644/A XXVII. GP

Eingebracht am 17.06.2020
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Antrag

der Abgeordneten Wolfgang Sobotka, Sabine Schatz, Eva Blimlinger, Helmut Brandstätter

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 143/2017, wird wie folgt geändert:

1. In § 2a Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 7 lit. e durch einen Strichpunkt ersetzt; nach Z 7 werden folgende Z 8 und 9 eingefügt:

         „8. die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises (§ 2e);

           9. Tätigkeiten im Zuge der Instandhaltung der Shoah Namensmauern Gedenkstätte sowie damit zusammenhängende administrative Aufgaben, soweit sie nicht von der Stadt Wien wahrzunehmen sind.“

2. Nach § 2d werden folgende §§ 2e und 2f eingefügt:

§ 2e. (1) Unbeschadet der Zuwendungen gemäß § 7 wendet der Bund dem Fonds für die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises einen Betrag von jährlich 30 000 Euro zu. Der Simon-Wiesenthal-Preis wird einmal jährlich an bis zu drei Personen oder Personengruppen als Auszeichnung für ihr besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust verliehen.

(2) Die Ausschreibung des Simon-Wiesenthal-Preises hat auf der Website des Fonds für die Dauer von mindestens vier Wochen zu erfolgen. Die Bewerbungen sind an die in der Ausschreibung genannte Stelle elektronisch zu übermitteln, wobei als Tag der Bewerbung jener Tag gilt, an dem die Bewerbung bei dieser Stelle einlangt. In der Bewerbung sind die Gründe anzuführen, die den Kandidaten als Preisträger geeignet erscheinen lassen. Zulässig sind sowohl Eigenbewerbungen als auch Einreichungen für andere Kandidaten.

(3) Nach Ende der Ausschreibungsfrist sind die eingelangten Bewerbungen an die Mitglieder der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury (§ 2f) zu übermitteln. Diese hat innerhalb von vier Wochen die Bewerbungen auszuwerten und dem Kuratorium einen schriftlichen Vorschlag für die Preisträger zu unterbreiten. Der Vorschlag kann bis zu fünf Kandidaten sowie eine Reihung derselben enthalten und ist zu begründen.

(4) Nach Vorliegen des Vorschlags der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury für die Preisträger können die Mitglieder des Kuratoriums Einsicht in die Bewerbungen nehmen. Das Kuratorium entscheidet auf Grundlage des Vorschlags der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury über die Preisträger.

(5) Die eingelangten Bewerbungsunterlagen sowie die Beratungen der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury und des Kuratoriums sind vertraulich.

(6) Die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises und die Überreichung der Urkunden an die Preisträger soll im Rahmen eines Festaktes im Parlament erfolgen. Der Simon-Wiesenthal-Preis ist jährlich mit 30 000 Euro dotiert, wobei 15 000 Euro auf den Jahrespreisträger und jeweils 7 500 Euro auf die weiteren Preisträger entfallen.

(7) Der Fonds hat ein Verzeichnis aller Preisträger des Simon-Wiesenthal-Preises zu führen und dieses auf seiner Website zu veröffentlichen.

§ 2f. (1) Der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury gehören an:

           1. ein Vorsitzender;

           2. fünf weitere Mitglieder, wobei eines dieser Mitglieder ein in gerader Linie Verwandter des Preisnamensgebers Simon Wiesenthal sein soll. Als andere Mitglieder bestellt werden müssen

                a) der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich, der im Verhinderungsfall einen Vertreter entsenden kann,

               b) anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen oder kulturellen Lebens im In- oder Ausland oder

                c) Personen mit wissenschaftlicher Reputation auf dem Gebiet der Zeitgeschichte oder in einem anderen einschlägigen Wissenschaftszweig.

(2) Die Mitglieder der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury sind vom Kuratorium für die Dauer einer Gesetzgebungsperiode zu bestellen. Sie bleiben bis zur Bestellung neuer Mitglieder im Amt. Wiederbestellungen sind zulässig. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, ist die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury für den Rest der Funktionsperiode durch ein neues Mitglied zu ergänzen.

(3) Die Tätigkeit als Mitglied der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury ist ehrenamtlich. Die Mitglieder haben Anspruch auf Reise- und Nächtigungskosten sowie Barauslagen unter sinngemäßer Anwendung der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133/1955, in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Die Einberufung der Sitzungen und die Koordination der Arbeit der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury obliegen dem Vorsitzenden. Die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury fasst ihre Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit, wenngleich auf eine einstimmige Beschlussfassung hinzuwirken ist. Sie ist beschlussfähig, wenn der Vorsitzende und mindestens zwei weitere Mitglieder anwesend sind.

