4067/A XXVII. GP
Eingebracht am 16.05.2024
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möglich.
ANTRAG
der Abgeordneten Michaela Steinacker, Elisabeth Pfurtscheller, Meri Disoski, Agnes Sirkka Prammer,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG) erlassen wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Bundesgesetz über die Förderung von Gewaltambulanzen (Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz – GewaltAFG)
Ziele
§ 1. Gewaltambulanzen sollen zur Erkennung von Gewalt und zur Aufklärung gewalttätiger Übergriffe beitragen, eine qualitätsvolle Befundung und Unterstützung der von Gewalt betroffenen Personen sicherstellen und dem Schutz der von Gewalt betroffenen Personen vor weiteren gewaltsamen Übergriffen dienen. Spuren und andere Beweise sollen gesichert, aufbewahrt und möglichst so aufbereitet werden, dass sie in allfälligen Verfahren als Beweismittel verwertbar sind.
Förderung und Aufgaben
§ 2. (1) Der Bund, vertreten durch die Bundesministerin beziehungsweise den Bundesminister für Justiz, gemeinsam mit den für Frauen, für Familie, für Inneres, für Gesundheit und/oder Wissenschaft zuständigen Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern, ist ermächtigt, geeignete Betreiber, die eine Gewaltambulanz eingerichtet haben oder eine solche einrichten, zu fördern, wenn sich diese verpflichten, zumindest folgende Leistungen zu erbringen:
1. Personen, die von körperlicher Gewalt oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung betroffen sein können, gerichtsmedizinisch zu untersuchen und deren Verletzungen und bezughabende Spuren am sowie im Körper und an Gegenständen, wie etwa der Bekleidung, ausführlich zu dokumentieren,
2. die Spuren und andere Beweise zu sichern, aufzubewahren und möglichst so aufzubereiten, dass sie in allfälligen Verfahren als Beweismittel verwertbar sind,
3. die von Gewalt betroffenen Personen über Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten zu informieren, insbesondere über notwendige medizinische Abklärung und Behandlung sowie die Betreuung durch Opferhilfe- und Gewaltschutzeinrichtungen sowie psychologische, psychotherapeutische und rechtliche Beratung,
4. Ansprechstelle für Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal zu sein sowie die nach § 8e Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957, eingerichteten Kinder- und Opferschutzgruppen zu unterstützen,
5. ihre Tätigkeit nachvollziehbar zu dokumentieren und
6. an einer Evaluierung mitzuwirken.
Zum Zwecke der Erreichung der in § 1 angeführten Ziele hat die nähere Determinierung dieser Aufgaben im Fördervertrag zu erfolgen.
(2) Die genannten ärztlichen Leistungen sind durch Fachärztinnen bzw. Fachärzte für Gerichtsmedizin und, nur wenn solche vorerst nicht zur Verfügung stehen, durch speziell geschulte Ärztinnen bzw. Ärzte unter gerichtsmedizinischer Aufsicht zu erbringen. Alle anderen in der Gewaltambulanz tätigen Personen gelten im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht als ärztliche Hilfspersonen. Alle Leistungen der Gewaltambulanzen sind den betroffenen Personen unentgeltlich sowie unabhängig von einer Anzeige oder einem behördlichen Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Datenverarbeitung
§ 3. (1) Die Fördernehmer sind ermächtigt, die unter Abs. 2 genannten personenbezogene Daten zu verarbeiten, um von Gewalt betroffene Personen, die Leistungen der Fördernehmer in Anspruch nehmen, durch Informationsbereitstellung vor weiteren gewaltsamen Übergriffen zu schützen, sowie durch Spuren- und Beweissicherung zur gerichtlichen Aufklärung gewalttätiger Übergriffe beizutragen.
(2) Die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten nach diesem Bundesgesetz umfasst die mit einem gewalttätigen Übergriff in Zusammenhang stehende Verarbeitung personenbezogener Daten der
1. von Gewalt betroffenen Personen,
2. Personen, die für einen gewalttätigen Übergriff ursächlich waren.
(3) Folgende personenbezogene Daten der unter Abs. 2 genannten Personen dürfen zu den in Abs. 1 genannten Zwecken verarbeitet werden:
1. Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Kontaktdaten, Erstsprache und weitere gebrauchte Sprachen sowie
2. Informationen über gewalttätige Übergriffe, aufgrund derer von Gewalt betroffene Personen die Leistungen der Fördernehmer in Anspruch nehmen, einschließlich Gesundheitsdaten, Daten zum Sexualleben, genetische Daten und biometrische Daten nach Art. 9 sowie Daten über Straftaten nach Art. 10 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, zuletzt berichtigt durch ABl. Nr. L 74 vom 04.03.2021 S. 35.
