58/A XXVII. GP

Eingebracht am 13.11.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried,

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Streitbeilegung bei grundsätzlichen Fragen im Bereich der Interpellation).

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Organstreitverfahren Anfragebeantwortungen)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 57/2019, wird wie folgt geändert:

 

1. Nach Artikel 138b wird folgender Artikel 138c eingefügt:

Artikel 138c. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungsmäßigkeit der Beantwortung von Anfragen gem. Art. 52, wenn es sich um die Lösung einer Rechtsfrage handelt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, auf Antrag der anfragestellenden Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates.

2. In Artikel 151 wird folgender Abs. XX angefügt:

„Artikel 151 Abs. XX. Artikel 138c tritt mit X. XX 20XX in Kraft.“

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss


 

Erläuterungen

Mehrfach hat die Präsidialkonferenz die Frage der Qualität von Anfragebeantwortungen beschäftigt.

Mehrfach wurden bereits Maßnahmen zur Abstellung des momentan nicht wünschenswerten Zustandes in Aussicht genommen. So etwa die Vorgabe einheitlicher Standards für die Beantwortungen, das Außerfragestellen von Gründen, die eine Beantwortung verhindern, oder die Verdeutlichung gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung, dass es sich bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage um eine verfassungsrechtliche Verpflichtung handelt, der sie nachkommen müssen; so sie dies nicht können, müssen Sie es ausführlich begründen.

Dennoch hat sich in der schlampigen verfassungswidrigen Praxis nichts geändert, vielmehr ist eine Verschlechterung der Qualität der Anfragebeantwortungen festzustellen.

In addendum.org ist unlängst unter dem Titel „Wie viel kostet ein Lipizzaner, Herr Bundeskanzler?“ ein Artikel erschienen, der sich mit dem Interpellationsrecht im Allgemeinen, aber auch mit dem Interpellationsrecht bei ausgegliederten Unternehmungen im Besonderen auseinandersetzt. Auch dieser Artikel teilt den Befund, den die Opposition seit Monaten nachweisen kann, nämlich, dass die Bundesregierung die Anfragen der Abgeordneten und Bundesräte nicht ernst nimmt, keine ausreichenden Antworten gibt und sogar das Fragerecht noch dazu ausnützt, die anfragenden Abgeordneten im Einzelfall zu verhöhnen.

Eine neuerliche Befassung der Präsidialkonferenz wird wohl kaum etwas bringen, es müssen darüberhinausgehende gesetzliche Maßnahmen her. Es wird daher vorgeschlagen, eine neue Norm in das Bundes-Verfassungsgesetz zu implementieren, die vorsieht, dass sich jene fünf Abgeordneten, die die Einbringung einer Anfrage unterstützt haben, in grundsätzlichen und präjudiziellen Anfragen an den VfGH wenden können, der dann Leitsätze festzulegen hat, welche Grenzen für die Beantwortungen von Anfragen bestehen und wo Anfragen unbedingt beantwortet werden müssen.

Um einen breiten parlamentarischen Konsens zu ermöglichen, ist diese neue Norm auf grundsätzliche Fragen beschränkt. Eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit mehreren hundert Anfragen und deren Beantwortungen pro Jahr würde den VfGH in einer unzulässigen Art und Weise lähmen und wäre daher demokratiepolitischen und rechtsstaatlichen Erwägungen heraus abzulehnen.


 

Der oben angesprochene Artikel sei aus Informationsgründen nachstehend beigegeben.

Wie viel kostet ein Lipizzaner,
Herr Bundeskanzler?

In der Affäre um ein Staatsgeschenk haben Sebastian Kurz, Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger dem Parlament Auskünfte verweigert oder es sogar bewusst falsch informiert. Durch das Auskunftsrecht konnten wir jedoch in Erfahrung bringen, was den Abgeordneten verschwiegen wurde.

Die Frage „Wie viel kostet ein Lipizzaner?“ ist eigentlich unverfänglich. Will man aber den Preis eines Lipizzaners wissen, den Österreich einem Scheich geschenkt hat, wird es schwierig. Politiker kommunizieren gerne und ausführlich, wenn es ihnen zum Vorteil gereicht. In anderen Fällen gibt man hingegen weniger bereitwillig Auskunft oder verweigert sie sogar. Das Gesetz bietet genügend Möglichkeiten dazu. Selbst das parlamentarische Anfragerecht kommt nicht immer gegen die Verschwiegenheit der Verwaltung an. Ausgerechnet ein Lipizzaner ist nun aber über diese Mauer des Schweigens gesprungen. Im Streit um das vierbeinige Staatsgeschenk an das Oberhaupt der Vereinigten Arabischen Emirate lässt sich nun belegen, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz den Nationalrat falsch informiert hat.

