965/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 15.10.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abg. Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Stopp der Zuwanderung in unser Sozialsystem

 

Einzelne Bundesländer wie insbesondere das rot-grün regierte Bundesland Wien haben die Nichtumsetzung der Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (SH-GG) seit dessen Inkrafttreten damit begründet, dass man ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu diesem Gesetz abwarten müsse und erst dann eine Ausführungsgesetzgebung entsprechend umsetzen werde.

 

Im diesbezüglichen VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2019 wurden lediglich 3 von 13 angefochtenen Gesetzespassagen teilweise aufgehoben. Alle anderen 10 angefochtenen Gesetzespassagen und insbesondere auch die nicht angefochtenen Gesetzespassagen blieben vom VfGH-Erkenntnis ausdrücklich unangetastet und damit weiterhin in Kraft.

 

Zum VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) ist inhaltlich darüber hinaus folgendes anzuführen:

 

1.    Der VfGH widerspricht sich selbst. Noch vor einem Jahr wurde zur oberösterreichischen Mindestsicherung (VfGH 11.12.2018, G 156/2018 ua) eine funktionsgleiche degressive Staffelung von Sozialleistungen bei einer hohen Kinderanzahl, die ja zusätzlich zur ohnehin bestehenden Familienbeihilfe ausbezahlt werden, als zulässig anerkannt.

 

2.    Der VfGH negiert den klaren sachlichen Zusammenhang zwischen Spracherwerb und Berufsqualifikation. Das ist eine weltfremde Botschaft aus dem Elfenbeinturm.

 

3.    Für die aufgehobenen Regelungen können funktionsgleiche Ersatzregelungen getroffen werden, die den Spruch des VfGH berücksichtigen.

 

Das SH-GG ist ein Auftrag an die Landesgesetzgebung. Demzufolge werden Oberösterreich und Niederösterreich ihre bereits erlassenen Ausführungsgesetze in puncto „Kinderzuschläge“ und „Arbeitsqualifizierungsbonus“ anzupassen haben, wobei eine Ersatzregelung in Bezug auf die Kinderzuschläge relativ leicht umzusetzen ist. Sämtliche anderen Bundesländer sind und bleiben aber verpflichtet, alle übrigen Regelungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch Ausführungsgesetze umzusetzen.

 

Zahlreiche Regelungen des SH-GG, die der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung im Gesetzwerdungsprozess ein Anliegen waren, wurden gar nicht angefochten, darunter etwa:

 

 

 

 

Darüber hinaus sind die vor dem VfGH angefochtenen, aber verfassungskonformen Regelungen des SH-GG anzuführen:

 

 

 

 

 

 

Für die durch den VfGH beanstandeten und aufgehobenen Regelungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bestehen auf der Ebene der Bundesgesetzgebung ebenfalls rasch umsetzende Varianten einer verfassungskonformen Sanierung:

 

·         Die degressive Staffelung für Kinderzuschläge: Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Variante ist bereits vorgezeichnet: Da die von den Anfechtungswerbern behauptete Überdeterminierung des Grundsatzgesetzes letztlich in keinem Punkt beanstandet wurde, dürfte wohl auch die vollinhaltliche Übernahme der Haushaltsdeckelregelung des Oö. MSG nicht zu beanstanden sein. Ebenso könnte etwa ein einheitlicher prozentueller Zuschlag pro Kind vorgesehen werden.

 

·         Arbeitsqualifizierungsbonus:  Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Variante könnte darin bestehen, dass die Pflichten nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und/oder dem Integrationsgesetz (IntG) weiter präzisiert und engmaschig verschärft werden, sodass im Ergebnis nur jene Asylberechtigten eine volle Leistungshöhe beanspruchen können, die in Vollzeit mit der Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse bzw. weiterer Arbeitsqualifizierung beschäftigt sind. Ebenso ist es durchaus denkbar, für die Inanspruchnahme von ÖIF-Kursangeboten des Staates einen direkten Selbstbehalt vorzusehen.

 

·         § 1 Abs. 1 Sozialhilfe-Statistikgesetz: Dieses technische Detail ist durch die geforderte nähere Konkretisierung problemlos zu reparieren. Eine Reparatur könnte aber entbehrlich sein, da die Länder ohnehin in ihren Ausführungsgesetzen entsprechende Verpflichtungen zur zwischenbehördlichen Datenweitergabe vorzusehen haben (§ 8 SH-GG).