(4) Die Verarbeitung muss
1. im öffentlichen Interesse liegen, gewaltsame Übergriffe zu verhindern oder zu ahnden und zu diesem Zweck Spuren und Beweise zu sichern und
2. auf Daten eingeschränkt werden, die zur Information der Betroffenen, sowie zur Feststellung und Ahndung eines gewaltsamen Übergriffs benötigt werden.
(5) Die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist zulässig, wenn
1. die Verarbeitung zur Erreichung der in Abs. 1 genannten Zwecke unbedingt erforderlich ist und
2. das öffentliche Interesse an der Verarbeitung zur Erreichung der in Abs. 1 genannten Zwecke erheblich ist und
3. wirksame Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen getroffen werden.
(6) Die Ermächtigung nach Abs. 1 bezieht sich auch auf personenbezogene Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, gemäß Art. 10 DSGVO. Die Verarbeitung solcher Daten darf nur im Fall unbedingter Erforderlichkeit erfolgen und ist schriftlich zu dokumentieren.
(7) Die Fördernehmer sind für die Datenverarbeitung Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO.
(8) Nach Abs. 1 verarbeitete personenbezogene Daten sind unverzüglich zu löschen, sofern sie zur Wahrnehmung der in Abs. 1 genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind. Gesicherte Spuren sind jedenfalls nach zehn Jahren zu vernichten, alle anderen personenbezogenen Daten sind jedenfalls nach maximal 20 Jahren ab Erhebung zu vernichten. Bei Opfern, die zur Zeit der von ihnen angegebenen Tatbegehung minderjährig waren und die zum Untersuchungszeitpunkt das 28 Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 58 Abs. 3 Z 3 StGB), beginnen die angeführten Fristen zur Vernichtung gesicherter Spuren bzw. anderer personenbezogener Daten erst mit Vollendung des 28. Lebensjahres zu laufen.
(9) Die Fördernehmer sind ermächtigt, die unter Abs. 2 Z 2 genannten Daten in anonymisierter Form zu Zwecken der Begleitforschung zu verarbeiten und diese für die in § 4 vorgesehenen Berichte sowie die Evaluierung den Fördergebern bzw. von diesen hierzu beauftragten Dritten zu übermitteln.
(10) Solange und insoweit dies zum Schutz einer Person im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder zur Erreichung der in Abs. 1 genannten Zwecke erforderlich ist, insbesondere für die Dauer der Durchführung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO, finden die in den Z 1 bis 7 aufgezählten Rechte einer Person im Sinne des Abs. 2 Z 2 keine Anwendung:
1. Recht auf Information (§ 43 DSG, Art. 13 und 14 DSGVO),
2. Recht auf Auskunft (§ 1 Abs. 3 Z 1 und § 44 DSG, Art. 15 DSGVO),
3. Recht auf Berichtigung (§ 1 Abs. 3 Z 2 und § 45 DSG, Art. 16 DSGVO),
4. Recht auf Löschung (§ 1 Abs. 3 Z 2 und § 45 DSG, Art. 17 DSGVO),
5. Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (§ 45 DSG, Art. 18 DSGVO),
6. Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) sowie
7. Recht auf Benachrichtigung von einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten (§ 56 DSG und Art. 34 DSGVO).
Berichte und Evaluierung
§ 4. (1) Die Fördernehmer haben den fördergebenden Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern jährlich über ihre Tätigkeit, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen im vergangenen Kalenderjahr einen schriftlichen Bericht zu übermitteln.
(2) Zur Überprüfung der Zielerreichung nach § 1 soll die Tätigkeit jedes Fördernehmers im Sinn dieses Gesetzes evaluiert werden.
Inkrafttreten
§ 5. Dieses Bundesgesetz tritt mit 01.09.2024 in Kraft.
Vollziehung
§ 6. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind die für Justiz, für Frauen, für Familie, für Inneres, für Gesundheit und/oder Wissenschaft zuständigen Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesminister betraut.
Begründung
I. Allgemeiner Teil
Im Rahmen des Maßnahmenpakets der Bundesregierung gegen Gewalt soll als weiterer wichtiger Schritt des Gewaltschutzes und der Gewaltprävention der Abschluss von Förderverträgen mit Betreibern von Gewaltambulanzen ermöglicht werden.
