945/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 14.10.2020
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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verbesserung der Unabhängigkeit, Qualität und Transparenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit

 

Die Einrichtung eines zweistufigen Verwaltungsgerichts-Systems durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 war eine bedeutende Entwicklung für das Österreichische Rechtsschutzsystem. Seit der Einführung haben sich allerdings auch zahlreiche Mängel und Verbesserungspotential herauskristallisiert. Die Landesverwaltungsgerichte und insbesondere das Bundesverwaltungsgericht sehen sich in den letzten Jahren immer wieder Kritik an ihrer bzw. seiner Unabhängigkeit und Transparenz ausgesetzt. Des Weiteren steht die Besetzungspolitik an den Verwaltungsgerichten, inklusive potentieller politischer Einflussnahme, etwa durch die Praxis der sogenannten Kreuzreihung, schon seit langem in der Kritik. Darüber hinaus bestehen Zweifel über die ausreichende Qualifikation von angehenden Verwaltungsrichter_innen. Viele Kandidat_innen bringen zwar exzellentes materielles Fachwissen aus der Verwaltungspraxis mit, verfügen aber über keinerlei Erfahrung an einem Gericht. Aus diesem Grund wären eine vertiefte und grundlegende Ausbildung und Heranführung an das Richteramt ratsam.

Probleme wie diese könnten Zweifel an der Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte sowie an der Qualität ihrer Entscheidungen aufkommen lassen. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist daher eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen nötig, um die Unabhängigkeit, Professionalität und Transparenz der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten. Die Einführung eines spezifischen Ausbildungslehrganges für Richter_innen der Verwaltungsgerichte, die Stärkung der Personalsenate bzw. Personalausschüsse bei deren Auswahl, sowie Transparenz der Auswahlentscheidung wären hierbei die wichtigsten Schritte. Weiters muss das Prinzip öffentlicher Verhandlungen für die Verwaltungsgerichte gewährleistet, sowie die Dienstvoraussetzungen an jene der Richter_innen an den ordentlichen Gerichten angeglichen werden. Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen hat bereits der vierte Evaluierungsbericht der Group Of States Against Corruption (GRECO) des Europarates deutlich aufgezeigt.

Auch die Europäische Kommission äußerte in ihrem Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit 2020 Bedenken zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich. Der Bericht beanstandet insbesondere das Verfahren zur Ernennung der Präsident_innen der Verwaltungsgerichte und verweist auf die Empfehlungen des vierten GRECO Evaluierungsberichts.

Im türkis-grünen Regierungsprogramm finden sich lediglich zwei vage Absichtserklärungen zur Schaffung einheitlicher Ausbildungsstandards für Richter_innen der Verwaltungsgerichte und der ordentlichen Gerichte, sowie zum Erfordernis einer ausreichenden Begründung bei Abweichungen der Bestellung vom Vorschlag des Personalsenats.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für EU und Verfassung, wird aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Angleichung der Auswahl, Ausbildung und Dienstvoraussetzungen von Verwaltungsrichter_innen an jene der ordentlichen Richter_innen vorsieht, sowie Vereinheitlichungen im Dienstrecht der Landesverwaltungsrichter_innen und die Einführung eines transparenten Auswahlprozesses enthält. Des Weiteren soll der Entwurf die einschlägigen Anregungen des vierten GRECO Evaluierungsberichts berücksichtigen.

Der Gesetzesentwurf soll dabei insbesondere folgende Punkte beinhalten:

·         Eine eindeutige Regelung der Vorauswahl von Verwaltungsrichterkandidat_innen anhand objektivierbarer, standardisierter Kriterien.

·         Die Verbindlichkeit der Besetzungsvorschläge der Personalsenate bzw. Personalausschüsse bei der Ernennung von Verwaltungsrichter_innen.

·         Die verpflichtende, öffentliche Begründung der Ernennung oder Ablehnung von Bewerber_innen für Verwaltungsrichter_innenstellen.

·         Die Einbindung der Personalsenate bzw. Personalausschüsse bei der Ernennung der Gerichtspräsident_innen bzw. Vizepräsident_innen.

·         Öffentliche Hearings vor der Besetzung der Posten des/der Gerichtspräsidents/-in und des/der Vizepräsidents/-in.

·         Die Einführung eines Systems periodischer Leistungsbeurteilung von Richter_innen, einschließlich der Gerichtspräsident_innen, und die Berücksichtigung der Resultate solcher Beurteilungen vor allem für die Karriereentwicklung. 

·         Ein bundeseinheitlich vorgegebener Rahmen für das Dienst- und Disziplinarrecht der Landesverwaltungsrichter_innen mit dem Ziel, die größtmögliche Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten.

·         Ein Ausbildungslehrgang für Interessent_innen und neu ernannte Verwaltungsrichter_innen.

·         Einen Berufsverhaltenskodex, der insbesondere Verhaltensregeln bei Geschenkannahme, Interessenkonflikten und Pensionsaktivitäten beinhaltet.

·         Weiters ist die Öffentlichkeit von Verfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu garantieren und lediglich eine begrenzte Anzahl von klar definierten Ausnahmemöglichkeiten festzulegen."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.