3972/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.03.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend „Schwarz-blaue Fehler reparieren, Bevölkerung wirksam vor Gewalt schützen und Täterkarrieren stoppen!“

 

In den letzten Wochen haben mehrere Gewaltfälle die Öffentlichkeit erschüttert. Das Entsetzen über diese Taten ist groß. Vor allem das junge Alter der Täter macht betroffen. Die unmittelbare politische und mediale Aufarbeitung mündete alsbald in der Forderung rechtskonservativer und rechter Parteien, das Strafmündigkeitsalter von Jugendlichen von 14 auf 12 Jahre zu senken. Bundeskanzler Nehammer will dem Ruf der FPÖ folgen, sodass künftig auch Kinder weggesperrt werden können. Dabei wird vergessen, dass die verheerende schwarz-blaue Politik im Bereich der Polizei, der Justiz, der Kinder- und Jugendagenden sowie in der Sicherheitspolitik dorthin geführt hat, wo Österreich heute steht. Die jüngsten Fälle zeigen besonders deutlich, dass zahlreiche wichtige Maßnahmen und Institutionen unter schwarz-blauen Regierungen zerstört wurden. Dazu zählen beispielsweise:

 

-       Schließung des Jugendgerichtshofs,

-       Abschaffung der Fallkonferenzen,

-       Kaputtsparen der Polizei,

-       Zerschlagung wirksamer Integrationsmaßnahmen,

-       Finanzielle Austrocknung der Justiz über Jahrzehnte,

-       Misswirtschaft von Schwarz-Blau im Gesundheitssystem insbesondere in der kinderpsychiatrischen Betreuung,

-       Kürzungen bei Sozialarbeit und sozialpädagogischer Angebote für Kinder und Jugendliche,

-       Ignoranz gegenüber der Forderung nach Studienplätzen für soziale Arbeit,

-       Vernachlässigung der Koordinationstätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe durch die Familienministerin.

 

Der Plan der Senkung der Strafmündigkeit reiht sich also in eine Liste des Versagens ein, ist nachweislich nicht sinnvoll und stellt eine Fortsetzung falscher Politik dar. Anstatt aber ihre eigene Verantwortung für Verschlechterungen im Gewalt-, Opfer und Jugendschutz zu erkennen, versuchen sich Blau und Schwarz nun mit populistischen Forderungen zu überbieten.

 

Dabei ist klar: Die Senkung der Strafmündigkeit von Jugendlichen wird die Gewaltbereitschaft und die Deliktshäufung bei jungen Burschen nicht beseitigen. In der Vergangenheit konnte bereits wiederholt und eindeutig gezeigt werden, dass der abschreckende Effekt von Gefängnisstrafen im Sinne eines kriminalpräventiven Ansatzes bei Kindern und Jugendlichen nicht vorhanden ist. Hierfür müsste schon im Vorfeld aufkommende Frauenfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt an jungen Mädchen und Gewaltverherrlichung generell durch Kinder und Jugendliche verhindert werden. Zudem führt der Vorschlag, diese in jungen Jahren einzusperren, in eine frühzeitige Kriminalkarriere, die sich ein Leben lang fortsetzen wird und oftmals in Radikalisierung beziehungsweise einem Leben ohne Perspektiven mündet. Dabei bestünde bei Jugendlichen dieses Alters noch eine extrem hohe Chance, durch sozialpädagogische und psychiatrische Maßnahmen eine Verbesserung zu erzielen und diese so zu wertvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft werden zu lassen. Auch Kriminalsoziolog:innen, Richter:innen, Kinder- und Jugendanwält:innen, Richterpräsident:innen sowie Kinderrechtsexpert:innen äußern sich aus diesen Gründen klar gegen ein Einsperren von unter 14-jährigen sowie gegen die Senkung des Strafmündigkeitsalters. In ganz Österreich findet sich kein einziger Experte, keine einzige Expertin, die den Vorschlag von ÖVP und FPÖ gutheißt.

