1067 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 1824/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden

Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 08. Juli 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Es werden redaktionelle Anpassungen vorgenommen.“

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 5. Oktober 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ralph Schallmeiner die Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Mag. Gerald Loacker, Mag. Verena Nussbaum, Peter Wurm und Alois Stöger, diplômé sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz und Ralph Schallmeiner einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950)

Mit Erkenntnis vom 10. März 2021, G 380/2020 ua, hat der Verfassungsgerichtshof § 7 Abs. 1a zweiter Satz Epidemiegesetz 1950 (EpiG) als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Aufhebung ist mit 9. April 2021 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I Nr. 64/2021).

Die bis dahin vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit, bei Absonderungen gemäß § 7 Abs. 1 EpiG eine Überprüfung der Zulässigkeit und eine Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes durch das örtlich zuständige Bezirksgericht zu beantragen, wurde damit ersatzlos beseitigt.

Dies hat zur Folge, dass nunmehr Absonderungsbescheide mit Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Abs. 1 Z 1 und Absonderungen aufgrund eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B‑VG bei den Landesverwaltungsgerichten angefochten werden können. Absonderungsbescheide, die als Mandatsbescheide ohne vorheriges Ermittlungsverfahren gemäß § 57 Abs. 1 AVG erlassen werden (was regelmäßig der Fall ist), sind im Wege der Vorstellung nach § 57 AVG an die Bezirksverwaltungsbehörde zu bekämpfen (vgl. dazu die Rsp der Landesverwaltungsgerichte, zB LVwG NÖ, 27. 4. 2021, LVwG-AV-734/002-2021).

Daneben besteht mit dem (nach VfGH G 380/2020 verbleibenden) § 7 Abs. 1a zweiter und dritter Satz EpiG ein amtswegiger, periodischer Rechtsschutz gegen Absonderungen, die länger als 14 Tage aufrecht sind. Diese Absonderungen sind dem örtlich zuständigen Bezirksgericht durch die Bezirksverwaltungsbehörde, welche die Absonderung verfügt hat, anzuzeigen und von diesem in längstens vierwöchigen Abständen in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen.

Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsschutz gegen Absonderungen nach den §§ 7 Abs. 1 und 17 EpiG neu zu gestalten, wobei den Anforderungen des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) sowie des Art. 5 EMRK Rechnung zu tragen ist (s insbesondere die kürzere Entscheidungsfrist von einer Woche gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrG und das Gebot der periodischen Überprüfung von Anhaltungen von unbestimmter Dauer gemäß Art. 6 Abs. 2 PersFrG).

Die besonderen verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 6 PersFrG und des Art. 5 EMRK bestehen nur für Freiheitsentziehungen. Wenngleich noch nicht höchstgerichtlich geklärt ist, inwieweit alle Absonderungsmaßnahmen (insbesondere jene in Form der Quarantäne in der Wohnung gemäß § 7 Abs. 1a im Gegensatz zu jenen in Krankenanstalten gemäß § 7 Abs. 2) in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit eingreifen, erscheint es zweckmäßig, den Rechtsschutz – unabhängig davon, ob alle Absonderungsmaßnahmen als Freiheitsentziehungen zu qualifizieren sind – einheitlich zu gestalten.

§ 7a EpiG beschränkt sich dabei jedoch auf seuchenrechtliche Absonderungsmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 1a und Abs. 2 EpiG, bei denen die herrschende Lehre von einer Freiheitsentziehung ausgeht (statt vieler Kopetzki, Gerichtliche Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen gemäß § 7 Abs. 1a EpiG verfassungswidrig?, RdM 2021/106). Sonstigen Verkehrsbeschränkungen gemäß § 7 Abs. 1 EpiG fehlt es hingegen bereits an der Allseitigkeit der Bewegungsbeschränkung (vgl. zu dieser Voraussetzung VfSlg. 3447; Kopetzki in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, PersFrG Art. 1 Rz 21 ff). Dies trifft freilich dann nicht zu, wenn mehrere „sonstige Verkehrsbeschränkungen“ dergestalt kumuliert werden, dass sie inhaltlich einer Absonderung gleichkommen (diesfalls greift der Rechtsschutz gemäß § 7a EpiG).

