988/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 05.11.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
des Abgeordneten Walter Rauch, Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
betreffend Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag
Vor fast 60 Jahren, am 25. März 1957, wurde mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge die Europäische Atomgemeinschaft - EURATOM - gegründet. Sie besteht heute noch neben der Europäischen Union als eigenständige Internationale Organisation.
"Aufgabe der Atomgemeinschaft ist es, durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen", lautet Art 1 des Vertrages. Zum überwiegenden Teil wird mit der Übereinkunft die Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet der Kernenergie geregelt.
Die österreichische Bevölkerung hat die Stromgewinnung mittels Kernkraftwerken schon vor Jahrzehnten abgelehnt. Seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 ist die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher und auch parteipolitisch einhelliger Konsens. Es ist daher nicht vertretbar, dass mit österreichischem Steuergeld die Errichtung von Atomkraftwerken und Maßnahmen zu deren Laufzeitverlängerung mitfinanziert werden.
100.482 Österreicherinnen und Österreicher haben nunmehr das Volksbegehren „EURATOM-Ausstieg Österreichs“ bis zum Ende des Eintragungszeitraumes am 29. Juni 2020 unterstützt. Damit ist eine neuerliche Behandlung dieses Anliegens im Nationalrat gesichert, nicht jedoch, dass die Bundesregierung die Forderungen auch tatsächlich ernst nimmt. In der Vergangenheit wurden entsprechende Anträge der FPÖ stets vertagt[1] oder sogar abgelehnt[2].
Der Text des Volksbegehrens lautet wie folgt:
„Wir sind für den Ausstieg Österreichs aus EURATOM und gegen jegliche Art der Finanzierung der (EU-) Atomenergiewirtschaft mittels österreichischer Steuergelder. Wir regen an, der Nationalrat möge durch verfassungsgesetzliche Maßnahmen sicherstellen, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung verpflichtet sind, sich bei Verhandlungen und Abstimmungen in der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM für einen sofortigen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag einzusetzen."
Für die Unterstützung des Volksbegehrens werden 10 Gründe angeführt:
„Grund 1: Atomenergie ist sehr riskant und gefährlich.
· Das beweisen die schweren Atomkraftwerksunfälle weltweit. Beispiele sind die AKW-Katastrophen:
o 1957: Kyschtym, Sowjetunion (INES 6)
o 1957: Windscale heute Sellafield, England, GB (INES 5)
o 1969: Lucens, Schweiz (INES 5)
o 1977: Bohunice, Slowakei, damals Tschechoslowakei (INES 4)
o 1979: Three Mile Island / Harrisburg, USA (INES 5)
o 1986: Tschernobyl, Ukraine (INES 7)
o 1987: Goiânia, Brasilien (INES 5)
o 2011: Fukushima, Japan (INES 7)
Die Internationale INES- Bewertungsskala 0-7 für nukleare und radiologische Ereignisse (Abkürzung INES von englisch International Nuclear and Radiological Event Scale)
· Die Gefahren einer Atomkatastrophe sind nicht abschätzbar und nicht beherrschbar.
· Falls ein großer Atomunfall passiert, dann sind gewaltige und irreparable Schäden die Folge. Diese Schäden reichen von Umweltzerstörung bis zu schweren Erkrankungen, von Krebs der Anrainer bis Mißgeburten.
· Keine sichere jahrzehntelange Atommülllagerung, weder in Österreich, noch sonst wo. Die Lagerung ist einerseits ein technisches Problem, da man das Eindringen von Wasser auf Jahrzehnte kaum ausschließen kann, insbesondere bei unterirdischer Lagerung. Die Lagerung ist aber auch ein sicherheitstechnisches Problem, da man ein Atommülllager gegen Terroristen schützen muß.
· Wir lehnen daher die Atomenergie ab. Es gibt bessere Technologien.
Grund 2: Die Mitgliedschaft bei EURATOM macht für Österreich keinen Sinn
· Österreich hat kein einziges Atomkraftwerk zur Energieerzeugung in Betrieb.
· Das Atomkraftwerk Zwentendorf wurde zwar fertig gebaut, ging aber nie in Betrieb.
· Der einzige Atomreaktor Österreichs ist ein Forschungsreaktor in Wien im 2. Bezirk ("Praterreaktor").
· Das einzige temporäre Atommülllager Österreichs ist in Seibersdorf (Bezirk Baden) und dient nur für Atommüll von Spitälern und Forschungseinrichtungen.
· Österreich hat somit keine Bedarf und keinen Nutzen aus EURATOM.
· Unseres Wissens werden keine EURATOM-Jahresberichte veröffentlicht. Das österreichische Volk erfährt so gut wie nichts, was da passiert. Schon alleine das rechtfertigt jegliche Art von Mißtrauen gegenüber EURATOM. Man weiß nicht einmal, wer die österreichischen Vertreter bei EURATOM sind bzw. waren.