 

Der populistische, aber wirkungslose Vorschlag der FPÖ und des Bundeskanzlers hätte fatale Folgen und bietet keinen echten Schutz für die Bevölkerung. Ein positiver gesamtgesellschaftlicher Effekt ist so nicht erreichbar. Dabei müssten gerade jetzt schwarz-blaue Fehler umgehend repariert, umfassende Strategien zur Vermeidung von Gewalt und Straftaten umgesetzt und endlich der Fokus auf einen wirksamen Opferschutz gelegt werden.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket vorzulegen, mit dem sie schwarz-blaue Fehler bei der Prävention von Jugendkriminalität repariert, die Gesellschaft wirksam schützt und mit zukunftsweisenden Maßnahmen für weniger Jugendkriminalität sorgt, statt Verbrecherkarrieren zu fördern. Dazu zählen auf jeden Fall folgende Maßnahmen:

 

Schutz von Opfern

o   Ausbau und Verstärkung der individuellen Opferbetreuung (juristisch, psychosozial, gesundheitlich);

o   Ausbau und Verstärkung des individuellen Schutzes von Opfern beispielsweise durch Annäherungs- bzw. Kontaktverbote für Täter, die auch wirksam überwacht werden;

o   Etablierung eines engmaschigen Betreuungsnetzes sowie von österreichweit einheitlichen Fallkonferenzen für Jugendliche unter Einbeziehung von Polizei, Kinder- und Jugendhilfe, Opferschutzeinrichtungen und allfälliger weiterer relevanter Player;

o   Gewaltambulanzen in jedem Bundesland - in diesen Ambulanzen soll durch Expert:innen für Gewaltdelikte möglichst früh geholfen, richtig versorgt und beraten werden können; diese Ambulanzen haben die Aufgabe Beweise zu sichern und damit die Aufklärungs- und Verurteilungsquote zu erhöhen sowie den Opfern durch ordentliche Beweissicherung mehrfache Aussagen zu ersparen;

 

Schutz vor Tatbegehung bzw. Tatwiederholung

o    Die Wiedereinrichtung des Jugendgerichtshofs bzw. von Jugendkompetenzzentren auf Ebene der Landesgerichte;

o    Bundesgesetzliche Einführung und Finanzierung von kleinstrukturierten sozialpädagogischen bzw. psychiatrischen Wohngemeinschaften für 12 bis 14-jährige mit Ausgangsbeschränkungen als ultima ratio, in denen eine 24-Stunden-Betreuung zur Verfügung steht und zwar außerhalb des strafrechtlichen Systems;

o   Rücknahme von Kürzungen bei der finanziellen Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfe sowie sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität, um Interventionen in prekäre Familienverhältnisse zu ermöglichen und Eltern von gewaltbereiten Jugendlichen stärker in die Pflicht zu nehmen;

o   Ausbau von Resozialisierungsprogrammen für junge Straftäter;

 

Allgemeine Maßnahmen

o   Klarer Fahrplan zur Korrektur des verabsäumten Personalaufbaus bei der Polizei;

o   Ausbau und Finanzierung der Kinder- und Jugendpsychiatrie

o   Unterlassene Maßnahmen für mehr Fachkräfte umsetzen (bspw. bei den Sozialarbeiter:innen, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, von Psycholog:innen, in der Sozialpädagogik etc.);

o   Einrichtung eines permanenten Krisenstabes unter Einbeziehung von Expert:innen der Kinder- und Jugendhilfe, von Polizei und Justiz, Opferschutzeinrichtungen und der sozialen Jugendarbeit;

 

Prävention

o   Flächendeckendes Angebot der gewaltpräventiven Zusammenarbeit von Polizei und Sozialarbeit mit allen Bildungseinrichtungen sowie regelmäßige Schwerpunktaktionen mit Fokus „Jugendbanden“;

o   Die Zurverfügungstellung und bundesweite Finanzierung des Auf- und Ausbaus multiprofessioneller Teams inklusive Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort, um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden;

o   Pflicht-Ausbildung und Sensibilisierung in Sachen Kinder- und Jugendschutz für alle betroffenen Berufsgruppen sowie mit entsprechenden Ressourcen ausgestattete Kinderschutzteams in allen pädagogischen Einrichtungen (Umsetzung des BVG-Kinderrechte);

o   österreichweite massive Aufstockung und faire Verteilung der Studienplätze „Soziale Arbeit/Sozialpädagogik“, ein Schwerpunktausbau im Fachbereich „Schulsozialarbeit“ und die Öffnung des Arbeitsfeldes für Quereinsteiger:innen;

o   Ausbau der Burschenarbeit in Bildungseinrichtungen und in der aufsuchenden Sozialarbeit, Fair Play Teams in allen Bezirken einrichten und finanziell ausstatten – unter Berücksichtigung besonderer Formate für Burschen mit Migrationshintergrund;

o   Ausbau digitaler Grundbildung, beziehungsweise der Medienkompetenz und Maßnahmen gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt im Internet.

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss