4054/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 16.05.2024
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Julia Herr, Elisabeth Feichtinger, BEd, BEd, Dietmar Keck,
Genossinnen und Genossen
betreffend wissenschaftliche Grundlage zur Beurteilung des Erhaltungszustandes des Wolfes
Der zwischenstaatliche Vertrag über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Übereinkommen von Bern), der am 1. Juni 1982 in Kraft getreten ist, dient der Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, insbesondere der Arten, für deren Erhaltung die Zusammenarbeit mehrerer Staaten notwendig ist. Im April 2024 umfasst das Übereinkommen 50 Vertragsparteien, darunter alle EU-Mitgliedstaaten. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle geeigneten Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensräume wildlebender Pflanzen und Tiere zu treffen.
Die ursprüngliche Einstufung von Tierarten in Anhang II (streng geschützte Tierarten) oder III (geschützte Tierarten) beruhte auf den wissenschaftlichen Daten, die zum Zeitpunkt der Aushandlung des Übereinkommens im Jahr 1979 verfügbar waren, sowie auf den vom Europäischen Naturschutzausschuss im Rahmen des Europarats erstellten Listen der in Europa bedrohten Säugetiere, Vögel, Amphibien und Reptilien. In Artikel 1 Absatz 2 des Übereinkommens heißt es: „Besondere Aufmerksamkeit gilt den gefährdeten und den empfindlichen Arten“.
Der Wolf (Canis lupus) ist seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens im Jahr 1982 in dessen Anhang II (streng geschützte Arten) aufgeführt, denn er galt lange Zeit in Mitteleuropa und somit auch im Alpenraum als ausgestorben, in Österreich bis 2005.
Das vermehrte Auftreten von Einzeltieren und immer mehr auch von Rudeln führt zu Nutzungskonflikten – insbesondere der Alm und Weidewirtschaft sowie Jagd und Tourismus.
Sogenannte „Problemwölfe“ können aufgrund der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen bejagt werden. Verordnungen der Länder, in denen der Wolf gesichtet wurde, legen die entsprechenden Kriterien fest. Hinsichtlich des Herdenschutzes in all seiner Vielfalt und der Entschädigungszahlungen bei Verlusten von Herdentieren gibt es unterschiedliche Konzepte in den Bundesländern, eine verlässliche und ausreichende Finanzierung dieser Instrumente ist dringend notwendig.
In einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union zur Vorlage von Vorschlägen zur Änderung der Anhänge II und III des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume im Hinblick auf die Tagung des Ständigen Ausschusses des Übereinkommens zu vertretenden Standpunkt schlägt die Europäische Kommission aktuell eine Senkung des Schutzniveaus für Wölfe vor. So soll beim Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Übereinkommen von Bern) seitens der Kommission der Antrag eingebracht werden, den Wolf von der Liste der streng geschützten Tierarten (Anhang II) zu streichen und ihn stattdessen in die Liste der geschützte Tierarten (Anhang III) aufzunehmen.
Diesem Vorschlag ist eine nicht unumstrittene Konsultation mit eigener Datenerhebung durch die EU-Kommission vorangegangen. Erst Ende 2022 waren Daten durch die zuständige „Large Carnivore Initiative for Europe“ (LCIE; eine Arbeitsgruppe der Weltnaturschutzunion IUCN) erhoben worden.
In der Erhebung der LCIE wird differenziert dargestellt, wie sich die Wolfspopulationen in den Mitgliedsstaaten entwickelt haben und welchen Gefahren die Populationen aktuell ausgesetzt sind. Der Erhaltungsstatus habe sich demnach verbessert und wäre in einer numerischen Gesamtbetrachtung über alle regionalen Unterschiede hinweg positiv. Gleichzeitig wird die mangelnde Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten als zentrales Problem des Wolfs-Managements benannt und die drohenden Gefahren für eine neuerliche Verringerung des Bestands aufgezeigt.
Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie setzte sich im Februar 2023 in einem offenen Brief mit elf weiteren Umweltminister:innen für die Beibehaltung des Schutzes des Wolfs ein, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft startete im Gegenteil eine Initiative mit anderen Landwirtschaftsminister:innen, den Schutzstatus zu senken.
Zum Vorhaben der EU-Kommission liegt eine einhellige Länder-Stellungnahme vom 21.2.2024 vor, in der der Vertreter bzw. die Vertreterin Österreichs im Rat aufgefordert wird, dem Vorschlag der Kommission vom 20. Dezember 2023, COM (2023) 799 final, zuzustimmen.
In einer Information an den EU-Ausschuss des Bundesrates äußerte sich das BMK zurückhaltend zu diesem Vorschlag und wies auf die Handlungsoptionen im bestehenden Rechtsrahmen hin und unterstrich die Notwendigkeit einer ausreichenden Daten- und Faktenlage und den Umstand, dass auch eine allfällige Änderung des Schutzstatus zu keiner Verschlechterung des Erhaltungszustandes führen dürfe.
Seitens Artenschutzorganisationen wird in der Debatte auch auf die Funktion von Beutegreifern für das natürliche Ökosystem hingewiesen, da diese etwa einen Beitrag zur Gesundheit des Wildbestandes leisten können und zu einer Stabilisierung der Artenvielfalt beitragen können.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert,
- eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben, die zusätzlich zur Erhebung der Anzahl der in Österreich dauerhaft ansässigen Wölfe ihre konkreten Verbreitungsgebiete innerhalb Österreichs erfasst, sowie eine Analyse beinhaltet, wie sich die dokumentierten Populationen innerhalb der nächsten (zwei) Jahre entwickeln könnten, sowie aufzeigt, welche Auswirkungen die Anwesenheit des Wolfes auf die Artenvielfalt in seinem Lebensraum hat. Zusätzlich soll diese Studie wissenschaftlich fundiert feststellen, welche Größe des Wolfsbestands auch regional notwendig ist, damit der Erhaltungszustand des Wolfes nicht mehr gefährdet ist und konkrete Vorschläge aufzeigen, wie die notwendige Zusammenarbeit und derzeit fehlende Abstimmung, die Koexistenz und Schutzmaßnahmen umfasst, zwischen den angrenzenden Staaten und Österreich gestaltet sein sollte.
- auf eine ausreichende Dotierung von Präventions- und Entschädigungsmaßnahmen in Abstimmung mit den Bundesländern hinzuwirken.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.