4059/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 16.05.2024
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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muna Duzdar,

Genossinnen und Genossen

betreffend: Das „Meine-Zeitung-Abo“ als neues Förderinstrument für mehr Medienvielfalt

Der österreichische Medienstandort ist in Bedrängnis: Von 2010 bis 2020 ist die Zahl der Leser:innen von Tageszeitungen deutlich zurückgegangen: von 73,7% auf 58,3% und zuletzt auf 52,7% im Jahr 2023. Selbst der Marktführer, die auflagenstarke Kronen Zeitung, verlor von 2010 bis 2020 mehr als ein Drittel ihrer Leser:innenschaft. Heute sind nur etwa die Hälfte aller in Österreich vertriebenen Tageszeitungen kostenpflichtige Ausgaben über Abonnements oder am Kiosk. Insgesamt sank die Zahl der Tageszeitungen über die Jahre kontinuierlich auf nur noch 12 Tageszeitungen Ende 2023.

Die Erosion der Leser:innenschaft ging einher mit einem kontinuierlichen Rückgang der Werbe­einnahmen, der vor allem auf den Abfluss an internationale Plattformen zurückzuführen ist. 2023 war ein Kipppunkt für TV, Radio, Zeitungen und Magazine in Österreich, die großteils mit Werbung ihre Inhalte finanzieren. Internationale Digitalkonzerne wie Alphabet, Meta, Bytedance und Amazon haben erstmals höhere Werbebuchungen in Österreich lukriert als klassische Medien. Gleich um zehn Prozent haben die Werbebuchungen bei internationalen Digitalkonzernen 2023 gegenüber 2022 zugelegt. Werbung bei klassischen Medien indes ging in Österreich um 2,4 Prozent zurück.

Zwischen 2006 und 2018/2019 reduzierte sich die Anzahl der Vollzeit tätigen Journalist:innen um ein Viertel. 2019 waren ein Drittel der Journalist:innen über 50 Jahre alt und nur ein Zehntel unter 30. Es lässt sich also zusammenfassen: Auflagen und Anzeigenerlöse in Österreich sind deutlich eingebrochen, die Medienkonzentration ist nach wie vor hoch und die Medienvielfalt sinkt. Dazu kommt – vor allem im Rundfunkbereich – ein starker Einfluss des wesentlich größeren deutschen Marktes. Außerdem hat sich das Mediennutzungsverhalten durch die Digitalisierung massiv verändert und fehlen nach wie vor Modelle zur Monetarisierung digitaler Angebote.[1]

Die Demokratie braucht mehr nicht weniger Journalismus

Öffentliche Debatten über politische, soziale und kulturelle Themen sind essentiell für eine funktionierende Demokratie. Medien tragen daher eine besondere politische Verantwortung. Das Funktionieren einer liberalen Demokratie setzt nämlich voraus, dass mündige Bürgerinnen und Bürger gut informiert werden. Darüber hinaus können durch investigative Berichterstattung Missstände, Korruption und Machtmissbrauch aufgedeckt werden. Medienberichte tragen zur Transparenz bei, indem sie Informationen über politische Entscheidungsprozesse, öffentliche Ausgaben und andere relevante Themen bereitstellen. Wie wichtig es ist, dass Medien ihre Rolle als Public Watchdog erfüllen können, zeigen einige Untersuchungen. Eine Studie aus den USA macht deutlich: Ohne lokale Medien steigt die Korruption: Wenn lokale Zeitungen schließen, steigt die Wirtschaftskriminalität.[2] Andere Studien belegen das Steigen der Kreditkosten von Kommunen, da die lokalen Regierungen weniger Rechenschaft über ihre Entscheidungen ablegen müssen, oder dass, wenn weniger Reporter:innen ein Gebiet abdecken, weniger Menschen für das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin kandidieren und weniger Menschen wählen gehen.[3]

Aktuell nimmt auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in Medien ab. Falschinformationen und Propaganda erschweren die Arbeit seriöser Journalist:innen. Welchen Informationen kann man in Zeiten sozialer Medien noch trauen? Täglich werden wir mit widersprüchlichen oder unbestätigten Inhalten überflutet. Die rasante Verbreitung von Fake News ist eine der verheerenden Folgen der Digitalisierung. Sie hat die Medienwelt massiv verändert. Wir brauchen daher mehr und nicht weniger Journalismus. Dieser fördert den öffentlichen Diskurs und ermöglicht es verschiedenen Standpunkten, gehört zu werden. Insgesamt trägt Journalismus dazu bei, die Grundprinzipien der Demokratie zu stärken und die Bürger:innen zu ermächtigen. Neue, innovative journalistische Modelle spielen dabei in Österreich eine geringere Rolle als in anderen europäischen Staaten. In Spanien z.B. haben die Medienbranche und der Journalismus unter der Wirtschaftskrise von 2008 massiv gelitten. Dies führte zum Zusammenbruch mehrerer Medien und massiven Arbeitsplatzverlusten im Journalismus, aber gleichzeitig war dies der Ausgangspunkt für eine experimentelle Start-up-Phase. Rund 3.000 neue journalistische digitale Medien, sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene, die oft von verschiedenen Gemeinschaften getragenen werden, entstanden in den 2010er Jahren.[4]

