4086/A XXVII. GP

Eingebracht am 12.06.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG), BGBl. I Nr. 103/1998, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 240/2021, wird wie folgt geändert:

 

1, § 2 lautet:

"§ 2

(1) Die Mitgliedschaft zu Wirtschaftskammern und Fachorganisationen ist freiwillig.

(2) Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen können alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger sein, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind.

(3) Mitglieder können auch alle im Firmenbuch eingetragenen Holdinggesellschaften sein, soweit ihnen zumindest ein Mitglied gemäß Abs. 1 angehört.

(5) Unternehmungen im Sinne der Abs. 2 und 3 müssen nicht in der Absicht betrieben werden, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

(6) Die freiwillige Mitgliedschaft wird in der Bundeskammer sowie in jenen Landeskammern und Fachorganisationen begründet, in deren Wirkungsbereich eine Betriebsstätte vorhanden ist, die der regelmäßigen Entfaltung von unternehmerischen Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 dient."

 

2. § 69 lautet:

"§ 69

Alle Funktionäre und Mitarbeiter der nach diesem Gesetz gebildeten Organisationen sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist. Von dieser Verpflichtung sind Informationen ausgenommen, die im Zusammenhang mit der nach Art 120c B-VG für Organe der Selbstverwaltungskörper geltenden Pflicht zur Einhaltung demokratischer Grundsätze sowie der Sicherstellung der sparsamen und wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben stehen. Sämtliche Informationen zu den Tätigkeiten des Kontrollausschusses und insbesondere dessen Berichte sind von der Verschwiegenheitspflicht jedenfalls ausgenommen. Von dieser Verpflichtung hat auf Verlangen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde bei Funktionären und Mitarbeitern der zuständige Präsident zu entbinden, wenn dies im Interesse der Rechtspflege oder im sonstigen überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen ist."

 

3. §131 lautet:

"§ 131

Die Gebarung der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen hat nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erfolgen. Die Werbekosten der Wirtschaftskammer dürfen den Betrag von 1 Euro je Mitglied jedenfalls nicht übersteigen. Die in den §§ 122 bis 125 vorgesehenen Kammerumlagen, Grundumlagen und Gebühren für Sonderleistungen sind innerhalb der in diesen Bestimmungen festgelegten Höchstgrenzen nur in solcher Höhe festzusetzen, dass ihr Aufkommen zusammen mit allfälligen sonstigen Erträgen einschließlich der Leistungsentgelte den in den genehmigten Jahresvoranschlägen festgelegten Aufwand deckt und unter Bedachtnahme auf die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Zum Ausgleich von unvorhergesehenen Schwankungen bei den Erträgen und Aufwendungen sowie zur Bedeckung bestimmter Vorhaben sind angemessene Rücklagen zu bilden.

 

4. Nach § 131 wird folgender § 131a eingefügt:

"§ 131a. Rücklagenobergrenze

(1) In einer Organisationen der gewerblichen Wirtschaft darf das Eigenkapital, abzüglich der für den laufenden Betrieb benötigten Sachanlagen, zum 31.12. ein Zwölftel der Jahresaufwendungen des Haushaltsjahres nicht überschreiten.

(2) Die Überschreitung der Rücklagenobergrenze eines Haushaltsjahres muss im nachfolgenden Jahr spätestens bei der Beschlussfassung des Rechnungsabschlusses festgestellt werden.

(3) Wird in einer Organisationen der gewerblichen Wirtschaft die Überschreitung der Rücklagenobergrenze festgestellt, ist in der betroffenen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft im folgenden Haushaltsjahr eine Senkung der Umlage/n vorzunehmen. Diese muss zum Ziel haben, die Rücklagenobergrenze am 31.12. des Haushaltsjahres, in dem die Senkung der Umlage/n vorgenommen wird, einzuhalten oder zu unterschreiten."

 

5. § 122 Abs. 8 entfällt; die Abs. 9 bis 11 erhalten die Absatzbezeichnungen "(8)" bis "(10)".

6. Der § 122 Abs. 8 lautet:

"(8) Die Bundeskammer kann zur Bedeckung ihrer Aufwendungen eine Umlage nach Abs. 7 festlegen."

7. § 126 Abs. 1 letzter Satz lautet:

"Die eingegangenen Kammerumlagen sind bei der Umlage gemäß § 122 Abs. 1 der Bundeskammer und der Umlage gemäß dem neuen § 122 Abs. 8 den zuschlagsberechtigten Kammern zu überweisen."

8. In § 129 Abs. 1 entfällt der letzte Satz.

9. Dem § 150 wird folgender Abs. 12 angefügt:

"§ 122 Abs. 8 bis 10 sowie § 126 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. xxx/2024 treten mit 1. Mai 2024 in Kraft; gleichzeitig tritt § 129 Abs. 1 letzter Satz außer Kraft."

 

Begründung

WKO Reformpaket

Ad 1: Freiwillige Mitgliedschaft zu den Kammern

Die Kammern haben historische Verdienste um den sozialen Ausgleich in Österreich. Aufgrund veralteter Denkmuster und Parteizugriffen haben sie jedoch den Sprung ins 21. Jahrhundert verpasst. Heute fühlen sich viele Unternehmer von ihren Kammern nicht mehr vertreten. In nur wenige EU-Mitgliedsstaaten gibt es noch solche Zwangsmitgliedschaften. Die Menschen wollen weniger Bürokratie sowie, weniger Parteieneinfluss und erleben diesen Zwang als Einschränkung der persönlichen Freiheit oder als undemokratisch. Die Wahlbeteiligung zeigt dies deutlich auf: Die sinkt bei Kammerwahlen kontinuierlich und betrug bei der Wirtschaftskammerwahl 2020 lediglich ein Drittel der Mitglieder (33,7% - 2015 waren es noch 38,9%). Während kleinere, spezialisierte Kammern höhere Wahlbeteiligungen verzeichnen, spiegelt die geringe Beteiligung bei der Wirtschaftskammerwahl ein Desinteresse, gar eine Unzufriedenheit mit dem System, wider. NEOS fordern die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaften, um notwendige Reformen zu erzwingen. Die derzeitige Verwaltung der Zwangsbeiträge zeigt, dass Reorganisationsmaßnahmen dringend notwendig sind. Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: "Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören." Dieses Prinzip sollte auch für Unternehmer in Österreich gelten.