Gerade in Strafverfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum ist die möglichst frühe und fundierte Objektivierung von Verletzungen ein zentrales Beweisthema. Aussagekräftige gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten können die Verurteilungswahrscheinlichkeit merkbar erhöhen. Bei den derzeit bestehenden Projekten zur Dokumentation von Verletzungen bei Gewaltopfern, nämlich der klinisch forensischen Untersuchungsstelle des Diagnostik- und Forschungs-Instituts für Gerichtliche Medizin der MedUni Graz, der Forensischen Kinder- und Jugenduntersuchungsstelle FOKUS im AKH Wien, der Toolbox für Ärztinnen und Ärzte sowie einer Initiative der Österreichischen Gesellschaft für Kinderschutzmedizin, handelt es sich um Einzellösungen, teilweise ohne Einbeziehung gerichtsmedizinischer Expertise und ohne rechtliche Sicherung des Fortbestands, die einer Gewaltambulanz nach internationalen Standards nur eingeschränkt nahekommen.
Bereits im MRV 7/14 vom 24. November 2021 erfolgte daher zum Thema „Förderung der Gewaltprävention und des Schutzes von Frauen und Mädchen vor Gewalt“ eine Schwerpunktsetzung, um dem herrschenden Mangel an gerichtsmedizinischen Sachverständigen wirksam zu begegnen, den Ausbau von klinisch-forensischen Untersuchungsstellen zu forcieren und ein Konzept für die flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen zu erstellen.
Im MRV 38/20 vom 23. November 2022 im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt: Förderung von Gewaltprävention und des Schutzes von Frauen und Mädchen vor Gewalt“ erfolgte eine umfassende Darstellung der durch die Ressorts ergriffenen gewaltpräventiven Maßnahmen. Dabei wurde auch die angestrebte Forcierung der Einrichtung von Gewaltambulanzen aufgegriffen, um durch Dokumentation von Verletzungen bei Gewaltopfern unter Einbeziehung von gerichtsmedizinischer Expertise die Beweisführung in Strafverfahren entscheidend zu verbessern.
Zur Umsetzung des Projekts Gewaltambulanzen und um dem in Österreich seit Jahren herrschenden Mangel an gerichtsmedizinischen Sachverständigen wirksam zu begegnen, wurden zunächst ressortübergreifende Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Justiz, Bundesministerium für Inneres, Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt sowie Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz geführt und auch an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung herangetreten.
Die gemeinsam beauftragte Studie zum Status quo der Gerichtsmedizin und zur Erstellung eines Konzepts für die Einrichtung von Gewaltambulanzen wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Inneres und Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Justiz organisierten Gewaltschutzgipfels am 6. Dezember 2022 vorgestellt. Die Ergebnisse der Studie wurden sodann im Rahmen eines interministeriellen Austauschs zum Thema Gewaltambulanzen unter Einbeziehung von Fachexpertinnen und Fachexperten am 30. März 2023 diskutiert.
Da es sich bezogen auf die Kompetenzen der Ressorts um eine Querschnittsmaterie handelt, wurde zur faktischen Umsetzung des Projekts eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, eingerichtet, die sich am 13.April 2023 in ihrer ersten Sitzung konstituierte. Zur raschen Umsetzung des Projekts verständigten sich schließlich das Bundesministerium für Justiz, Bundesministerium für Inneres, Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt sowie Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf Pilotprojekte zur Einrichtung von Gewaltambulanzen in den Modellregionen Ost (Wien, Niederösterreich, nördliches Burgenland) und Süd (Steiermark, Kärnten, südliches Burgenland) samt Finanzierung durch eine gemeinsam zu tragende Förderungsvereinbarung und die parallele Ausarbeitung eines gesetzlichen Rahmens für die bundesweite Errichtung der Gewaltambulanzen zur kostenlosen und verfahrensunabhängigen Untersuchung für Gewaltbetroffene. Diese Vorgehensweise wurde jüngst im MRV 80/15 vom 5. Dezember 2023 festgehalten.
Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die erforderlichen legistischen Maßnahmen für die Schaffung dieses gesetzlichen Rahmens zur Förderung von Gewaltambulanzen umgesetzt werden.
Kompetenzgrundlage
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich insbesondere auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten des Zivil- und des Strafrechtswesens sowie der Justizpflege), sowie Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG (Gesundheitswesen).