Für diese seuchenrechtlichen Maßnahmen, die jedenfalls unterhalb der Schwelle des Freiheitsentzugs liegen (wie insbesondere die selbstüberwachte Heimquarantäne gemäß § 25 EpiG), wird der herkömmliche Rechtsschutz gegen die jeweiligen Verwaltungsakte als ausreichend erachtet.

Für Absonderungen gemäß § 7 Abs. 1a und Abs. 2 EpiG wird hingegen nunmehr ein Sonderrechtsschutz bei den Landesverwaltungsgerichten geschaffen; die Zuständigkeit der Bezirksgerichte wird – auch für amtswegige Überprüfungen – aufgehoben (s zur Kritik am bisherigen seuchenrechtlichen Sonderweg Kopetzki, „Absonderungen“ vor dem Bezirksgericht, RdM 2021/1 und im Ergebnis auch Bußjäger/Eller, Verfassungswidriger Rechtsschutz?, ZVG 2021, 8 [12]).

Weiters wird im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Standes der Wissenschaft in der Pandemiebekämpfung und insbesondere vor dem Hintergrund der breiten, niederschwelligen und kostenlosen Verfügbarkeit von Schutzimpfungen gegen COVID-19 die Kostentragung für Screeningprogramme gemäß § 5a EpiG modifiziert.

Zudem werden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stärker in die Pandemiebekämpfung eingebunden, insbesondere indem ihre Berechtigung zum Ausdrucken von Zertifikaten erweitert wird.

Dieser Gesetzentwurf gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG („Gesundheitswesen“).

Zu Z 1 und 2 (§ 4b Abs. 7 Z 4 und § 4e Abs. 6):

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sollen künftig stärker in die Bekämpfung der Pandemie einbezogenen werden. Insbesondere sollen sie in diesem Zusammenhang die Möglichkeit bekommen, im Rahmen einer vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zur Verfügung gestellten Anwendung PCR- und Antigentests zu dokumentieren und den Betroffenen die diesbezüglichen Zertifikate auszudrucken. Bisher konnten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aufgrund des § 4e Abs. 6 Impfzertifikate für Bürgerinnen und Bürger ausdrucken, dies wird mit der vorliegenden Bestimmung auf alle Zertifikatstypen erweitert, womit der niederschwellige Zugang für Bürgerinnen und Bürger zu den Zertifikaten weiter ausgebaut wird. Die Authentifizierung hat über eGoV-Mechanismen (Bürgerkarte bzw. eID) und den eHealth-Verzeichnisdienst (§ 9 des Gesundheitstelematikgesetzes 2012) zu erfolgen. Die bisherige Bestimmung in § 4e Abs. 6 war entsprechend anzupassen.

Zu Z 3 (§ 4f Abs. 1 EpiG):

Redaktionelle Anpassung an die Neugestaltung des § 1 Abs. 5 bis 5f des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG), BGBl. I Nr. 12/2020.

Zu Z 4 und 10 (§ 5c, § 50 Abs. 11, Abs. 13, Abs. 16, Abs. 19 und Abs. 24):

Notwendige Verlängerungen der COVID-19-bezogenen Rechtsgrundlagen aufgrund der anhaltenden Dauer der Pandemie und des damit einhergehenden seuchenrechtlichen Regelungsbedarfs.

Zu Z 5 und 6 (§ 7 Abs. 1a und § 7a EpiG):

Für Absonderungen sieht § 7a EpiG nunmehr eine „Gesamtbeschwerde“ nach dem Vorbild des § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/20212, vor. Prüfungsgegenstand ist demgemäß sowohl die Rechtmäßigkeit der – aufrechten oder bereits beendeten – Absonderung an sich als auch die Rechtmäßigkeit des der Absonderung zugrunde liegenden Rechtsakts. Beim zugrunde liegenden Rechtsakt kann es sich dabei entweder um einen Bescheid oder um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handeln (vgl. Kopetzki, RdM-LS 2021/35). Ein solches einheitliches Rechtsmittel in Form einer „Gesamtbeschwerde“, die mehrere verschiedene Beschwerdegegenstände durch prozessuale Verbindung in einem einheitlichen Verfahren vereint, wurde im Anlassfall des § 22a BFA-VG vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform erachtet (VfSlg. 19.970/2015).