Die Werbeflüsterer

Im April 2018 fliegt eine österreichische Delegation unter Führung des Regierungschefs zum Arbeitsbesuch nach Abu Dhabi. Mit an Bord ist eine Lipizzanerfigur für Chalifa bin Zayid Al Nahyan, das Staatsoberhaupt des Emirats und der mit ihm zusammengeschlossenen arabischen Fürstentümer. Sie steht für den lebendigen Hengst „Neapolitano Theodorosta“, der etwa ein Jahr später als Geschenk folgen soll. Bei der Übergabe des Pferdes im März 2019 waren auch der Unternehmer René Benko und OMV-Chef Rainer Seele in der Delegation des Bundeskanzlers dabei.

Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als autoritärer Staat. Im Democracy Index des Economist liegen sie auf Platz 147 von 167, fünf Plätze hinter Kuba. Im jemenitischen Bürgerkrieg kämpfen die Emirate an der Seite Saudi-Arabiens. Der Allianz werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Aber Österreich ist – wie viele andere Staaten, die gute Beziehungen zu Autokratien unterhalten – nicht gekommen, um zu tadeln, sondern um Geschäfte zu machen. Ein österreichisches Chemieunternehmen tritt als Sponsor der Reise auf. Der Lipizzaner ist ein Zeichen des guten Willens und ein verhältnismäßig teures Gastgeschenk. Der Papst, so wird es später eine parlamentarische Anfrage festhalten, hat einen Monat zuvor nur eine CD bekommen.

Wie viel der Lipizzaner gekostet hat und wer dafür aufkommt, bleibt allerdings zunächst ein streng gehütetes Geheimnis. Am 9. Mai 2018 will die grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic gemeinsam mit Kollegen deshalb in einer parlamentarischen Anfrage wissen, wer für das Tier und seinen Transport aufgekommen ist. Eine ähnliche Interpellation des Abgeordneten Jörg Leichtfried (SPÖ) und Kollegen folgt eine Woche später. Das Bundeskanzleramt lässt sich in beiden Fällen die gesetzliche Längstfrist von acht Wochen Zeit, um zu antworten: „Die gesamten Kosten werden von GOInternational getragen, einer Internationalisierungsinitiative zur Unterstützung von Exporteuren und Investoren bei ihren Handelsaktivitäten im Ausland“, behauptet Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Anfragebeantwortung vom 9. Juli 2018.

Das Parlament falsch informiert

Tatsächlich ist die Aussage des Kanzlers falsch. Zu dem Zeitpunkt, als Kurz dem Parlament mitteilt, dass die Außenhandelsinitiative der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) die Finanzierung übernehmen werde, ist diese noch gar nicht geklärt. Die go-international wird letztlich keinen Euro bezahlen – aus rechtlichen Gründen, wie es aus der Wirtschaftskammer heißt. Das Staatsgeschenk sei angekündigt worden, bevor dessen Finanzierung klar gewesen sei. Letztlich habe diese in keine der möglichen Förderschienen der go-international gepasst, weshalb man sie habe ablehnen müssen.

Laut Bundeskanzleramt sei „zum Zeitpunkt der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage“ geplant gewesen, „dass die Kosten für den Lipizzaner von go-international übernommen werden würden.“ Eine konkrete Finanzierungszusage – und nur so lässt sich die Anfragebeantwortung interpretieren – gibt es jedoch zu keinem Zeitpunkt. Der Bundeskanzler muss das Parlament also bewusst falsch informiert haben. Das Kanzleramt beharrt hingegen darauf, dass „die Antwort des Bundeskanzlers auf einer faktisch-sachlichen Grundlage“ erfolgt sei.

Ein Königreich für eine Pferderechnung

Der Kanzler nennt aber nicht nur eine falsche Finanzierung, er will dem Parlament auch nicht mitteilen, wie viel das Staatsgeschenk gekostet hat. Die entsprechenden Passagen der parlamentarischen Anfragen werden schlichtweg ignoriert. Das will die Opposition nicht auf sich sitzen lassen. Eine weitere Anfrage von Dziedzic, diesmal an Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gerichtet, trägt den Titel: „Bundeskanzler Kurz’ Dekadenz bei der Geschenkverteilung“. Auch zu deren Beantwortung wird, wiederum exakt acht Wochen später, auf die go-international verwiesen. Die Spanische Hofreitschule habe diesbezüglich um Unterstützung gebeten. In Schramböcks Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sieht man im Geschenk vor allem eine Werbemaßnahme:

„Die anfragegegenständliche Überlassung eines Lipizzaners durch die Spanische Hofreitschule an die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate ist ein Teil eines Gesamtpakets von Maßnahmen im Rahmen einer strategischen Kooperation zwischen der Spanischen Hofreitschule und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die beim Besuch von Herrn Bundeskanzler Kurz und mir ihren Ausgangspunkt nahm und sich bis zur EXPO 2020 in Dubai erstrecken soll.“

Und wieder neue Anfragen

Neben Dziedzic stellt auch Leichtfried noch eine Anfrage, ebenfalls an Schramböck und ebenfalls mit einem süffisanten Unterton: Ob nun aus Gründen der Gleichbehandlung bei allen Staatsbesuchen Lipizzaner verschenkt würden, will der SPÖ-Abgeordnete unter anderem wissen. „Wenn ja, ist damit der Bestand der Lipizzaner in Wien auf Dauer gefährdet?“ Und verzögere sich durch das Staatsgeschenk die Anschaffung von Polizeipferden? Die Fragen beträfen „keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Digitalisierung Wirtschaftsstandort“, antwortet Schramböck trocken. Aber auch wenn ihr dazu „kein gesicherter Wissensstand“ vorliege und „Vermutungen und Einschätzungen nicht dem Interpellationsrecht“ unterlägen, seien „diese Fragen wahrscheinlich zu verneinen“.