Neue Unterstützungsmodelle zur Förderung der medialen Vielfalt

Der Journalismus ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Insgesamt verändert sich im digitalen Raum die Art und Weise, wie Nachrichten produziert, verbreitet und konsumiert werden. Innovationen spielen in diesem Prozess eine Schlüsselrolle. Die zunehmende Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz, die Suche nach alternativen Geschäftsmodellen und Einbindungs­möglichkeiten des Publikums und der Einfluss sozialer Medien prägen das aktuelle Nachrichten-Ökosystem. Journalismus ist gezwungen, sich kontinuierlich an neue Phänomene anzupassen und (neu) zu erfinden.

Das bisherige System der Medienförderung hat diesem veränderten Mediensystem kaum Rechnung getragen und Innovation nicht unterstützt, im Gegenteil. Oftmals wurde der Eintritt neuer Marktteilnehmer durch massive staatliche Unterstützung bereits etablierter Player erschwert. Innovative Online-Journalismus-Projekte oder Podcast-Plattformen wurden beispielsweise lange nicht gefördert. Dies änderte sich erst ab 2020 durch die von der Stadt Wien geförderte "Wiener Medieninitiative“, die gezielt journalistische Innovationsprojekte unabhängig vom Vertriebsweg mit einer Anschubfinanzierung unterstützt. Der Bund blieb allerdings in dieser Richtung großteils säumig.

Es braucht daher neue Modelle zur Unterstützung der österreichischen Medienlandschaft und des kritischen Journalismus zur Ermächtigung der Bevölkerung auch im Kampf gegen Fake News, die bestehende Förderinstrumente ergänzen. Seit einiger Zeit diskutiert werden – von Medienpolitikern und auch in der Wissenschaft – beispielsweise geförderte Abo-Modelle oder Medien-Voucher.[5] Dabei wird entweder das Abschließen von Abonnements von staatlicher Seite gefördert oder werden von der Bevölkerung Medien-Voucher an Medienunternehmen vergeben. Dadurch können mittels Bürger:innen-Entscheid bestimmte Summen aus Steuermitteln einzelnen Medienunternehmen zugewiesen werden. In Frankreich wurde in der Vergangenheit auch mit Steuerrückvergütungen experimentiert oder wurden verpflichtende Abos ohne Auswahlmöglichkeit an Schüler:innen verteilt. Die bisher bekannten Modelle haben jedoch den Nachteil, dass sie entweder nur Besserverdienenden nutzen (Steuerrückvergütung) oder keinen direkten Nutzen für die Bevölkerung bringen (Media Voucher, der nach Präferenz der Bevölkerung an Medienunternehmen ausgezahlt wird, jedoch keine direkte Leistung an Einzelne bedeutet.)

Das „Meine-Zeitung Abo“ für alle zwischen 16 und 30 Jahren

Wir schlagen daher ein neuartiges Abo-Modell für alle zwischen 16 und 30 Jahren vor. Jeder und jede Österreicher:in innerhalb der Altersgrenzen soll die Möglichkeit bekommen, jährlich ein Abo für ein Medium seiner oder ihrer Wahl abzuschließen. Die Kosten dafür werden vom Bund getragen. Ob es sich dabei um ein analoges Medium auf Papier oder ein digitales, um eine etablierte Tageszeitung oder digitales Start-up handelt, ist unwesentlich. Es werden 150 Euro im Jahr auf ein persönliches Konto gebucht, diese Summe steht für das Abo maximal zur Verfügung. Das Geld wird dann direkt dem ausgewählten Medium ausbezahlt. Um auf die Liste der auswählbaren Medien zu kommen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Die Beurteilung, ob die Kriterien erfüllt sind, übernimmt ein Beirat. Die Mitglieder des Beirates sind fachlich und medienunabhängig und repräsentieren eine breite Expertise aus den Bereichen Journalismus, Medienforschung, Medienökonomie und Media-Literacy. Die detaillierte Umsetzung des Abo-Modells ist in Kooperation mit der Branche auszuarbeiten, der bürokratische Aufwand möglichst gering zu halten. Die Finanzierung soll durch eine Zweckwidmung der Digitalsteuer erfolgen.