Um einen einheitlichen, unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz – unabhängig von dem der Absonderung zugrunde liegenden Rechtsakt – zu gewährleisten, wird die Vorstellung gemäß § 57 AVG für den Fall einer Absonderung mittels Mandatsbescheids ausgeschlossen.

Ebenso wie § 22a Abs. 1a BFA-VG sieht § 7a EpiG – entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. wieder VfSlg. 19.970/2015) – ein einheitliches Verfahrensrecht vor: Gemäß Abs. 3 gelangt das Verfahren der Maßnahmenbeschwerde (Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) zur Anwendung. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat (§ 22 Abs. 1 VwGVG), was aufgrund des seuchenrechtlichen Vorsichtsprinzips geboten ist. Die Beschwerdefrist beträgt sechs Wochen (§ 7 Abs. 4 VwGVG) und der angefochtene Verwaltungsakt ist für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist (§ 28 Abs. 6 VwGVG). Für die mündliche Verhandlung gilt § 24 VwGVG. Daraus ergibt sich, dass die mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Weiters gelangt die Kostenregelung des § 35 VwGVG zur Anwendung und ist keine Beschwerdevorentscheidung zu treffen (§ 14 VwGVG; s zum Ganzen auch RV 582 BlgNR 25. GP 7). Gemäß § 20 VwGVG ist die Beschwerde direkt beim Landesverwaltungsgericht einzubringen. Dieses hat die belangte Behörde (also die Behörde, die die Absonderung verfügt hat oder der sie zuzurechnen ist) umgehend über das Einlangen der Beschwerde zu informieren.

Abs. 4 normiert entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 6 Abs. 1 PersFrG eine Entscheidungsfrist von einer Woche, sofern die Absonderung noch aufrecht ist. Diese wird im Falle eines Verbesserungsauftrags gemäß § 13 Abs. 3 AVG bis zur Behebung des Mangels oder bis zum Fristablauf gehemmt. Endet die Absonderung vor der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts oder wird die Beschwerde binnen offener Frist nach dem Ende der Absonderung eingebracht, gelten die regulären Verfahrensfristen des VwGVG.

Gemäß Abs. 5 hat das Landesverwaltungsgericht bei Absonderungen, die noch andauern, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Absonderung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Freiheitsentzug ist dabei immer in seinem ganzen (zeitlichen) Umfang zu überprüfen. Im Übrigen ist im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. zum gleichlautenden § 22a Abs. 3 BFA-VG Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde² [2016] 183).

Abs. 6 verweist nunmehr die amtswegige Überprüfung von Absonderungen, die länger als 14 Tage dauern sollen, ebenfalls in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte. Das Landesverwaltungsgericht hat dabei längstens innerhalb von vier Wochen über die Notwendigkeit der Absonderung zu entscheiden. Im Übrigen kommt für die amtswegige Überprüfung das Verfahrensrecht für Beschwerden gemäß Abs. 1 zur Anwendung. Bei der vierwöchigen Entscheidungsfrist handelt es sich um eine Maximalfrist. Innerhalb dieses Rahmens richtet sich die konkrete Frist individuell nach der Krankheit und der von ihr ausgehenden Ansteckungsgefahr. Wenngleich die Verankerung einer periodischen Überprüfung im Falle seuchenrechtlicher Absonderungen nicht zwingend erscheint, zumal eine solche gemäß Art. 6 Abs. 2 PersFrG nur für Freiheitsentziehungen von unbestimmter Dauer gilt, folgt § 7a EpiG – insbesondere im Hinblick auf die Verankerung im Dauerrecht – auch in dieser Hinsicht dem Vorbild des § 22a BFA-VG.

Die Überprüfung nach § 7a Abs. 6 EpiG hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde nach Abs. 1 (im maßgeblichen Zeitpunkt der periodisch vorgesehenen Überprüfung) bereits eingebracht wurde.

