936/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 14.10.2020
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Kampf gegen Kinderpornografie
"Eines Verbrechens macht sich schuldig, wer in gewinnsüchtiger Absicht
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a) |
unzüchtige Schriften, Abbildungen, Laufbilder oder andere unzüchtige Gegenstände herstellt, verlegt oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hält, |
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b) |
solche Gegenstände einführt, befördert oder ausführt, |
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c) |
solche Gegenstände anderen anbietet oder überläßt, sie öffentlich ausstellt, aushängt, anschlägt oder sonst verbreitet oder solche Laufbilder anderen vorführt, |
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d) |
sich öffentlich oder vor mehreren Leuten oder in Druckwerken oder verbreiteten Schriften zu einer der in den lit. a bis c bezeichneten Handlungen erbietet, |
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e) |
auf die in lit. d bezeichnete Weise bekanntgibt, wie von wem oder durch wen unzüchtige Gegenstände erworben oder ausgeliehen oder wo solche Gegenstände besichtigt werden können. |
(...)
Eines Vergehens macht sich schuldig, wer wissentlich
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a) |
eine Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung, die geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, oder einen solchen Film oder Schallträger einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt anbietet oder überläßt, |
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b) |
eine solche Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung auf eine Art ausstellt, aushängt, anschlägt oder sonst verbreitet, daß dadurch der anstößige Inhalt auch einem größeren Kreis von Personen unter 16 Jahren zugänglich wird, |
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c) |
einer Person unter 16 Jahren ein solches Laufbild oder einen solchen Schallträger vorführt oder eine Theateraufführung oder sonstige Darbietung oder Veranstaltung der bezeichneten Art zugänglich macht." |
Was sich anhört wie eine verstaubte klerikale Moralpredigt aus den 50ern des vorigen Jahrhunderts, ist es auch.
Gleichzeitig ist es geltendes Recht - in Österreich - im Jahr 2020.
Das Bundesgesetz vom 31. März 1950 über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung kurz "Pornographiegesetz" ist ein Relikt der 1950er.
Seit seiner Kundmachung 1950 wurde es inhaltlich nicht mehr novelliert.
Gleichzeitig haben sich die gesellschaftlichen wie technischen Rahmenbedingungen aber grundlegend verändert.
Der Gesetzestext, der moralische Wertvorstellungen der Nachkriegsjahre widerspiegelt, ist mit der gesellschaftlichen wie technischen Realität des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts nicht mehr in Einklang zu bringen, ohne dabei interpretatorische Purzelbäume schlagen zu müssen. Dem strengen Bestimmtheitsgebot für strafbewährte Normen kann das Gesetz jedenfalls nicht mehr standhalten.
Die Judikatur zum Gesetz spiegelt jedenfalls seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre den Wertewandel wider und weichte das Gesetz so weit auf, sodass fraglich ist, welcher Anwendungsbereich für das Gesetz überhaupt noch übrig bleibt.
Seit dem Jahr 2000 war der OGH nicht mehr mit das PornographieG betreffenden Fällen befasst, was wohl auch dem Umstand geschuldet ist, dass neben dem weiter voranschreitenden Wertewandel und der allgemeinen gesellschaftlichen Liberalisierung die wesentlichen und notwendigen Rechtsentwicklungen betreffend pornografischer Darstellungen fortan im Strafgesetzbuch (StGB) vollzogen wurden. Weshalb das PornG im Rahmen des zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetz 2018 übergeleitet wurde, ist nicht nachvollziehbar. (Im Rahmen der strafjustiziellen Tätigkeit scheinen jedenfalls keine Urteilszahlen für das PornG mehr auf: https://bmi.gv.at/508/files/SIB_2018/4_SIB_2018_BMVRDJ_web.pdf.)
Während in den letzten Jahrzehnten vor allem der Wertewandel zur Rechtsfortbildung beitrug, so ist es nun der technische Wandel, der die Gesellschaft als auch die Rechtspflege vor enorme Herausforderungen stellt und legistischen Handlungsbedarf aufzeigt.