Die ausgewählten Medien sollen einen Beitrag zu politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Debatten in Österreich leisten und beispielsweise folgende Kriterien erfüllen: Redaktionsbetrieb, eigenständig gestaltete und recherchierte Beiträge, Redaktionsstatut, Frauenförderpläne, Qualitätssicherungssystem, hauptberuflich tätige Journalist:innen entlohnt nach Kollektivvertrag, Einhaltung von Mindesthonoraren für freie Journalist:innen, Einhaltung journalistischer Grundsätze und Anerkennung des „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ des Presserats, klare Kennzeichnung von bezahlten Inhalten etc. Ausgeschlossen werden sollen demokratiefeindliche Medien und Medien mit wiederholt gerichtlichen Verurteilungen.

Mit einem solchen neuen Abonnementmodell wollen wir

Þ                den Medienstandort Österreich stärken

Þ                den Menschen in unserem Land den Zugang zu Information und Bildung erleichtern

Þ                die Medienkompetenz der Bevölkerung fördern

Þ                innovative journalistische Projekte besonders unterstützen

Þ                die Medienvielfalt steigern.

Zentraler Fokus auf Innovation durch eigene Förderschienen

Einen besonderen Fokus legen wir mit unserem Abo-Modell auf die Förderung journalistischer Innovation, sei es Datenjournalismus oder die Nutzung künstlicher Intelligenz, Faktenchecking, Podcasts, Social-Media-Integration, gemeinnütziger oder kollaborativer Journalismus. Dafür sollen auch die Teilnahmebedingungen an die besonderen Voraussetzungen von Startups und innovativen journalistischen Projekten angepasst werden. Dadurch wird sichergestellt, dass im Sinne einer Vielfalts- und Gründungsförderung auch kleine, wohl zumeist digitale Projekte durch ein Abo förderbar sind, auch wenn sie (noch) nicht alle Kriterien erfüllen. Neue journalistische Projekte sollen gezielt um Unterstützer:innen werben können und diese überzeugen, ein Abo bei ihnen abzuschließen. Bürger:innen können so neue journalistische Formate ausprobieren, ihren Horizont erweitern und ihre Medienkompetenz stärken, ohne dass ihnen daraus Kosten entstehen. Das Meine-Zeitung-Abo soll die Medienförderung demokratisieren: Medien werden gefördert, indem die Leserschaft ermächtigt wird, eine selbstbestimmte Medienauswahl zu treffen. So soll es gelingen, zu mehr Medienvielfalt zu kommen und den Medienstandort Österreich zukunftsfit zu machen. Und das wiederum nutzt der Demokratie und Mitbestimmung in Österreich.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Vorlage für ein staatlich finanziertes Abo-Modell für alle zwischen 16 und 30 Jahren zur Unterstützung des Medienstandortes Österreich und Steigerung der Medienvielfalt vorzulegen, um den Menschen in unserem Land den Zugang zu Information und Bildung zu erleichtern und die Medienkompetenz der Bevölkerung zu fördern. Ein besonderer Fokus soll dabei auf innovative journalistische Projekte gelegt werden.“

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.



[1] Quelle zur Situation der Medien in Österreich: Andy Kaltenbrunner, Renée Lugschitz, Matthias Karmasin: Country report Austria: difficult departure from the comfort zone, in: Innovations in Journalism. Comparative Research in Five European Countries, herausgegeben von Klaus Meier, Jose A. García-Avilés, Andy Kaltenbrunner et al, Routledge 2024, S. 37-48 und zu den Werbeeinnahmen: Der Standard 18.01.2024.

[2] Ein Interview mit dem Studienautor Jonas Heese, Professor an der Harvard-Universität (USA), ist z.B. hier zu finden: https://www.kleinezeitung.at/kultur/medien/6120796/Ergebnisse-von-USForschern_Studie_Ohne-lokale-Medien-steigt-die Korruption.

[3] Vgl. Guy Rolnik, Julia Cagé, Joshua Gans, Ellen Goodman, Brian Knight, et al.: Protecting Journalism in the Age of Digital Platforms. Committee for the Study of Digital Platforms - Media Subcommittee Report, George J. Stigler Center for the Study of the Economy and the State; The University of Chicago Booth School of Business, 2019.

[4] Innovations in Journalism. Comparative Research in Five European Countries, herausgegeben von Klaus Meier, Jose A. García-Avilés, Andy Kaltenbrunner et al, Routledge 2024, S. 2.

[5] Siehe zB Guy Rolnik, Julia Cagé et al.