· (6 von 15 EU-Ländern haben nie Atomstrom produziert. 4 EU-Länder haben bereits den Atom-Ausstieg beschlossen. Der EURATOM-Vertrag macht also für Österreich und 9 weitere EU-Länder keinen Sinn.)
Grund 3: Die Mitgliedschaft bei EURATOM kostet viel Steuergeld
Ca.
40 Millionen Euro kostet die Mitgliedschaft bei EURATOM Österreich jedes
Jahr.
Damit wird die Atomwirtschaft mittels österreichischem Steuergeld mit
Beschluß der Parlamentsmehrheit gefördert.Dieses Geld könnte
man in Österreich sehr viel sinnvoller ausgeben. Österreich sollte
mit gutem Beispiel voran gehen und aus EURATOM aussteigen.
Grund 4: Ausbau von erneuerbaren Energien in Österreich fördern
Alternativ könnte man das Geld, das Österreich derzeit jedes Jahr für die EURATOM-Mitgliedschaft ausgibt, für die Forschung in alternative Energiegewinnung oder für die Produktion von E-Autos & E-Bikes oder für bessere Wärmedämmung von Häusern investieren.
Grund 5: Österreichisches Atomsperrgesetz
Das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich ist ein österreichisches Verfassungsgesetz, das die Nutzung von Kernkraft zur Energiegewinnung und den Bau entsprechender Anlagen verbietet. 1999 wurde das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich (BGBl. I Nr. 149/1999) einstimmig im Parlament beschlossen (Verfassungsnovelle 1999), und damit das Atomsperrgesetz in den Verfassungsrang erhoben.
Grund 6: Das "Raus aus EURATOM-Volksbegehren" im Jahr 2011 scheiterte nur sehr knapp
Das
"Raus aus EURATOM"-Volksbegehren erhielt im Jahr 2011 mit 98.698
Unterstützungserklärungen um 1303 Unterstützungserklärungen
zu wenig. Das Ziel der 100.000 Unterstützungserklärungen wurde sehr
knapp verpaßt. Damit war auch keine parlamentarische Behandlung
notwendig. Eine Woche nach Ende der Eintragungsfrist passierte die
Fukushima-Katastrophe in Japan.
Grund 7: Der EURATOM-Ausstieg des Vereinigten Königreichs per 31.1.2020
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland hat am 20.12.2019 seinen EU-Austritt und seinen EURATOM-Ausstieg per 31.1.2020 im britischen Parlament beschlossen. Damit tritt das Vereinigte Königreich mit seinen 15 in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken und seinen 30 stillgelegten Atomkraftwerken früher aus der Europäischen Atomgemeinschaft "EURATOM" aus, als Österreich. Dabei hat Österreich kein einziges Atomkraftwerk in Betrieb...
Grund 8: kein österreichisches Steuergeld für die Entsorgung von ausländischem Atommüll.
Im
ÖVP-Grünen Regierungsprogramm vom 6.1. 2020 steht auf S.115:
"Reform Euratom-Vertrag: Mittel sind nur noch zu verwenden für die
Frage der Entsorgung bzw. langfristigen Lagerung radioaktiver Abfälle
sowie des Strahlenschutzes, der Sicherheit und
des Rückbaus von Atomkraftwerken sowie der Forschung im Bereich der
medizinischen Nutzung."
Wir wollen jedenfalls kein österreichisches Steuergeld für die Entsorgung bzw. Lagerung von ausländischem Atommüll ausgeben.
Grund 9: Gelder werden für den AKW-Betrieb verwendet, nicht für deren Abschaltungen.
Die Gelder für EURATOM werden völlig falsch verwendet, nämlich für den Betrieb der Atomkraftwerke und nicht für deren Abschaltung. Von EURATOM wird sogar der Bau neuer AKW gefördert.
Grund 10: Eine Reform des EURATOM-Vertrages ist illusorisch.
Der Euratom-Vertrag ist der Transparenz und der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen. Das europäische Parlament hat kein Mitbestimmungsrecht. Transparenz z.B. der FInanzen gibt es nicht. Seid 25 Jahren ist Österreich Mitglied bei der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). Bis jetzt ist nicht einmal bekannt, wer Österreich dort namentlich vertritt und was er oder sie dort erreicht hat.“
Um das Anliegen von 100.482 Österreicherinnen und Österreichern, welche das Volksbegehren „EURATOM-Ausstieg Österreichs“ unterstützt haben, und einer langjährigen freiheitlichen Forderung sowie dem gesellschaftlichen Konsens Nachdruck zu verleihen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu setzen, die einen Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag ermöglichen.“
In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Umweltausschuss ersucht.