 

Ad 2: Transparenz im Umgang mit Mitgliedsbeiträgen ohne Verschwiegenheitspflicht möglich machen!

Trotz der Zwangsmitgliedschaft zu den Wirtschaftskammern einerseits und der Verpflichtung durch Artikel 120c B-VG zu sparsamen und wirtschaftlichen Prinzipien andererseits, zeigen zahlreiche Skandale und intransparente interne Berichte, dass oft verschwenderisch mit Mitgliedsbeiträgen umgegangen wird. NEOS fordern eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht für Informationen, die die Einhaltung demokratischer Prinzipien und wirtschaftlicher Verantwortung in den Kammern betreffen, um Transparenz zu erhöhen und eine effiziente Verwendung von Mitgliedsbeiträgen sicherzustellen.

 

 

Ad 3: Inseratenobergrenze

Aufgrund ihrer alten, tief verankerten Denkmuster verkam die Wirtschaftskammer immer mehr zu einer finanzstarken Vorfeldorganisationen der Volkspartei. Weder farblich noch inhaltlich trennbar, wurde die Interessenvertretung über die vergangenen Jahrzehnte immer mehr zu einem Spielball der Parteipolitik. Anstatt den Unternehmen zu helfen, besticht die Wirtschaftskammer durch finanzielle Intransparenz und hohe Werbeausgaben. 2023 erhöhte die Bundeswirtschaftskammer ihre Inseratenschaltungen um 33,42% auf 3,34 Millionen Euro. Branchenfachverbände steigerten ihre Ausgaben um 41,3% auf 2,1 Millionen Euro. Insgesamt stiegen die Inseratenausgaben um 20%. Die Kammern sollten stattdessen die Pflichtmitglieder entlasten und Beiträge senken. Wozu braucht eine Organisation ohne Mitbewerber überhaupt Inserate? Eigene Medien und Kommunikationskanäle sind ausreichend und entsprechen dem Ziel einer sparsamen und effizienten Verwendung der Mitgliedsbeiträge.

 

Ad 4: Rücklagenobergrenze

2022 horteten die Wirtschaftskammern 1,9 Milliarden Euro Reinvermögen, während die Ausgaben rund eine Milliarde Euro betrugen. Das WKG spricht aktuell lediglich von "angemessenen" Rücklagen. Die Wirtschaftskammern legen fest, dass die Rücklagen einen Jahresbedarf decken sollen. Derzeit liegen die Rücklagen jedoch beim Zweifachen der jährlichen Aufwendungen. Zum Vergleich: Sozialversicherungsträger müssen nur Rücklagen in Höhe der durchschnittlichen Monatsaufwendungen bilden. Bei deutschen Sozialversicherungsträgern sind es sogar nur ein Viertel der Monatsaufwendungen. Da die Sozialversicherungsträger unbestritten deutlich wichtigere Leistungen erbringen als die Wirtschaftskammern, ist eine Rücklagenobergrenze bei den Wirtschaftskammern in Höhe der durchschnittlichen Monatsaufwendungen eindeutig vertretbar und im Sinne der Umlagenschonung der WKÖ-Pflichtmitglieder. Eine Rücklagenobergrenze würde die Wirtschaftskammern zwingen, sich auf die Entlastung der Unternehmen zu konzentrieren. Fehlentwicklungen wie sozialleistungsähnliche Geldleistungen müssen sofort unterbunden werden. Die Rücklagenobergrenze ist das effektivste Instrument dafür.

 

Ad 5 bis 9: Abschaffung der Kammerumlage 2

Viele Expert:innen verweisen darauf, dass die Abgaben auf Löhne und Gehälter in Österreich zu hoch sind. Aktuell lastet die Finanzierung der Wirtschaftskammer in Form der Kammerumlage 2 zu großen Teilen auf den Schultern der Arbeitnehmer:innen. Es ist weder logisch noch fair, dass die Leistung der Arbeitnehmer:innen die Basis für die Wirtschaftskammerfinanzierung bildet. Diese Gesetzesänderung soll den ohnehin sehr vermögenden Wirtschaftskammern die Gesetzesgrundlage für die Kammerumlage 2 entziehen. Das bewirkt eine nachhaltige Entlastung der österreichischen Unternehmen in Höhe von mehreren hunderten Millionen jedes Jahr, laut WKO-Voranschlag 433 Mio. EUR allein im Jahr 2024. Dies wäre ein machbarer, erster Schritt, um in Richtung einer Senkung der Lohnnebenkosten um jährlich 0,5 Prozentpunkte zu kommen. Den Ausfall der Einnahmen sollen die Wirtschaftskammern, die über Rücklagen in Höhe von 2 Milliarde Euro verfügen, dazu motivieren, durch umfassende Reformen effizientere Strukturen aufzubauen und den verschwenderischen Lebensstil der Kammerfunktionäre endlich zu beenden.

 

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie zuzuweisen.