 

Die Tageszeitung „Der Standard“ hat eine interessante Studie der Princeton University an die Öffentlichkeit gebracht, die einen nachhaltigen Einblick in die innerösterreichische Migrationswanderung von den Bundesländern in die Bundeshauptstadt Wien offenlegt:

https://www.derstandard.at/story/2000114779084/wien-zieht-mit-hoeherer-sozialhilfe-fluechtlinge-an

 

Dazu kommentiert Redakteur Andreas Schnauder unter dem Titel „Pull-Effekt der Sozialhilfe: Falsche Anreize“:

 

Dass ein kleines Land derartige Unterschiede aufrechterhält, mag typisch österreichisch sein, macht es aber auch nicht besser. Die unterschiedlichen Leistungen sorgen nicht nur dafür, dass Asylberechtigte wandern. Es gibt auch – abseits der Studie – einen Pull-Effekt aus der Beschäftigung in die Mindestsicherung. Das ist der Fall, wenn Jobs schlecht bezahlt sind – man denke nur an Küchengehilfen. Für geflüchtete Familien kann es attraktiver sein, in Wien von Sozialleistungen zu leben, als in Tirol von Arbeit.

 

Die FPÖ hat dazu einen klaren Standpunkt, den Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch so formulierte:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200220_OTS0035/fpoe-belakowitsch-neue-studie-zeigt-wiener-mindestsicherung-zieht-asylberechtigte-an

 

Diese Langzeitstudie zweier unabhängiger Wissenschaftler zeigt eindeutig, dass die Reise in Sachen Mindestsicherung in die falsche Richtung gegangen ist. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass das unter Türkis-Blau 2019 beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in allen österreichischen Bundesländern umgesetzt werden muss. Die vom VfGH monierten Änderungen sind in einer Novelle leicht durchzuführen und insbesondere das rot-grün geführte Wien hätte keine Ausrede mehr, die Ausführungsgesetzgebung vorzulegen.

 

Dazu ist aber insbesondere die ÖVP auf Bundesebene aufgerufen, hier endlich gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner dieses Projekt auch weiter zu verfolgen und umzusetzen. Als FPÖ würden wir im ‚koalitionsfreien Raum‘ hier auch sachpolitisch unterstützend dazu beitragen, dass das sinnhafte und notwendige Sozialhilfe-Grundsatzgesetz endlich bundesweit inklusive Ausführungsgesetzen in Kraft treten kann. Verschweigt sich die ÖVP hier weiterhin und verabschiedet sie sich von diesem Reformschritt, dann würde das wieder einmal zeigen, dass hier nach hinlänglich bekannter ÖVP-Methode wieder nur Wasser gepredigt und Wein getrunken wird.

 

-       Für Sozialhilfebezieher und –bezieherinnen wurde auch ein neues Leistungsrecht etabliert, das Zuschläge für besonders schützenswerte Personengruppen (Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung) vorsieht.

-       Auch die Abdeckung nachweislich höherer Wohnkosten (Wohnkostenpauschale) wurde zusätzlich möglich gemacht, ebenso die Gewährung von Zusatzleistungen im Härtefall für Sonderbedarfe.

 

Alle diese sinnvollen und notwendigen Maßnahmen wurden durch die Nichtumsetzung der Ausführungsgesetzgebung in einzelnen Bundesländern verhindert. Gerade in Konfrontation mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise und ihren sozialen Folgen sollte daher im Interesse jener, die unverschuldet in Not geraten sind und die ihren Beitrag ins Sozialsystem über viele Jahre geleistet haben, eine rasche Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes und Umsetzung in den Ausführungsgesetzen erfolgen.

 

Dass alle Fakten für eine rasche Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes sprechen zeigen die aktuellen Zahlen der Statistik Austria für das Jahr 2019:

 

Mindestsicherung ist ein El Dorado für Migranten

Im Kalenderjahr 2019 gab es in Österreich in Summe 285.200 Mindestsicherungs-Bezieher, im Jahresdurchschnitt 212.192 Mindestsicherungsbezieher.

 

Im Jahr 2019 waren im Durchschnitt nicht weniger als 135.698 der Mindestsicherungs-Bezieher in Wien ansässig. 77.000 Davon sind Asylberechtige und subisidiär Schutzberechtigte, weitere rund 12.000 sonstige Drittstaatsangehörige und 13.000 EU- und EWR Angehörige sowie rund 3.200 Staatenlose oder Personen mit unbekannter Staatsbürgerschaft. (Quelle: Statistik Austria)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundeskanzler, werden ersucht, mit den einzelnen Landesregierungen unverzüglich Kontakt aufzunehmen und diese auf die sofortige Umsetzung des § 10 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in allen nicht durch das VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) behobenen Teilen hinzuweisen sowie deren Einhaltung einzumahnen.

 

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, hinsichtlich der durch den VfGH beanstandeten degressiven Staffelung für Kinderzuschläge, des Arbeitsqualifizierungsbonus und der Sozialhilfe-Statistik eine der ständigen Spruchpraxis des VfGH entsprechende, verfassungskonforme Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuzuweisen.