Eingebracht am 12.06.2024
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Reformpaket
Energiewirtschaft
Seit Beginn der
Turbulenzen auf den europäischen Energiemärkten, waren
österreichische Haushalte und Unternehmen von gestiegenen Endkundenpreisen
besonders stark betroffen. Dieser Befund ist auch im Frühsommer 2024, also
zu einem Zeitpunkt, zu dem die Großmarktpreise seit Monaten
kontinuierlich sinken, aktueller denn je:
- Österreich hat
immer noch die höchste Inflationsrate bei Gas in der gesamten
EU. Gas war laut offiziellen Verbraucherpreisen in Österreich im
April 2024 um 165,4% teurer als im Jänner 2021, in der Eurozone lag
der Preisauftrieb im selben Zeitraum nur bei 56,7%.
- Laut Eurostat zahlten
österreichische Haushalte für Gas zuletzt 3,5 Cent mehr pro
Kilowattstunde als im EU-Vergleich. Das belastet einen
durchschnittlichen Haushalt um 525 Euro pro Jahr.
- Auch der Preis für
elektrischen Strom ohne Steuern und Abgaben ist für
österreichische Haushalte mehr als 7,6 Cent pro Kilowattstunde
höher als der Vergleichswert auf europäischer Ebene.
Die Gründe für
diese enorme Mehrbelastung für österreichische Haushalte und
Industriebetriebe ist im Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu finden.
Österreich ist noch immer in höchstem Grade von russischem Gas
abhängig und hat in den Monaten März und April 2024 derart hohe
Mengen Gas aus Russland importiert, wie seit Juni 2022 nicht mehr.
Zusätzlich führt die deutsche Gasspeicherumlage zu signifikanten
Preisaufschlägen für Gasimporte über Deutschland.
Zu alldem kommt ein nicht
funktionierender, in seiner Struktur wettbewerbsfeindlicher, Energiemarkt in
Österreich hinzu, der dazu führt, dass die gesunkenen
Energiepreise bei den österreichischen Haushalten und Unternehmen nicht
ankommen.
Dafür sorgt eine
unheilige Allianz aus staatlich kontrollierten Energieunternehmen und der
öffentlichen Hand. Darunter leiden Kaufkraft und
Wettbewerbsfähigkeit.
Eine NEOS-Analyse auf
Basis von Daten der E-Control und der Österreichischen Energieagentur
zeigt, dass die Gas- und Strompreise der Hauptprodukte der
Landesenergieversorger immer noch deutlich über den stark gesunkenen
Marktpreisen in Österreich und Europa liegen. Während
Neukundenprodukte in einem ähnlichen Ausmaß sinken wie die
Großmarktpreise von Gas und Strom, verbleiben die Preise der
Hauptprodukte der lokalen Anbieter auf hohem Niveau. Verantwortlich dafür
ist die Marktkonzentration der lokalen Energieanbieter im eigenen Netzgebiet
und die durch öffentliches Eigentum dominierte Struktur der
österreichischen Energiewirtschaft. In der vorherrschenden
öffentlichen Eigentumsstruktur gibt es keinen Wettbewerbsanreiz für
Landesenergieversorger. Zudem bietet sie der österreichischen Politik die
Grundlage für einen wirtschaftspolitischen
„Schildbürgerstreich“, in dem die Landesenergieversorgen die
Preise hochhalten, hohe Dividenden an ihre staatlichen Eigentümer
ausschütten und diese verteilen „Boni“ und
Kompensationszahlungen an die Kundinnen und Kunden.
. 

