Eingebracht am 16.05.2024
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr.in Petra Oberrauner, Genossinnen und Genossen
betreffend Österreich muss die Rahmenbedingungen für die Innovations- und Technologietreiber, KI und Weltraumtechnik verbessern!
Forschung und Innovation sind von fundamentaler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit Österreichs als Hightech-Standort. Sie sind die Voraussetzung für eine vitale Volkswirtschaft mit wettbewerbsfähigen Unternehmen und für die erfolgreiche Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, wie den Klimawandel und die digitale Transformation. Spitzenforschung und innovative Unternehmen sind dabei auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, zu denen neben einem leistungsfähigen Fördersystem, mit langfristigen Strategien und ausreichenden Fördermitteln auch (heimisches) Risikokapital und gut ausgebildete Fachkräfte zählen.
Gerade jedoch bei den wichtigen Innovations- und Technologietreibern, KI und Weltraumtechnik, muss Österreich diese Rahmenbedingungen dringend verbessern, will es nicht seine ursprünglich gute Ausgangsposition in diesen Bereichen verspielen.
Im Bereich der KI-Grundlagenforschung droht Österreich trotz vorhandenem Knowhow und weltweit anerkannter Spitzenkräfte den Anschluss zu verlieren. Während viele EU-Länder bereits in den Jahren 2018 und 2019 umfassende nationale KI-Strategien veröffentlichten, stellte Österreich erst 2021, mit drei Jahren Verspätung und als eines der letzten EU-Länder, eine Strategie vor, die von Anfang an bei heimischen wie internationalen KI-Experten wegen fehlender Fördergelder und Zielvorgaben keine Anerkennung fand. Deutschland stellt beispielsweise für die Umsetzung seiner KI-Strategie allein bis 2025 5 Mrd. € bereit. Die Niederlande, an Bevölkerung gerade einmal doppelt so groß wie Österreich, hat 2 Mrd. € in die Hand genommen, um ein KI-Ökosystem aufzubauen und das mit 10,5 Mio. Einwohnern knapp gleichgroße Schweden steckt 500 Mio. € in die KI-Grundlagenforschung. Die Österreichische KI-Strategie kündigte 2021 hingegen lediglich Fördermittel in Höhe von 7 Mio. € an. Zwar wurden in Folge noch zusätzliche Förderinitiativen, wie die AI Mission Austria gestartet, aus der die KI-Grundlagenforschung weitere 1,9 Millionen € im Jahr erhalten soll, an der grundlegenden Unterfinanzierung im Vergleich zu anderen EU-Staaten ändert dies jedoch nichts.[1]
Das Brookling Institut, ein US-amerikanischer Thinktank, der die weltweite KI-Forschung analysiert, reihte Österreich 2022 als „aufstrebendes KI-Land“ neben Mexiko und Uganda ein.[2] Neben den Investitionen in die KI-Forschung analysierte das Institut zudem die KI-Strategien von 34 Staaten auf ihre Ambitioniertheit– wobei Österreich den vorletzten Platz belegte. Zum Bereich Datenmanagement lautet das Fazit beispielsweise:“The third cluster features countries [darunter Österreich] that are low in everything other than data privacy. […] We speculate that these countries are significantly less mature in their AI development and do not yet see its full value.”[3]
Es ist daher unbedingt notwendig, die bestehende KI-Strategie dahingehend zu überarbeiten, dass sie die durchaus gute, aber stark fragmentierte und kleinteilig strukturierte KI-Forschung in Österreich besser vernetzt und mit ausreichenden und vor allem nachhaltigen Finanzierungszusagen versieht, damit der Standort gesichert und für Fachkräfte attraktiver wird.
Neben dem geringen Budget und einer unzureichenden nationalen KI-Strategie wird die österreichische KI-Forschung von drei weiteren Herausforderungen ausgebremst, mit denen der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Österreich aber insgesamt zu kämpfen hat. Zum einen müssen die Antragsverfahren für die Förderung von Forschungsprojekten vereinfacht und beschleunigt werden, um sie insbesondere an so schnelllebige Bereiche wie die KI-Entwicklung anzupassen. "Bis hier Förderanträge durchgehen, ist man von der "Konkurrenz überrannt", kritisiert beispielsweise der KI-Spitzenforscher Sepp Hochreiter das österreichische Fördersystem. Außerdem braucht es mehr Förderinstrumente, die darauf ausgelegt sind, Vernetzungen in der Forschung attraktiv zu machen und eine wirklich nachhaltig synergetische Verbindung zwischen österreichischer Spitzenforschung im Bereich der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung zu schaffen.
