4140/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 04.07.2024
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Förderung der Digitalisierung in der Pflege (Medikamentenverblisterung, digitale Pflegedokumentation und Ambient Assisted Living)
Die Pflegebranche steht vor erheblichen Herausforderungen. Gegenwärtig sind 456.000 Menschen pflegebedürftig, und diese Zahl wird bis 2050 auf 750.000 ansteigen. Täglich kommen 27 neue Pflegefälle hinzu, was den Bedarf an Pflegekräften stark erhöht. Um diesem Anstieg gerecht zu werden, sind bis 2050 zusätzlich 50.000 Fachkräfte nötig. Bereits heute sind 950.000 Angehörige in die Pflege involviert, viele von ihnen sind stark überlastet. Zudem herrscht ein erheblicher Mangel an Pflegeheimplätzen, was zu Versorgungsengpässen führt. Besonders besorgniserregend ist der steigende Bedarf an Pflege für dementiell Erkrankte, deren Zahl derzeit bei 150.000 liegt und sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln wird. Die finanziellen Belastungen steigen ebenfalls, wobei die Nettoausgaben bis 2050 auf 13,9 Milliarden Euro anwachsen werden.
Diese Entwicklungen verdeutlichen die dringende Notwendigkeit umfassender Maßnahmen in der Pflegebranche, um den zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können. Der demografische Wandel verlangt es in Europa und insbesondere Österreich, dass die Pflege endlich auf neue Füße gestellt und modern – das heißt digital – gedacht wird. Den umfassenden Pflegebedarf zu decken, braucht es neue Maßnahmen – allen voran Medikamentenverblisterung, digitale Pflegedokumentation und Ambient Assisted Living.
Ambient Assisted Living (AAL) bezeichnet altersgerechte Assistenzsysteme, die ein gesundes und unabhängiges Leben unterstützen. Diese Technologien konzentrieren sich auf die Bereiche Gesundheit, Sicherheit, Komfort und soziale Interaktion. In Österreich wächst die ältere Bevölkerung und wird gleichzeitig technologisch versierter, was Unternehmen dazu bewegt, spezifische Produkte und Dienstleistungen für Senioren zu entwickeln.
AAL-Systeme ermöglichen es älteren Menschen, länger selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden zu leben, indem sie den Alltag komfortabler und sicherer gestalten. Diese Systeme kombinieren moderne Technologien mit sozialer Unterstützung, um die Lebensqualität älterer und behinderter Menschen zu verbessern. Trotz intensiver Forschungsförderung haben bisher nur wenige Produkte breite Marktreife erreicht, wobei Datenschutz, Finanzierbarkeit und ethische Aspekte weiterhin wichtige gesellschaftliche Diskussionsthemen bleiben.
In Österreich wird die Bevölkerung älter und gleichzeitig technologisch fortschrittlicher. Die hohe Kaufkraft der Senioren motiviert Unternehmen, diese Faktoren zu verbinden und so eine fruchtbare Symbiose zwischen Alter und High-Tech zu schaffen. Der Wunsch der meisten Senioren, möglichst lange selbstbestimmt zu Hause zu wohnen, wird durch AAL-Systeme und app-basierte Tools unterstützt, die das Wohnen im Alter komfortabler und sicherer machen.
Technische Assistenzsysteme für ältere Menschen bieten vor dem Hintergrund der demografischen und technologischen Entwicklungen großes Potenzial. Trotz intensiver Forschungsförderung haben bisher nur wenige Produkte breite Marktreife erreicht. Die Systeme ermöglichen die durchgängige Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und lassen sich flexibel kombinieren und nach Bedarf aufrüsten, ähnlich wie Smart Home Systeme. Beispiele für AAL-Technologien in der Praxis sind:
· Sturzmeldesysteme: Erkennen Stürze und alarmieren automatisch eine Notrufzentrale.
· Notrufsysteme: Smarte Armbanduhren dienen als mobiles Notruf- und Ortungssystem.
· Übermittlung von Vitaldaten: Smartwatches senden Blutdruck und Blutzuckerwerte an Ärzte.
