Zu 1.:

Das Bundesministerium für Justiz ist im vorliegenden Zusammenhang im Wesentlichen für die strafrechtlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Menschenhandels zuständig.

Der in Frage 1a erwähnte Bericht des OSZE-Sonderbeauftragten für die Bekämpfung des Menschenhandels stammt aus 2019. Bereits im Vorfeld der Berichtslegung wurde zur Frage der Irrelevanz der Zustimmung des Opfers zur beabsichtigten Ausbeutung dahin Stellung genommen, dass sich dies schon aus allgemeinen Grundsätzen ergebe und (daher) keiner Verankerung in den relevanten rechtlichen Bestimmungen bedarf.

An dieser Einschätzung hat sich seither nichts geändert.

Es darf in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen Kommentierungen sowohl im Wiener als auch im Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch verweisen werden. So heißt es bei Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 104a, Rz 16, wie folgt: „Die Einwilligung von volljährigen Personen ist im Hinblick auf die notwendige Anwendung unlauterer Mittel von vornherein unwirksam. Bei minderjährigen Personen ist die Dispositionsfähigkeit über ausbeuterische Handlungen iSd § 104 a zu verneinen, womit eine Einwilligung generell keine rechtfertigende Wirkung entfalten kann.“ Eine noch ausführlichere Begründung lieferte Nimmervoll in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, SK StGB § 104a Rz 119 ff: „Ausbeutungsdelikten wie dem Menschenhandel ist ein öffentliches Bedürfnis an der Wahrung der Interessen des Opfers wesensimmanent. Deshalb fehlt es schon grundsätzlich an der freien Dispositionsbefugnis des Tatopfers, woraus eine Unmöglichkeit der Einwilligung in die Ausbeutung abzuleiten ist. Das Gesetz vermutet also die Beeinträchtigung des freien Willens des Tatopfers in unwiderlegbarer Form. Demnach rechtfertigt es den Täter nicht, wenn er mit Zustimmung des Opfers, ja sogar über dessen Andringen handelt und somit eine die freie Willensentscheidung des Opfers beeinträchtigende Handlung gar nicht stattgefunden hat. Bezüglich volljähriger Tatopfer verlangen im Übrigen schon die die Grundlage für § 104a darstellenden internationalen Abkommen, dass bei Einsatz unlauterer Mittel eine Einwilligung des Opfers unerheblich sein soll. Innerstaatlich ergibt sich diese Konsequenz – ohne dass es einer Gesetzesänderung bedurft hätte – bereits daraus, dass eine Einwilligung stets mängelfrei, insb freiwillig erfolgt sein muss und nicht an gravierenden Willensmängeln (va Irrtum, Täuschung, Zwang) leiden darf. Bei minderjährigen Tatopfern hingegen verlangt das Gesetz keinen Einsatz unlauterer Mittel. Unter diesem Aspekt erschiene eine Einwilligung des Opfers daher an sich sogar denkbar. Richtigerweise ist aber schon – unabhängig von zivilrechtlicher Geschäftsfähigkeit – generell die Dispositionsfähigkeit (Einwilligungsfähigkeit) des Minderjährigen in seine Ausbeutung aufgrund mangelnder persönlicher Einsichts- und Urteilsfähigkeit zu verneinen.“

Ein vom OSZE-Sonderbeauftragten befürchtetes Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis konnte nicht beobachtet werden.

Der Vollständigkeit halber sei auch angemerkt, dass auch die Menschenhandelstatbestände des deutschen und des Schweizer Strafgesetzbuches keinerlei Ausführungen im Sinne der Befürchtung des OSZE-Sonderbeauftragten enthalten.

Zu 2d.:

Das BMJ hat im Jahr 2018 den Leitfaden „Gemeinsam gegen Menschenhandel – Kompaktwissen für die Praxis: Strafverfahren, Entschädigung und Opferschutz“ von Steiner/Probst/Buchner kofinanziert, redaktionell betreut und mit einem Vorwort versehen. Überdies hat das BMJ an der „Broschüre zu Menschenhandel“ der beim BMEIA eingerichteten Task Force Menschenhandel, in der das BMJ durch die Abt. IV 1 auch als Mitglied vertreten ist, mitgewirkt.

Zu 3. bis 6. (GRETA-Empfehlungen):

Der Österreich-Bericht im Rahmen der 3. Evaluierungsrunde von GRETA wurde gemeinsam mit den Empfehlungen und der österreichischen Stellungnahme am 9. Juni 2020 veröffentlicht und am 12. Juni 2020 in Straßburg vom Vertragsstaatenkommittee angenommen. Österreich war danach verpflichtet, über die Umsetzung der Empfehlungen bis 12. Juni 2022 zu berichten. Auf Ersuchen von GRETA fand dazu am 20. Mai 2022 ein Round Table statt. An diesem Round Table nahm auch eine Vertreterin der Abt. IV 1 des BMJ teil, die auch den Beitrag des BMJ zur österreichischen Stellungnahme koordinierte. Insgesamt waren sieben Fachabteilungen des BMJ aus drei Sektionen involviert.

Der Beitrag des BMJ wurde von der Abteilung IV 1 am 1. Juni 2022 an das gesamtkoordinierende BMEIA übermittelt und ist seit 15. Juni 2022 (als Teil der österreichischen Gesamtstellungnahme) auf der Website von GRETA abrufbar (https://rm.coe.int/report-submitted-by-austria-on-measures-taken-to-comply-with-committee/1680a6fac4) und der gegenständlichen Anfragebeantwortung angeschlossen.

Was die unter 6.a.i. speziell angefragte allfällige Änderung des § 205a StGB anlangt, darf darauf hingewiesen werden, dass auf EU-Ebene derzeit der Vorschlag einer Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verhandelt wird, die für den Fall ihrer Annahme einen Änderungsbedarf in Bezug auf § 205a StGB nach sich ziehen könnte.

Zu 7.:

Das Bundesministerium für Justiz ist, wie bereits zu Frage 1 festgehalten, primär für die strafrechtlichen Belange der Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel zuständig. Für die zweifellos notwendige ganzheitliche Sichtweise sorgt die beim BMEIA eingerichtete, ressort-, bundesländer- und institutionenübergreifend  sowei interdisziplinär aufgestellte Task Force Menschenhandel.