Zudem fehlt es in Österreich an Risikokapital, insbesondere an heimischem Risikokapital. So investieren die Innovationsspitzenreiter der EU relativ zum BIP fünfmal mehr Risikokapital als Österreich.[4] Der ehemalige Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) kritisiert in seinem Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2023, dass Österreich sich im langjährigen Vergleich mit den Innovationsspitzenreitern in Europa nicht nur nicht verbessern konnte, sondern seit 2014 sogar zurückfällt. Während das durchschnittliche Niveau der Risikokapitalintensität der Innovationsspitzenreiter 2014 bereits bei 0,42 % und 2021 bei 0,8 % lag, erreichte Österreich 2021 ein durchschnittliches Niveau von 0,15%.[5] Weder stellt der Staat ausreichendes Risikokapital zur Verfügung, aber auch, dass insbesondere heimische Unternehmen in die Grundlagenforschung in Österreich investieren, wie es zuletzt KTM mit der Unterstützung für Hochreiters Nxai getan hat, kommt leider viel zu selten vor.
Ein weiteres Hemmnis für die KI-Forschung, wie für die IKT-Branche insgesamt, ist der Mangel an ausgebildeten Expert:innen. Laut einer aktuellen Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), fehlen der österreichischen Wirtschaft aktuell bis zu 28.000 IT-Fachkräfte, allein 12.000 davon fehlen Unternehmen in der IT-Branche. Daraus resultiert ein Wertschöpfungsverlust von bis zu 4,9 Mrd. € pro Jahr oder 175.000 € pro unbesetzte Stelle.[6]
Der RFTE erklärt in seinem Leistungsbericht 2023, dass Österreich im EU-weiten Vergleich der zur Verfügung stehenden MINT-Fachkräfte lediglich auf dem 15 Rang liegt und sich Österreich auch speziell bei den IKT-Fachkräften tendenziell schwächer entwickelt als die Innovationsspitzenreiter oder selbst der EU-Durchschnitt. Besonders hervorzuheben ist hier auch der geringe Anteil an weiblichen Absolventen und Fachkräften. Egal ob Softwareentwicklung, IT-Sicherheit oder KI, in allen Bereichen stellen Frauen ein potentielles Reservoir an Arbeitskräften dar, das in Österreich noch nicht ausreichend genutzt und gefördert wird. So ist für den RFTE die niedrige Zahl an IKT-Absolventinnen ein gewichtiger Schwachpunkt im österreichischen FTI-System.[7] Der Frauenanteil unter den IKT-Fachkräften lag laut DESI 2022 mit 19,3% nur knapp über dem EU-Durchschnitt.[8]
Im Weltraumsektor ist Österreich in Wirtschaft wie Wissenschaft ein achtbarer Akteur. Mehr als 200 österreichische Unternehmen agieren im Raumfahrtbereich, einige zählen auf ihrem Gebiet zu den Weltmarktführern und technologischen Vorreitern. Doch auch hier gefährdet Österreich seinen bislang guten Stand durch eine zu geringe Forschungsförderung.
Der Weltraumsektor zählt heute zu den weltweit dynamischsten und innovativsten Forschungsbereichen, der durch hohen Wettbewerb, steigende Investitionen und wichtige Übertragungseffekte in andere Wissenschafts- und Wirtschaftsbereiche geprägt ist. So ist sie die Quelle vieler Technologien, die heute aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken sind. Wettervorhersagen, Fernsehen, Telekommunikation oder Navigation im Verkehrsbereich wären ohne sie nicht möglich. Auch für Klima-, Umweltschutz und Nachhaltigkeit stellt die Weltraumforschung wichtige Schlüsseltechnologien zur Verfügung. Verlässliche Wetterdaten, Erdbeobachtung, Analysen von Gletscher- oder Küstenveränderungen sowie Prognosen von Umweltkatastrophen sind von präziser satellitengestützter Observation und Datengewinnung im All abhängig.
Während Länder wie Belgien, Luxemburg oder die Schweiz, ihre Investitionen in den Weltraumsektor in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert haben, hat Österreichs sein finanzielles Engagement bei der ESA 2019 massiv zurückgefahren. Stellte die Regierung 2016 für die ESA-Wahlprogramme noch 113 Mio. € für die Budgetperiode 2017-2019 bereit, wurde das Budget 2019 für die folgenden drei Jahre auf 92 Mio. zusammengestrichen. 2022 wurden die Beiträge für die Jahre 2023-2025 dann zwar wieder erhöht. Sie fallen mit 115 Mio.€ aber nur um 2 Mio.€ höher aus als die Beiträge von 2017- 2019. Damit steht Österreich bei der Finanzierung von ESA-Programmen gemessen am BIP nur noch an 16. Stelle, hinter Ländern wie Tschechien, Ungarn und Slowenien, während Länder wie Belgien und Luxemburg das Fünffache zu den Wahlprogrammen beitragen.[9] Zwar hat das BMK im November 2023 angekündigt, das Budget 2023-2025 noch um 30 Mio.€ auf 145 Mio.€ aufzustocken. Aber auch damit bleibt Österreich weit hinter den von den heimischen Raumfahrtunternehmen geforderten 200 Mio.€ zurück.
