Maßnahme zur Verbesserung der Berufsbedingungen. Kein einziges Wort der Wertschätzung.
Die Leermeldung der ÖVP wird einzig von der FPÖ unterschritten. Während das Personal in der Pflege längst am Zahnfleisch unterwegs ist, immer mehr Menschen auf Teilzeit umstellen, weil sie nicht mehr können und allesamt klagen, dass ihnen die Planbarkeit und Entlastung fehlt hat die FPÖ eine Idee: „Macht doch mehr Überstunden.“ An Stelle einer guten Bezahlung sollen Überstunden steuerlich begünstigt werden. An Stelle von Überlegungen, wie man mehr Personen wieder für den Pflegeberuf begeistern kann, soll aus den erschöpften Leuten einfach noch mehr rausgepresst werden.
Die Diagnose ist alarmierend: Die qualitativ hochwertige Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Österreich ist gefährdet. Die wirksame Therapie liegt auf der Hand: Bessere Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer:innen und für pflegebedürftige Menschen.
Die zentrale Arbeitsbedingung ist ausreichend Personal. Es braucht eine bedarfsgerechte Personalausstattung in allen Einrichtungen. Ausreichend Personal bedeutet ausreichend Zeit für jeden begleiteten MenschenEine gute Personalausstattung erhöht die Dienstplansicherheit und vermindert das belastende Einspringen aus der Freizeit. Planbare Arbeits- und Freizeit ist einer der häufigsten Wünsche, der von Berufsangehörigen geäußert wird.
Die hohen Belastungen sollen perspektivisch durch schrittweise Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich gemildert werden. Arbeitszeitreduktion vermindert die Arbeitszeitverluste und trägt damit zur Sicherung des Leistungsniveaus bei. Die durchgängige Einführung einer zusätzlichen Urlaubswoche ist eine weitere Maßnahme zur Arbeitszeitreduktion.
In der Pflege arbeiten über 80% Frauen. Das Pensionsantrittsalter der Frauen steigt ab 2024 schrittweise bis 2033 auf 65 Jahre an. Die physischen und psychischen Belastungen nehmen ständig zu. Für Basismitarbeiter:innen sind die beruflichen Belastungen mit zunehmenden Alter immer schwerer zu schaffen. Ein verbesserter Zugang zur Schwerarbeitspension ist daher dringend umzusetzen.
Damit künftig ausreichend Personal zur Verfügung steht, müssen Menschen für diesen Beruf gewonnen werden. Gute Arbeitsbedingungen, aber auch ausreichend Ausbildungsplätze und eine attraktive Ausbildung sind dafür die Voraussetzungen.
In diesem Zusammenhang ist die Vernachlässigung des Pflegebereichs durch die schwarz/grüne Regierung besonders auffällig, wenn man ihn mit der öffentlichen Sicherheit vergleicht. Polizeischüler:innen befinden sich während ihrer zweijährigen Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Sie werden derzeit mit 2.300 Euro brutto pro Monat (14x im Jahr) entlohnt und sind voll sozialversichert. Seit kurzem bekommen sie auch das Klimaticket (Gegenwert monatlich ca. 100 Euro) gratis dazu. Im Pflegebereich wird seitens des Bundes seit zwei Jahren ein sogenannter „Ausbildungsbonus“ von sechshundert Euro (12 x im Jahr, ohne jegliche Sozialversicherung) bezahlt und die Fachhochschulbeiträge in der Höhe von rund 400 Euro pro Semester müssen von den Studierenden auch noch zusätzlich bezahlt werden.
Auf Grund des Pflegepersonalnotstandes muss sofort gehandelt werden. Ausbildungsplätze müssen in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt und die Ausbildung muss kostenfrei gestellt werden! Es kann doch nicht sein, dass wir einerseits händeringend Personal suchen, und gleichzeitig Fachhochschulbeiträge für die Ausbildung von diplomiertem Pflegepersonal verlangen. Außerdem sollen alle, die eine Pflegeausbildung machen, nach dem Vorbild der Ausbildung von Polizeischüler:innen, während dieser Ausbildung bezahlt werden, sozialversichert sein und das Klimaticket gratis erhalten. Um möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, eine Pflegeausbildung zu ergreifen, sollte allen ein fixer Arbeitsplatz nach der Ausbildung garantiert werden.
Nur durch eine echte Personaloffensive wird es möglich sein, für alle Pflegebedürftigen die notwendigen Pflege- und Betreuungsleistungen im ausreichenden Ausmaß auch zur Verfügung stellen zu können. Die Untätigkeit und das grob-fahrlässige „In-Kauf-Nehmen“ der Verschlechterungen in der Versorgung der Pflegebedürftigen muss endlich ein Ende haben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort eine umfassende Pflegepersonaloffensive zu starten und insbesondere folgende Maßnahmen zu setzen:
· Ausbildungsplätze um zusätzlich mindestens 3.000 Plätze erhöhen und die Finanzierung dafür bereitstellen
· Fachhochschulstudienbeiträge für diesen Studienzweig werden vom Bund übernommen
· Bezahlung eines Ausbildungsgehalts (inklusive Sozialversicherung) und Klimaticket für alle Auszubildenden – nach dem Vorbild der Polizeischüler:innen
· Arbeitsplatzgarantie nach absolvierter Ausbildung sicherstellen
· Arbeitsbedingungen verbessern, insbesondere durch Personalbedarfsplanung, Dienstplansicherheit, schrittweise Arbeitszeitreduktion, durchgängige zusätzlich Urlaubswoche,
· Zugang zur Schwerarbeitspension ermöglichen.“
Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss
[1] https://vorarlberg.orf.at/stories/3190019/
[2] https://www.sn.at/salzburg/politik/pflegepersonal-fehlt-leere-betten-in-salzburger-krankenhaeusern-110513752
[3] Landesweit 2.775 Spitalsbetten gesperrt - oesterreich.ORF.at
[4] Bettensperren - Wie prekär ist die Lage in unseren Pflegeheimen? | krone.at