(5) Das Kuratorium kann eine Geschäftsordnung für die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury beschließen, in welcher durch nähere Regelungen sichergestellt wird, dass die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury die ihr übertragene Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen kann.“

3. Nach § 7 wird folgender § 7a eingefügt:

§ 7a. (1) Der Fonds ist berechtigt, von Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen Auskünfte einzuholen, die zur Erfüllung der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Zu diesem Zweck dürfen dem Fonds auch personenbezogene Daten einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten übermittelt werden. Eine Auskunftserteilung darf nur unterbleiben, wenn besondere gesetzliche Bestimmungen dem entgegenstehen.

(2) Der Fonds ist berechtigt, personenbezogene Daten einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten zum Zweck der Erfüllung der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben zu verarbeiten.

4. § 8 wird folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) § 2a Abs. 1, § 2e, § 2f und § 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2020 treten am 1. September 2020 in Kraft.“


 

Begründung

 

Zu Z 1 (§ 2a Abs. 1 Z 8) und Z 2 (§§ 2e und 2f) – Simon-Wiesenthal-Preis

Mit dem vorliegenden Entwurf soll dem Nationalfonds die Aufgabe der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises übertragen werden, der einmal jährlich an bis zu drei Personen oder Personengruppen als Auszeichnung für ihr besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust verliehen werden soll.

Als Preisträger des Simon-Wiesenthal-Preises kommen auch juristische Personen und Personengruppen in Betracht (z.B. für Schulprojekte). Eine Verleihung posthum soll nicht möglich sein.

Die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury, bestehend aus sechs Mitgliedern, soll dem Kuratorium einen Vorschlag für die Preisträger unterbreiten. Dieser Vorschlag kann bis zu fünf Preisträger umfassen. Die Mitglieder der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury – und damit auch deren Vorsitzender – sollen vom Kuratorium für die Dauer einer Gesetzgebungsperiode bestellt werden. Der diesbezügliche Beschluss bedarf einer Zweidrittelmehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder (vgl. § 4 Abs. 4 letzter Satz idgF). Die Mitglieder der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury sollen bis zur Bestellung neuer Mitglieder im Amt bleiben, wodurch gewährleistet ist, dass die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury jederzeit einberufen werden kann, um die ihr übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen.

Der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury gehören ein Vorsitzender und fünf weitere Mitglieder an, wobei eines dieser Mitglieder – unbeschadet der in § 2f Abs. 1 Z 2 lit. a bis c genannten Voraussetzungen – ein Nachfahre des Preisnamensgebers Simon Wiesenthal sein soll. Als andere Mitglieder bestellt werden müssen der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich, der im Verhinderungsfall einen Vertreter entsenden kann, anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen oder kulturellen Lebens im In- oder Ausland oder Personen mit wissenschaftlicher Reputation auf dem Gebiet der Zeitgeschichte oder in einem anderen einschlägigen Wissenschaftszweig. Die Simon-Wiesenthal-Preis-Jury soll ihre Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit fassen, wenngleich auf eine einstimmige Beschlussfassung hinzuwirken ist. Sie soll beschlussfähig sein, wenn der Vorsitzende und mindestens zwei weitere Mitglieder anwesend sind.

Der Generalsekretär besorgt die administrativen Aufgaben in Zusammenhang mit der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises, d.h. er initiiert die jährliche Ausschreibung des Preises und bereitet die Entscheidungen des Kuratoriums in Zusammenhang mit der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises – insbesondere jene über die Preisträger des Simon-Wiesenthal-Preises (§ 2e Abs. 4) und jene über die Bestellung der Mitglieder der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury (§ 2f Abs. 2) – vor (vgl. § 6 Abs. 1 idgF).

Das Kuratorium entscheidet auf Grundlage des Vorschlags der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury über die Preisträger des Simon-Wiesenthal-Preises, d.h. es wählt aus den (bis zu fünf) vorgeschlagenen Kandidaten die Preisträger aus; dabei ist es nicht an die Reihung gebunden, die allenfalls im Vorschlag der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury enthalten ist. Für den Beschluss des Kuratoriums über die Preisträger bedarf es ebenfalls einer Zweidrittelmehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder (vgl. § 4 Abs. 4 letzter Satz idgF).

Der Simon-Wiesenthal-Preis ist jährlich mit 30 000 Euro dotiert, wobei 15 000 Euro auf den Jahrespreisträger und jeweils 7 500 Euro auf die weiteren Preisträger entfallen. Die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises und die Überreichung der Urkunden an die Preisträger erfolgt üblicherweise im Rahmen eines Festaktes im Parlament durch den Präsidenten des Nationalrates in seiner Funktion als Vorsitzender des Kuratoriums (vgl. § 3 Abs. 2 idgF) und den Vorsitzenden der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury. In der Geschäftsordnung der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury kann festgelegt werden, anhand welcher Voraussetzungen die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises und die Überreichung der Urkunden an den oder die Preisträger ausnahmsweise nicht im Rahmen eines Festaktes im Parlament erfolgen soll. Die Preisträger sind in einem Verzeichnis auf der Website des Nationalfonds auszuweisen.

 

Zu Z 1 (§ 2a Abs. 1 Z 9) – Tätigkeiten im Zuge der Instandhaltung der Shoah Namensmauern Gedenkstätte sowie damit zusammenhängende administrative Aufgaben

Die Bundesregierung hat am 12. März 2018 (BKA-351.000/0014-MRD/2018) und am 7. November 2018 (BKA-351.000/0051-MRD/2018) beschlossen, „die Errichtung einer Shoah Namensmauern Gedenkstätte an einem zentralen Ort in Wien“ zu unterstützen. Mit diesen Beschlüssen zur Errichtung einer Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich soll die historische Verantwortung der Republik Österreich für die Ereignisse zwischen 1938 und 1945 im Bewusstsein Österreichs wachgehalten und ein bleibendes Zeichen des Erinnerns gesetzt werden.

Die Errichtung dieser Namensmauer geht auf die Initiative des aus Österreich stammenden Holocaust-Überlebenden Kurt Yakov Tutter und des Vereines zur Errichtung einer Shoah Namensmauern Gedenkstätte zurück, wobei der Verein selbst für die Errichtung der Namensmauer verantwortlich sein soll. Der Nationalfonds der Republik Österreich unterstützt seit Jahren die Bestrebungen, einen solchen Ort des namentlichen Gedenkens zu schaffen.

Die Gedenkstätte soll auf dem Areal der – im Eigentum der Stadt Wien und der Österreichischen Nationalbank liegenden – Liegenschaft Ostarrichi Park durch den Verein zur Errichtung einer Shoah Namensmauern Gedenkstätte errichtet werden. Mit der technisch geschäftlichen Oberleitung für die Abwicklung des Bauprojektes wurde die Bundesimmobiliengesellschaft m. b. H. (BIG) beauftragt. Für die laufende Begleitung der Bauprojektabwicklung wurde eine Projektgruppe bestehend aus Verein, BIG, Stadt Wien, Österreichischer Nationalbank und Nationalfonds eingerichtet.

Kurt Yakov Tutter, der Generalsekretär des Vereins zur Errichtung einer Namensmauern Gedenkstätte, hat vorgeschlagen, dass der Nationalfonds die Verwaltung der Finanzen einschließlich der öffentlichen Subventionen, der Spenden und der Ausgaben für das Projekt betreut. Diesem Vorschlag soll entsprochen werden.

Nach der Errichtung wird der Verein die Gedenkstätte unentgeltlich an die Stadt Wien übertragen. Die Stadt Wien unterstützt dieses Projekt sowohl bereits intensiv in der Phase der Errichtung als auch dadurch, dass sie die Gedenkstätte in ihre denkmalpflegerische Obhut nehmen wird. Auf Seite des Bundes soll der Nationalfonds für den Erhalt der Gedenkstätte verantwortlich sein. In die Verantwortlichkeit des Nationalfonds werden insbesondere folgende Tätigkeiten fallen:

-       die Bereitstellung finanzieller Mittel für Versicherungsleistungen wie Schadens- und Haftpflichtversicherung der Gedenkstätte sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel für anteilig anfallende Kosten aus dem Grundeigentum,

-       die Betreuung allgemeiner Anfragen zur Gedenkstätte wie Fragen zu eingravierten Namen und eventuelle Änderungen und Ergänzungen von Namen und Daten,

-       die Betreuung der Website der Gedenkstätte,

-       und die Betreuung allgemeiner Anfragen von BesucherInnen der Gedenkstätte.

Schließlich wird sich der Nationalfonds im Zuge einer notwendigen temporären Entfernung der Gedenkstätte oder im Falle des gänzlichen oder teilweisen Untergangs gemeinsam mit der Stadt Wien der Fragen nach dem zukünftigen Bestand bzw. der Wiederherstellung der Gedenkstätte annehmen.

 

Zu Z 3 (§ 7a) – Auskunftserteilung

Es soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um sicherzustellen, dass der Nationalfonds über die Informationen verfügt, die er für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. Dies umfasst auch den Erhalt und die Verarbeitung der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen personenbezogenen Daten einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.