· Videotelefonie: Erleichtert soziale Teilhabe durch einfache Bedienung am Fernseher.
· Smarte Wohnungstüren: Mit Kamera und Fernsteuerung für sicheren Zugang.
· Herdüberwachung: Automatisches Abschalten des Herdes bei Gefahr.
· Universelle Fernsteuerung: Zentralisiertes Management von Haushaltstechnologien.
· Assistierende Roboter: Unterstützen bei alltäglichen Aufgaben.
Die Einführung in Ambient Assisted Living veranschaulicht die zunehmende Bedeutung technologischer Lösungen für das Wohlbefinden und die Sicherheit älterer Menschen. AAL-Systeme bieten eine Vielzahl von Vorteilen, darunter die Förderung eines selbstbestimmten Lebens, die Steigerung der Lebensqualität und die Verbesserung der Sicherheit. Trotz des Potenzials von AAL-Technologien stehen jedoch noch einige Herausforderungen bevor. Der demografische Wandel, der eine ältere Bevölkerung und einen Mangel an Pflegepersonal prognostiziert, unterstreicht die Dringlichkeit der Implementierung von AAL-Lösungen. Diese Technologien können dazu beitragen, die steigenden Pflegekosten zu bewältigen und den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden.
Die Förderung von AAL-Initiativen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ist entscheidend für ihre breitere Umsetzung und ihren Erfolg. Die Vielfalt der Anwendungen von AAL-Technologien zeigt ihr breites Potenzial, das Leben älterer Menschen in verschiedenen Bereichen zu verbessern, sei es Gesundheit und Pflege, Haushaltsunterstützung, soziale Teilhabe oder Mobilität. Die kontinuierliche Entwicklung und Integration dieser Technologien erfordern jedoch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Durch die weitere Erforschung, Entwicklung und Implementierung von AAL-Systemen können wir einen bedeutenden Beitrag zur Schaffung einer altersgerechten und unterstützenden Umgebung leisten.
Die EU unterstützt die Entwicklung des „Umgebungsunterstützten Lebens“. Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Active and Assisted Living (AAL) Research and Development Programme“ für innovative Produkte und Dienstleistungen mit Fokus auf ältere Menschen wurde 2008 ins Leben gerufen. Das Programm wird von der Europäischen Kommission und 17 Ländern mitfinanziert und hat seit 2008 über 300 Projekte mit 700 Millionen Euro finanziert. Es arbeitet über einen jährlichen Aufruf zur Einreichung von Projekten, wobei die Mittelvergabe auf bestimmten Kriterien basiert, darunter die Beteiligung von KMU, geografische Vielfalt und die Einbeziehung älterer Menschen in die Lösungsentwicklung.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschütz wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Gesetz zuzuleiten, das folgende Maßnahmen zur Digitalisierung einer resilienten Pflege in Sinne der Inklusion umfasst:
· digitale Maßnahmen zur personal- und ressourcenschonenden Pflege, die mehr Pflegekräfte „ans Bett“ bringt:
o Bereitstellung von nötigen Mitteln für die Einführung, den Ausbau und die Finanzierung einer bundesweit flächendeckenden Medikamentenverblisterung im Pflegesetting
o Bereitstellung von nötigen Mitteln für die Einführung, den Ausbau und die Finanzierung digitaler Dokumentation in Pflege- und Betreuungsberufen nach deutschem bzw. US-amerikanischem Vorbild (Verwendung von Tablets, Bettenscannen, Checklisten)
· eine erweiterte Finanzierung von Ambient Assisted Living (Maßnahmen zur altersgerechten und selbstbestimmten autonomen Lebensweise) für die
o Zuhilfenahme digitaler bzw. elektronischer Unterstützung im Wohnbereich unter Berücksichtigung des Datenschutzrechts (sichere Handhabe von Elektronik durch ältere Menschen und Pflege- und Betreuungsbedürftige) sowie
o digitale Hilfsmittel zur Unfallprävention und Notfallversorgung (Sturzmelder, Notrufsender, Videotelefonie etc.)“
In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ersucht.