758/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 07.07.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausbau der Fahrradinfrastruktur als Konjunkturmotor

 

Die Republik Österreich befindet sich inmitten zweier Krisen: Einerseits droht kurz- und mittelfristig eine durch die COVID-19 Pandemie verursachte Wirtschaftskrise, welche sich bereits durch einen Konjunktureinbruch und einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit manifestiert. Andererseits drohen der Klimawandel und seine Folgen langfristig katastrophale globale Konsequenzen mit sich zu ziehen. Auch hier sind durch messbare Temperaturanstiege, Trockenheit und extreme Wetterereignisse erste Auswirkungen zu spüren, welche je nach Temperaturanstieg mehr oder weniger drastisch zunehmen werden. 

Während auf europäischer Ebene die klimapolitischen Zielsetzungen sowie das als "Green Deal" bekannte Maßnahmenpaket im Kontext der COVID-19 Wirtschaftskrise bereits als eine Art nachhaltiges Konjunkturpaket interpretiert wird, fehlt noch ein klares Bekenntnis der Österreichischen Bundesregierung, die jetzt notwendigen Konjunkturbelebungsmaßnahmen mit klimapolitischen Zielsetzungen und der notwendigen Neuorientierung der Wirtschaft und politischen Rahmenbedingungen zu verbinden. 

In Österreich besteht bei der Klimapolitik gerade im Verkehrsbereich der mit Abstand größte Handlungsbedarf: Während in den anderen Bereichen die Emissionen im langjährigen Schnitt entweder stagnieren oder sogar leicht zurückgehen, sind laut Umweltbundesamt seit 1990 die Emissionen im Verkehrsbereich um 74% gestiegen. Hauptursache sind hier Versäumnisse in der Verkehrspolitik und Infrastrukturplanung, aber auch die europaweit problematische Zersiedelung.

Die COVID-19 Krise hat sowohl in Österreich aber auch in ganz Europa zu einem regelrechten Fahrradboom geführt. In vielen europäischen Metropolen, aber auch in Wien, hat der Fahrradverkehr sowie der Absatz bei Händlern massiv zugenommen, was in Städten wie Paris und London zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Stadtplanung geführt hat. Denn abgesehen von den wissenschaftlich zweifelsfrei belegten positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, hat ein erhöhter Anteil von Fahrradverkehr auch zahlreiche kurz- und langfristige Effekte für die Volkswirtschaft sowie das Gesundheitssystem:

·        Geringere Luftverschmutzung, welche europaweit für 100.000 Tote, Milliardenkosten in Gesundheitssystemen verantwortlich ist, sowie wahrscheinlich auch ein signifikanter Faktor in COVID-19 Erkrankungen

·        Laut Metauntersuchungen in mehreren Staaten wirkt Pendeln mit dem Fahrrad sowohl lebensverlängernd als auch präventiv bzgl. jener Volkskrankheiten, welche die größten Kosten für das Gesundheitssystem verursachen

·        Verschiedene Studien, unter anderem Untersuchungen des britischen Department for Transport, haben ergeben, dass Investitionen in Fahrradinfrastrukur jene Infrastrukturinvestitionen sind, welche die beste Kosten-Nutzen-Rechnung vorweisen. Dies umfasst neben drastischen Ersparnissen im Gesundheitssystem eine gesteigerte lokale Wertschöpfung, viele neu geschaffene Arbeitsplätze sowie reduzierte fossile Importe. 

Investitionen in die Fahrradinfrastrukur haben dementsprechend das Potential, nicht nur bei der kurzfristigen Krisenbekämpfung eine große Rolle zu spielen, sondern auch langfristig Kosten zu sparen, Arbeitsplätze zu schaffen und einen Schritt hin zu lebenswerteren, gesünderen Städten zu setzen. Allerdings zeigen Untersuchungen auch, dass es nicht reicht, einfach nur Fahrspuren an den Fahrbahnrand aufzumalen oder Fahrradwege in Umwegen um Autostraßen herumzuschlängeln. Die deutlichste Zunahme an Fahrradverkehr sowie der damit verbundenen positiven Effekte zeigen im internationalen Vergleich jene Städte und Länder, welche eine Priorisierung des Fahrradverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr in der Verkehrsplanung forcieren.

In Österreich gibt es gerade bei der Schaffung einer über Gemeindegrenzen hinweg konzipierten Fahrradinfrastruktur ein großes Potential. Aufgrund der fehlenden überregionalen Gesamtverkehrsplanung sowie der Praxis nicht durchgängiger, um den Autoverkehr herum geplanter Fahrradwege, sowie der mangelnden Anbindung von Ortschaften untereinander, wird die Erledigung von Alltagswegen mit dem Fahrrad sowie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel erschwert. Sowohl die Pendlerstatistiken als auch die Statistiken zur Autonutzung bei Alltagswegen bestätigen aber, dass ein substanzieller Teil der Wege in Österreich bequem und ohne größeren Zeitaufwand mit dem Fahrrad erledigt werden könnte. Gleichzeitig dominiert in der Planungspraxis vieler Länder und Gemeinden noch das Bild des Fahrradverkehrs als Freizeit- oder Tourismusaktivität, was zur Folge hat, dass Radwege indirekt und nach touristischen Gesichtspunkten konzipiert werden und nicht als Teil der Alltagsmobilität.

Um die bereits angeführten Vorzüge des gesteigerten Fahrradverkehrs für Österreich zu ermöglichen, sind dementsprechend nicht nur Investitionen in die Infrastruktur notwendig, sondern eine bundesweit koordinierte Gesamtstrategie für den Fahrradverkehr und ein grundlegender Wandel in der Planungspraxis und Infrastrukturpolitik.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpaket vorzulegen, welches folgende Punkte umfasst:

·        Die Schaffung eines Bundesmasterplans zur Steigerung des Fahrradverkehrs sowie des Ausbaus, der Verdichtung und der Lückenschließungen bei der regionalen Fahrradinfrastruktur

·        Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeindevertreter_innen um Rahmenbedingungen für die Schaffung von direkten, baulich getrennten Fahrradinfrastrukturen zwischen Ortschaften und Gemeinden zu forcieren, sowie Maßnahmen zur Stärkung der Koordinierung bei der Planung von Fahrradinfrastruktur über Landes- und Gemeindegrenzen hinweg

·        Begleitende Maßnahmen zur stärkeren Forcierung des Fahrradverkehrs bei der lokalen und regionalen Infrastrukturplanung

·        Verdoppelung der Mittel im Bundesbudget für die Fahrradinfrastruktur und Zweckbindung für den Ausbau von direkten, baulich getrennten Fahrradinfrastrukturen zwischen Ortschaften sowie zur Anbindung an überregionale öffentliche Verkehrsmittel."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.