II. Besonderer Teil
Zu § 1:
§ 1 stellt das allgemeine Ziel des Gesetzes voran, welches in § 2 durch die Aufgaben der Gewaltambulanzen konkretisiert wird.
Primär sollen Gewaltambulanzen zur Erkennung von Gewalt und zur Aufklärung gewalttätiger Angriffe beitragen, von Gewalt betroffene Personen unterstützen und auch dem Schutz der von Gewalt betroffenen Personen vor weiteren gewaltsamen Übergriffen und damit der Prävention dienen.
Ein wesentlicher Aspekt ist, dass Gewaltambulanzen durch eine qualitätsvolle Befundung und Dokumentation der Verletzungen und Sicherung von Spuren einen wichtigen Beitrag zur Erkennung und Aufklärung von Gewalt leisten, soweit dies möglich ist. Für die Betroffenen sollen niederschwellig erreichbare Einrichtungen zur Verfügung stehen, in denen sie sich kostenlos untersuchen lassen können. Die dabei gesicherten Spuren und sonstigen Beweise können zu einer Erhöhung der Verurteilungsrate beitragen. Durch die Anbindung der Gewaltambulanzen an die Gerichtsmedizin sollen eine besonders qualitätsvolle, fundierte Tätigkeit und die gerichtliche Verwertbarkeit gewährleistet werden.
Darüber hinaus sollen betroffene Personen durch Information über weitere Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten unterstützt und so möglichst auch weitere Übergriffe verhindert werden. Gewaltambulanzen sollen durch Informationsangebote und die Tätigkeit als Ansprechstelle für Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal eine wichtige Drehscheibenfunktion für betroffene Personen im Kampf gegen Gewalt erfüllen.
Um sicherzustellen, dass die Ziele des Gesetzes erreicht werden, sollen die Gewaltambulanzen evaluiert werden.
Zu § 2:
Diese zentrale Bestimmung regelt die Art und Weise, wie Gewaltambulanzen gefördert werden können, welche Aufgaben sie jedenfalls zu erfüllen haben und wie diese Aufgaben zu erbringen sind.
Nach Abs. 1 ist der Bund, vertreten durch die Bundesministerin beziehungsweise den Bundesminister für Justiz, gemeinsam mit den für Frauen, für Familie, für Inneres, für Gesundheit und/oder Wissenschaft zuständigen Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern, ermächtigt, insbesondere Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und auch andere geeignete Betreiber, die eine Gewaltambulanz eingerichtet haben oder eine solche einrichten, zu fördern, wenn diese sich mindestens zur Erbringung der im Katalog des Abs. 1 festgelegten Leistungen verpflichten. In den jeweiligen Förderverträgen können diese Leistungen konkretisiert und auch weitere Aufgaben vereinbart werden, etwa die Durchführung oder Teilnahme an einer zweckmäßigen Begleitforschung.
Die Eignung von Betreibern wird beim Abschluss des Fördervertrags geprüft werden. Eine Eignung ist wohl jedenfalls dann gegeben, wenn eine organisatorische Anbindung an gerichtsmedizinische Institute besteht und die für die Aufsicht des beschäftigten medizinischen Personals erforderlichen gerichtsmedizinischen Fachkenntnisse vorliegen.
Gefördert werden können nur Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und andere geeignete Betreiber. Diese müssen entweder bereits eine Gewaltambulanz eingerichtet haben, die den Mindestleistungskatalog erfüllt, oder sich verpflichten, eine solche einzurichten und die Pflichten in Zukunft zu erfüllen.
Im Rahmen dieses Fördervertrags verpflichten sich Universitäten, die über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, und andere geeignete Betreiber, die in den Z 1 bis 6 angeführten Tätigkeiten zu übernehmen. Die Hauptaufgabe der Gewaltambulanzen besteht darin, alle Personen, die von körperlicher Gewalt oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung betroffen sind oder sein können, gerichtsmedizinisch zu untersuchen und Verletzungen und Spuren am sowie im Körper und an Gegenständen, wie etwa der Bekleidung, ausführlich zu dokumentieren. Darüber hinaus sind Spuren und andere Beweise, wie etwa Bilder einer Verletzung oder die Dokumentation von Aussagen oder anderer wesentlicher Umstände, auch zu sichern und aufzubewahren und – nach medizinischer Indikation sowie technischen und personellen Möglichkeiten – möglichst so aufzubereiten, dass sie in allfälligen Verfahren als Beweismittel verwertbar sind. Diese Tätigkeiten zielen primär darauf ab, durch eine fach- und opfergerechte gerichtsmedizinische Untersuchung eine fundierte Objektivierung von Verletzungen zu ermöglichen und Spuren professionell zu sichern. Diese Möglichkeiten sollen allen betroffenen Personen niederschwellig zugänglich gemacht werden, um eine bessere Beweislage in einem etwaigen Straf- oder sonstigen Verfahren zu schaffen.