Da die ESA aber ihre wichtigen Forschungs- und Entwicklungsaufträge an Unternehmen entsprechend der Höhe der jeweiligen Beiträge ihrer Herkunftsländer vergibt, bedeutet dies, dass Österreichs Weltraumfirmen, aufgrund des relativen Beitragsrückgangs, vom zentralen Auftraggeber in Europa weniger berücksichtigt werden und wichtige Projekte stattdessen an die Konkurrenz aus den anderen Mitgliedsländern verlieren. Das bedeutet erhebliche finanzielle Einbußen für die betroffenen Unternehmen aber auch einen Verlust an Entwicklungsmöglichkeiten, denn wenn Unternehmen Produkte für wichtige ESA-Missionen entwickeln, können sie diese später auch auf dem freien Markt anbieten und von einem Multiplikationsfaktor von 7 bis 10 durch Folgeaufträge profitieren.[10]
Es ist daher dringend erforderlich, dass Österreich seine Beiträge erheblich steigert, um nicht den Anschluss zu verlieren und bei den anstehenden technologisch wegweisenden ESA-Projekten, wie dem Mondstation Lunar Gateway und dem EU-Satellitennetzwerk IRIS, wieder verlorenen Boden gegenüber den anderen Mitgliedsländern gut zu machen.
Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Rahmenbedingungen für die Innovations- und Technologietreiber KI und Weltraumtechnik in Österreich durch die folgenden Maßnahmen zu verbessern:
· die Überarbeitung der bestehenden KI-Strategie hin zu einer Roadmap für den Wirtschaftsstandort Österreich im Bereich Forschung und Entwicklung, mit dem Ziel den Standort so attraktiv zu machen, dass die Abwanderung von KI-Spitzenforscher:innen, IKT-Absolvent:innen und IT-Unternehmen verhindert wird und internationale Fachkräfte (zurück-) geholt werden können, dazu zählt:
o eine entsprechende Aufstockung des Fördervolumens, darunter mindestens 32 Millionen € zusätzlich für die KI-Grundlagenforschung,
o die Bildung eines Forschungszentrums, das sowohl eigene Grundlagenforschung betreibt, aber auch die Aufgabe hat, die zwar sehr gute, aber fragmentierte österreichische Grundlagenforschung synergetisch zu bündeln und diese mit der Wirtschaft zu vernetzen sowie institutionsübergreifende Infrastrukturbeschaffungen und entsprechende nationale und europäische Initiativen zu koordinieren (bspw. Aufbau/Zurverfügungstellung gemeinsamer GPU-Cluster, etc.) und auch Leistungen für die Öffentliche Verwaltung (z.B. nationale GPT-Sprachmodelle) bereitzustellen,
· die zur Verfügungsstellung von Risikokapitalfinanzierungen (bis hin zu Beteiligungen der öffentlichen Hand bei besonders risikogeneigten Forschungsförderungen),
· die effiziente und kurzfristige Abwicklung von Förderungsanträgen sowie den raschen und unbürokratischen Fluss von Fördergeldern (one-stop-shop) unter Zusammenarbeit aller Förderstellen und -agenturen,
· bundesweit flächendeckende Angebote an Informatikklassen in der Sekundarstufe II und die Aufstockung von Ausbildungsplätzen im Bereich Lehramt Informatik und Digitale Grundbildung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen,
· die verstärkte Initiierung und Förderung von Projekten, die jungen Frauen nach abgeschlossener Schul- bzw. Lehrlingsausbildung, durch entsprechenden Schulungs- und Praktikaangebote die Möglichkeit geben, sich digitale Kompetenzen anzueignen und digitale Berufe kennenzulernen,
· das Schaffen von Anreizen für Universitäten und Fachhochschulen, den Anteil weiblicher Studierender in ihren IKT-Studiengängen zu erhöhen,
· eine nachträgliche Aufstockung der österreichischen Beiträge für die ESA-Wahlprogramme der Budgetperiode 2023-2025, auf 200 Mio. € und eine, von diesem Niveau ausgehende, langfristige Aufstockung der ESA-Beiträge ab der nächsten Budgetperiode 2026-2028.“
In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie ersucht.
[1] https://science.orf.at/stories/3218860/
[2] https://www.brookings.edu/articles/how-countries-are-leveraging-computing-power-to-achieve-their-national-artificial-intelligence-strategies/
[3] https://www.brookings.edu/articles/a-cluster-analysis-of-national-ai-strategies/
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000195383/es-braucht-eine-neue-forschungsf246rderung
[5] https://fti-monitor.forwit.at/docs/pdf/L100012.pdf
[6] https://www.wko.at/ktn/information-consulting/unternehmensberatung-buchhaltung-informationstechnologie/it-fachkraeftemangel-fuehrt-zu-wertschoepfungsverlust
[7] https://fti-monitor.forwit.at/docs/pdf/L100012.pdf
[8] DESI 2023 lndicators: https://digital-decade-desi.digital-strategy.ec.europa.eu/ datasets/desi/charts/desiindicators?
indicator=desi lb3&breakdown=total&period=desi 2023&unit=pc ict spec&country=AT
[9] https://www.profil.at/wissenschaft/weltraumforschung-kritik-an-oesterreichs-laxem-engagement-bei-der-esa/402322581
[10] https://futurezone.at/science/raumfahrt-nasa-esa-beitrag-oesterreich-beyond-gravity-tttech-terma-peak-industries-auftraege/402498090