Einerseits veränderten moderne Online-Plattformen die "Verbreitungskanäle" für pornografische Inhalte komplett und machten sie in Verbindung mit Endgeräten für jedermann zugänglich. Andererseits lässt sich durch die Verbreitung von Foto- und Film-fähigen Endgeräten, wie Smartphones, eine starke Tendenz zum "User-generated content" feststellen, wodurch sich die "Urheberschaft" strukturell veränderte. Waren vor 30 Jahren noch Hochglanzmagazine einschlägiger Verlagshäuser und Videokassetten als corpus delicti dominant, so sind es heute durch jeden und ohne Alterslimit abrufbare Videoplattformen.
Beachtlich ist, dass sich hinter den weltweit größten und umsatzstärksten Videoplattformen "Pornhub", "Youporn", "RedTube" etc. ein einziger Konzern verbirgt: "Mindgeek" mit Sitz in Luxemburg. Schätzungsweise laufen mehr als 90% des internationalen Pornografie-Datenverkehrs über die diversen Plattformen des Konzerns. Pornhub etwa generiert mit 42 Milliarden Besuchen im Jahr 2019 und 6 Millionen Videos, die pro Jahr hochgeladen werden, Millionen an Werbe- und Mitgliedereinnahmen. Es gibt jedoch kein System, mit dem das Alter oder die Zustimmung derjenigen, die in den von ihm gehosteten pornografischen Inhalten enthalten sind, zuverlässig überprüft werden kann. Das geltende PornographieG vermag es jedenfalls nicht mehr einen seinem Telos entsprechenden angemessen und effektiven Kinder- und Jugendschutz sicherzustellen.
Diese Entwicklungen schlagen sich auch in besorgniserregenden Kriminalstatistiken in Österreich wieder: Die Zahl der Anzeigen wegen pornographischer Darstellungen Minderjähriger (Paragraph 207a StGB) ist 2019 erneut um 43,% auf 1.666 angestiegen (2018: 1.161 Anzeigen). (Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2019) Die Dunkelziffer liegt freilich deutlich höher.
Neben rechtswidrigen pornografischen Inhalten, die Minderjährige betreffen, sind auch intime bzw. pornografische Darstellungen, deren Anfertigung bzw. Veröffentlichung ohne den Willen oder das Einverständnis der/des Dargestellten erfolgten, höchst problematisch. Dieser Umstand führt unter anderem zu einer derzeit international heftig diskutierten Petition, die in internationalen Medien unter dem #Traffickinghub bzw. #Shutdownpornhub firmiert. (Quelle: https://traffickinghub.com/).
Teilaspekte dieser Probleme sollen durch Einführung des Paketes "Hass-im-Netz" Berücksichtigung finden. Einerseits soll ein neuer Straftatbestand der Herstellung bzw. Verbreitung "Unbefugte Bildaufnahmen" als neuer § 120a StGB eingeführt werden. Andererseits sollen im Rahmen eines Kommunikationsplattformen-Gesetz proaktive Löschungsverpflichtungen für rechtswidrige Inhalte für Plattformbetreiber vorgesehen werden. Die Delikte "pornographische Darstellungen Minderjähriger (§ 207a StGB)" wie auch der o.a. neue § 120a StGB sollen davon umfasst sein, was sehr zu begrüßen ist.
Das "Hass im Netz" Gesetzgebungsvorhaben sollte auch für eine grundlegende Evaluierung des stark veralteten österreichischen Pornographiegesetzes genutzt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert,
1. das Bundesgesetz vom 31. März 1950 über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung (Pornographiegesetz) im Zuge des Gesetzesvorhabens "Hass im Netz" einer Evaluierung zu unterziehen. Das Gesetz solle insbesondere auf seinen Anwendungsbereich, seine Ziele und Effizienz vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen seit dem Jahr 1950 sowie aktueller technischer Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung überprüft werden.
2. nach erfolgter Evaluierung dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem das Pornographiegesetz auf Höhe des 21. Jahrhunderts und der Digitalisierung gebracht wird, ein wirksamer Kinder- und Jugendschutz sichergestellt wird und Maßnahmen gegen Kinderpornografie verstärkt werden."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.