Gewaltambulanzen sollen aber auch als Drehscheibe und Unterstützungsstelle fungieren. Die betroffenen Personen sollen nicht nur untersucht werden, sondern auch über weitergehende Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten, insbesondere über notwendige medizinische Abklärung und Behandlung, Betreuung durch Opferhilfe- und Gewaltschutzeinrichtungen sowie psychologische, psychotherapeutische oder rechtliche Beratung informiert werden. Falls sich Personen, die ausschließlich von psychischer Gewalt ohne denkbare körperliche Folgen betroffen sind, an eine Gewaltambulanz wenden, sollen diese Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 3 über weitergehende Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten informiert werden, auch wenn es keiner gerichtsmedizinischen Tätigkeit bedarf. Damit soll gewährleistet werden, dass die Betroffenen niederschwellig und rasch zu den richtigen Stellen weitergeleitet werden, ohne dass sie selbst umfangreiche Recherchen anstellen müssen. Darüber hinaus sollen Gewaltambulanzen auch für Ärztinnen und Ärzte sowie für sonstiges medizinisches Personal eine Ansprechstelle sein, insbesondere in Form einer konsiliarischen Tätigkeit und für Fragen des Erkennens von Gewalt, sowie die Funktion der Unterstützungseinrichtung für die nach dem KAKuG eingerichteten Kinder- und Opferschutzgruppen wahrnehmen und dabei je nach identifiziertem Bedarf unterstützen.
Schließlich müssen Gewaltambulanzen ihre eigene Tätigkeit in nachvollziehbarer Weise dokumentieren und an der Evaluierung mitwirken.
Abs. 2 bestimmt, dass die ärztlichen Leistungen durch Fachärztinnen und Fachärzte für Gerichtsmedizin zu erbringen sind. Nur wenn solche vorerst nicht zur Verfügung stehen, können speziell geschulte Ärztinnen und Ärzte unter gerichtsmedizinischer Aufsicht tätig werden. Damit soll eine besonders fundierte und qualitätsvolle Arbeit gewährleistet werden. Die Aufsicht ist dabei nicht so eng zu verstehen, dass eine Fachärztin oder ein Facharzt für Gerichtsmedizin in den Gewaltambulanzen stets räumlich anwesend sein muss. Es kommt vielmehr darauf an, dass die fachgerechte Ausführung der Tätigkeiten etwa durch Schulungen, regelmäßigen fachlichen Austausch und Überprüfungen oder sonstige geeignete Maßnahmen sichergestellt ist. Tätigkeiten, für die keine gerichtsmedizinischen Fachkenntnisse benötigt werden, wie etwa die Information über weitergehende Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten, können auch durch Hilfspersonen erbracht werden. Die in den Gewaltambulanzen tätigen Ärztinnen und Ärzte unterliegen einer allgemeinen Verschwiegenheitspflicht. Alle anderen in der Gewaltambulanz tätigen Personen sollen im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht als ärztliche Hilfspersonen gelten und daher ebenso bestimmten Verschwiegenheitspflichten unterliegen (§ 54 Abs. 1 ÄrzteG 1998).
Die Leistungen der Gewaltambulanzen sind für alle betroffenen Personen kostenlos. Sie dürfen nicht von einer Anzeige oder einem behördlichen Verfahren abhängig gemacht werden.
Zu § 3:
Die Bestimmung regelt die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten.
Zu § 4:
Die Fördernehmerinnen nach diesem Gesetz unterliegen einer Berichtspflicht. Sie haben den fördergebenden Bundesministerinnen beziehungsweise Bundesministern jährlich einen schriftlichen Bericht zu übermitteln, der über ihre Tätigkeit, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen im vergangenen Kalenderjahr Auskunft gibt. Die Verpflichtung zur Legung des Berichts besteht unabhängig von den Verpflichtungen, eine nachvollziehbare Dokumentation der Tätigkeit zu führen und an der Evaluierung der Gewaltambulanz mitzuwirken.
Zu § 5:
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Zu § 6:
Die Bestimmung enthält die Vollzugsklausel.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.