860/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.09.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Langfristige Perspektiven für EZA

Die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD – Motto: Better policies for better lives) bewertet in regelmäßigen Abständen die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit (also policies) der Partnerländer in Hinblick auf Konformität mit international anerkannten best practices. Anfang 2020 wurde die neueste Österreich-Bewertung vorgestellt. In einem über 100-seitigen Report befindet die OECD, dass die Arbeit der Austrian Development Agency (ADA) qualitativ hochwertige Entwicklungszusammenarbeit (EZA) in Partnerländern leistet. Allerdings ist die ADA nur für einen Teil der von Österreich geleisteten Entwicklungsarbeit zuständig, und politische Einflussnahme vermindert die Wirksamkeit der österreichischen Beiträge. Dadurch schwächt Österreich auch die Wirkung der oft zitierten "Hilfe vor Ort."

Die wiederkehrende Kritik ist die Fragmentierung der österreichischen EZA, und daraus resultierende Probleme. Das Fehlen eines „all-of-government“ (also gesamtheitlichen) Zugangs führt zu multiplen und unklaren Prioritäten verteilt über mehrere Ministerien; und daraus resultierend zu fehlendem institutionellen Lernen.

Nur an einer Stelle im Gesamtprozess ist der Zugang hochzentralisiert – nämlich bei der Entscheidung über Fokusthemen. Diese werden im Ministerrat entschieden. Gerade hier wäre allerdings ein strategischer, langfristiger Plan einer tagespolitisch beeinflussbaren, politisch motivierten Entscheidungsfindung vorzuziehen. Dadurch, dass die großen Entscheidungen in einem sich ständig ändernden innenpolitischen Umfeld getroffen werden, wird Österreichs Entwicklungspolitik für alle Beteiligten (in Österreich und den Zielländern) unberechenbar. Zudem verschiebt sich der Planungshorizont. Anstatt einer Projektoptimierung treten der österreichische innenpolitische Kalender und parteipolitische Prioritäten in den Vordergrund.

Dass Österreich immer noch auf Basis einer 2009 humanitarian policy, die auf der Annahme von Desaster Management beruht, arbeitet, ist der realpolitische Ausdruck eines Systems, das Maßnahmen auf höchster Ebene politisiert, dann aber schnell und ineffizient auf Ministerien verteilt und dadurch einem einheitlichen Bewertungs- und Lernsystem entzieht. Die Welt hat sich seit 2009 stark verändert, und die OECD zeigt auf, dass gerade in Sachthemen, die in der heutigen Welt besonders wichtig sind (z.B. Stabilisierung fragiler Gesellschaften), Österreich hinter seinen Möglichkeiten nachhinkt – und damit auch seine eigenen Prioritäten, wie zum Beispiel in der Verringerung von Migrationsdruck, nicht optimal bedient. 

Bei den Richtungsentscheidungen sollte die Regierung langfristige, entwicklungspolitische Zielvorgaben geben; und dann Experten die Themen, Projekte, Partnerländer und Vertragspartner (NGOs etc.) langfristig und von politischen Einflüssen unabhängig bestimmen lassen. Auch ist EZA in zwei Kategorien zu trennen: (a) strategische, langfristige EZA und (b) unmittelbare humanitäre Hilfe oder Stabilisierung (Katastrophenhilfe, Militärassistenz). 

Ein „whole-of-government“ Zugang würde die Bundesregierung nur bei der Budgetierung und der langfristigen Prioritätensetzung einbeziehen. Eine übergeordnete, mit Expert_innen besetzte Institution (z.B. ADA) übersetzt die politische Vorgabe in Aufgaben und vergibt diese an die für die Implementation bestbefähigten Ministerien und Vertragspartner_innen. Die übergeordnete Institution bewertet (monitors) und evaluiert die Arbeit aller Vertragspartner_innen und Ministerien während der Projektlaufzeit, und korrigiert Abweichungen vom Soll in Echtzeit.

Die OECD Bewertung weist darauf hin, dass Österreich im Begriff ist, gemeinsame Evaluierungsgrundsätze für alle Stakeholder auszuarbeiten. Die Ministerien und Vertragspartner_innen nehmen daran allerdings freiwillig (!) teil. Freiwilligkeit bei Projektevaluierung ist nicht best practice, sondern verringert die Wahrscheinlichkeit von Korrekturen bei Fehlentwicklungen und schwächt institutionelles Lernen. Monitoring und Evaluierung müssen von einer zentralen Stelle mit Verantwortung für die österreichische Entwicklungspolitik übernommen werden und verpflichtend von allen Beteiligten eingefordert werden.

Die OECD zeigt auch zustimmend auf, dass Österreich mit seinen beschränkten Mitteln Entwicklungshilfe stark durch Beiträge an internationale Organisationen leistet. Da diese Art der Hilfeleistung durch leveraging kosteneffektiv ist, sollte die Regierung darüber nachdenken, dieses Modell vermehrt einzusetzen, und Projekte in Eigenregie nur nach einem Kriterienkatalog zu vergeben, der den Mehrwert solcher Eigenprojekte darstellen kann. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Außenminister, wird aufgefordert:

·         Österreichs strategische Hilfe zur Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftssysteme von Katastrophen- oder Militärhilfe abzukoppeln;

·         Katastrophenhilfe kurzfristig nach Bedarf zu budgetieren und zu vergeben;

·         Strategische EZA langfristig in Mehrjahresplänen nach strategischen Themenbereichen zu formulieren (momentan: Armutsbekämpfung, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Umweltschutz, Frieden und Sicherheit, Inklusivität und Frauenrechte) und die Operationalisierung der Implementierungsprojekte auf Expert_innenebene für den Planzeitraum ohne Adaptierung für innenpolitische Prioritäten umsetzen zu lassen; 

·         Als zentrale Koordinationsstelle im Sinne des all-of-government Prinzips für Österreichs strategische EZA die ADA einzusetzen, welche Vorgaben der Bundesregierung direkt umsetzt oder je nach Kompetenz an andere Ministerien delegiert;

·         die ADA mit Monitoring und Evaluation aller strategischen EZA Projekte zu betrauen, an denen alle Projekt-Stakeholder (Vertragspartner_innen, Ministerien) verpflichtend teilnehmen müssen;

·         Einen Kriterienkatalog zu erstellen, nach dem österreichische EZA Budgetmittel entweder direkt verwendet werden oder an Projekte internationaler Organisationen im Sinne der strategischen Themenbereiche vergeben werden – als Hauptkriterium für Eigenprojekte ist ein Mehrwert eines Direktprojekts im Vergleich zum leveraging der Mittel über eine internationale Organisation heranzuziehen;

·         Das 0,7% Budgetziel für strategische EZA schnell zu erreichen, und alternative Budgetmittel für Katastrophenhilfe, Militäreinsätze und andere dem Tagesgeschehen geschuldete humanitären Hilfsoperationen aus anderen Budgets je nach Bedarf bereitzustellen." 



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.