Die Kosten für den Lipizzaner bleiben abseits des Geplänkels zwischen Opposition und Regierung im Dunkeln. Einerseits weigert sich die Regierung, die eigentlichen Fragen des Parlaments zu beantworten, andererseits reagieren die Parlamentarier darauf mit zynischen Nachfragen. Bundesrätin Dziedzic versucht es im November 2018 noch einmal mit einem Fragenkatalog, diesmal bei Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Immerhin fallen die Spanische Hofreitschule und das Gestüt Piber in deren Zuständigkeit.

Das Schweigen der Regierung

Aber auch Köstinger weigert sich, die Kosten für den verschenkten Lipizzaner zu nennen. Die Fragen beträfen ein ausgegliedertes Staatsunternehmen, das zur sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes zählt. Dieses ist „daher nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts“.

Keine Antwort auf drei parlamentarische Anfragen zu erhalten, sei „eine Ungeheuerlichkeit, die nicht ohne Konsequenz bleiben darf“, sagt hingegen Ewa Dziedzic gegenüber Addendum. „Wenn der neue Stil dieser Regierung ist, dass parlamentarische Kontrolle außer Kraft gesetzt wird, dann muss sich der Kanzler selbst dafür verantworten.“

Tatsächlich hat das Parlament – abgesehen von Eigentümer- und Gesellschafterrechten des Bundes – fast keinen Einblick in die Gebarung von Staatsbetrieben. Sogenannte Ausgliederungen können die Politik vor lästigen Nachfragen schützen: Fragen nach Aktivitäten der ÖBB, der Bundesbeschaffungsagentur oder der Bundesforste werden in vielen Fällen pauschal verweigert. Köstingers Behauptung, dass es sich auch im Fall des verschenkten Lipizzaners um eine reine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung handle, wird sich jedoch ebenfalls als falsch erweisen.

Wer ist aber nun für die Werbung in Pferdeform aufgekommen? Wahrscheinlich das Chemieunternehmen, das bereits den Trip gesponsert hat, vermutet man bei der WKO. Aber auch das stimmt nicht.

Einer sprang über die Schweigemauer

Dass der Bundeskanzler, die Wirtschafts- und die Landwirtschaftsministerin Fehlinformationen an National- und Bundesrat übermittelt haben, wird erst durch das Auskunftspflichtgesetz klar. Es erlaubt jedem Bürger, Anfragen an Bundesbehörden zu richten, und verpflichtet diese grundsätzlich zur Antwort. Das Auskunftspflichtgesetz erfasst, so hat der Verwaltungsgerichtshof geurteilt, auch die Privatwirtschaftsverwaltung – ebenjenen Bereich staatlicher Tätigkeit, zu dem die Ministerien regelmäßig parlamentarische Anfragen unbeantwortet lassen. Das führt zur absurden Situation, dass in diesen Fällen jeder Bürger mehr Recht auf Information hat als das Parlament.

Addendum hat deshalb eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz an das Landwirtschaftsministerium gestellt, weitgehend mit demselben Wortlaut wie die letzte parlamentarische Anfrage – und erhielt tatsächlich eine Antwort. Das Rätsel um die Kosten des tierischen Staatsgeschenks, an dem fünf parlamentarische Anfragen gescheitert waren, ließ sich so lösen: Der Lipizzaner hatte laut Ministerium einen Nettowert von 15.000 Euro. Auf der Seite des Gestüts Piber werden nicht dressierte Lipizzaner ab 5.500 Euro angeboten.

Kein Geschenk für Österreich

Wirklich interessant ist aber vor allem die Tatsache, wer für die Kosten aufkam. Köstingers Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) trug davon nämlich 12.000 Euro, 3.000 Euro wurden von der Spanischen Hofreitschule selbst übernommen.

Köstinger hätte die Beantwortung der letzten parlamentarischen Anfrage daher womöglich gar nicht ablehnen dürfen, wie Bundesrätin Dziedzic festhält: „Zumindest das BMNT hätte die Anfrage beantworten müssen, nachdem zu dem Zeitpunkt klar war, dass es die Kosten tragen wird. Das sind schlicht skandalöse Zustände und bisher ein Tiefpunkt in den 500 Tagen dieser Koalition.“ Die von Köstingers Ressort übernommenen 12.000 Euro fallen ins Budget der Hoheitsverwaltung und wären damit vom Interpellationsrecht des Nationalrates wie des Bundesrates erfasst.

Ob der Lipizzaner seinen Zweck erfüllt hat, wird sich letztlich kaum messen lassen. Die österreichische Delegation selbst hat in Abu Dhabi jedenfalls keine Geschenke bekommen.