Die Bundesregierung setzt
vereinzelte Maßnahmen wie die Einführung der Beweislastumkehr
für marktbeherrschende Unternehmen. Um die Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes und die Kaufkraft österreichischer Endkund:innen zu
erhöhen, bedarf es jedoch viel mehr: Eine umfassende Strukturreform
im österreichischen Energiemarkt, die den politischen Einfluss auf die
Landesenergieversorger beendet und für mehr Wettbewerb und niedrigere
Preise sorgt. Diese Reform muss folgende Punkte umfassen:
- Raus mit der Politik
aus den Aufsichtsräten der EVU: Noch immer haben sogar aktive Politiker:innen in Spitzenpositionen
Aufsichtsratmandate in den Energieversorgungsunternehmen inne. In Salzburg
ist Landeshauptmann Wilfried Haslauer gar Aufsichtsratsvorsitzender der
Salzburg AG. NEOS fordern: Politiker:innen sollen keine
Kontrollfunktionen in Energieversorgungsunternehmen (EVU) innehaben.
- Echtes Unbundling
für mehr Wettbewerb: Im
Zwischenbericht der Taskforce von E-Control und
Bundeswettbewerbsbehörde zur Untersuchung der Situation auf den
Strom- und Gasmärkten aus Juni 2023 wird festgehalten, dass sich 2022
viele öffentliche Energieversorger in ihr „Kerngebiet“
zurückzogen haben. Nach geltenden Entflechtungsregeln sollte jedoch
der Netzbetrieb eines vertikal integrierten Unternehmens keinen Einfluss
auf die Vertriebsaktivitäten haben. Dieses Verhalten schränkt
Wettbewerb ein und führt zu Mehrkosten. NEOS fordern: Die Trennung
von Netzanbietern und Energieversorgern muss strikt durchgesetzt und
gegebenenfalls die Vorschriften über geltende EU-Vorgaben hinaus
verschärft werden.
- Angebotspflicht in
alle Bundesländer: Im
Jahr 2023 agierten 145 Stromlieferanten für Haushalte in
Österreich, jedoch boten nur 23 von ihnen auch tatsächlich
österreichweit Neuvertragsabschlüsse für Haushalte an. Die
übrigen beschränkten sich entweder geographisch, oft auf das
Netzgebiet des verbundenen Unternehmens. NEOS fordern: Energieversorger im
öffentlichen Besitz müssen in ganz Österreich Angebote
machen, um den Wettbewerb zu erhöhen.
- Teure Mehrgleisigkeit
bei den Netzbetreibern abschaffen: Der österreichische Energiemarkt ist gekennzeichnet
von einer auffällig hohen Anzahl an Netzbetreibern. Das ist zwar kein
Alleinstellungsmerkmal, aber in Ländern wie beispielsweise Belgien,
Niederlande oder Dänemark ist die Anzahl an Verteilernetzbetreibern
um einiges geringer. Österreich sollte diesem Beispiel im Sinne einer
Systemvereinfachung folgen. NEOS fordern: Zusammenlegung der 114 Strom-
und 19 Gasverteilernetzbetreiber.
- Mehr Preistransparenz
durch monatliche Berichte der E-Control: Die Wettbewerbssituation auf den Energiemärkten
sollte auf wiederkehrender Basis dargestellt werden. NEOS fordern:
Regelmäßige Veröffentlichungen von Energiepreisen pro
Bundesland zur Förderung von Anbieterwechsel.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚
Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie, wird
aufgefordert umgehend ein umfassendes Reformpaket für die
österreichische Energiewirtschaft vorzulegen, welches folgende
Punkte umfasst:
- Politiker sollen keine
Aufsichtsratsposten in Energieversorgungsunternehmen (EVU) innehaben
dürfen
- Die
Entflechtungsvorschriften von Netzanbietern und Energieversorgern
müssen strikt durchgesetzt und gegebenenfalls die Vorschriften
über geltende EU-Vorgaben hinaus verschärft werden
- Energieversorger im
öffentlichen Besitz müssen in ganz Österreich Angebote
machen
- Die Zusammenlegung der
114 Strom- und 19 Gasverteilernetzbetreiber
- Regelmäßige,
monatliche Veröffentlichungen der E-Control von Energiepreisen pro
Bundesland zur Förderung von Anbieterwechsel."
In formeller Hinsicht
wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und
Energie vorgeschlagen.