Zu Z 7 (§ 17 Abs. 5 EpiG):

Angleichung des Rechtsschutzes für Absonderungen auf der Grundlage des § 7 EpiG und auf der Grundlage des § 17 EpiG (s zum Regelungsbedarf Hiersche/Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts. Fünfter Teil: Maßnahmen zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, 5.2.5. [Stand 13.5.2020], rdb.at).

Zu Z 9 (§§ 24 Abs. 4 und 25 Abs. 5 EpiG):

Redaktionelle Anpassung der Verweise an die Neugestaltung des § 1 Abs. 5 bis 5f des COVID-19-MG.

Zu Z 10 (§ 26a Abs. 1 EpiG):

Es ist geplant, das Sentinel Surveillance System für Campylobacter mit rund 1000-1500 Isolaten/ Jahr (ca. 15-20% der durchschnittlich gemeldeten Fälle) für ganz Österreich auszurollen. Die Anzahl der Isolate je Bundesland wird gemäß der Einwohnerzahl festgelegt. Die hierzu erforderlichen diagnostischen Laboratorien sowie die Anzahl der jeweiligen monatlichen Isolate werden anhand des bisherigen Probenumfangs der Labore und ihres Probeneinzugsgebiets ausgewählt bzw. definiert. Nach Möglichkeit soll sowohl der stationäre/ambulante als auch der niedergelassene Bereich gleichermaßen erfasst werden. In weiterer Folge sollten die Labors lediglich die jeweils benötigte Anzahl an Isolaten, z. B. die ersten zehn Isolate jedes Monats, inklusive möglichst vollständiger epidemiologischer Daten in bewährter Art und Weise an die Referenzzentrale zur weiteren Charakterisierung übermitteln. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Bundeskommission für Zoonosen im Wege eines Umlaufbeschlusses dafür ausgesprochen, dass im Hinblick auf Campylobacter die Übermittlung von Isolaten lediglich auf Grundlage eines Sentinel-Systems erfolgt.

 

Zu Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz)

Zu Z 1 und 2 (§ 1 Abs. 5 Z 5 und 6):

Die mit BGBl. I Nr. 90/2021 für das Betreten von Orten ins COVID-19-MG eingefügten Auflagen eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr standen im Eindruck des damaligen Standes der Wissenschaft im Hinblick auf die erst kurz zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19. Zu diesem Zeitpunkt gab es insbesondere noch nicht ausreichend Evidenz im Hinblick auf das Ausmaß der Verringerung einer Transmission bei Geimpften im Vergleich zu Getesteten und Genesenen. Wenngleich die wissenschaftlichen Erwartungen einer verringerten Transmission und eines deutlich abgemilderten Krankheitsverlaufes in § 1 Abs. 5e bereits antizipiert wurden und eine entsprechende Möglichkeit zur Abweichung von der grundsätzlichen Gleichstellung der drei Arten von Nachweisen zugunsten von Geimpften geschaffen wurde, stimmt die Systematik des § 1 Abs. 5e als Ausnahme von einer grundsätzlichen Gleichstellung der drei Nachweisarten nicht mehr mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft überein.

Die immer höhere Durchimpfungsrate, die Entwicklung des epidemiologischen Geschehens in den letzten Monaten und der damit einhergehende breite praktische Erkenntnisgewinn haben gezeigt, dass von geimpften Personen grundsätzlich eine geringere epidemiologische Gefahr ausgeht, da die Impfung anhand der derzeitigen Studienlage die Wahrscheinlichkeit einer Infektion und Transmission im Fall einer bestehenden Infektion reduziert.

In der Regel besteht zwar zum Zeitpunkt des Betretens bzw. des Aufenthalts am jeweiligen Ort zwischen getesteten und geimpften Personen – freilich abhängig von der Art und Gültigkeitsdauer des Tests sowie vom Vollzug der Kontrollen – hinsichtlich der Gefahr der Weiterverbreitung von COVID-19 nahezu kein Unterschied. Im weiteren Verlauf bzw. im Nachklang zum Aufenthalt am jeweiligen Ort geht jedoch von Geimpften eine weitaus geringere epidemiologische Gefahr bzw. ein weitaus geringerer Beitrag zum Infektionsgeschehen aus als von Ungeimpften (grundsätzlich geringere Infektionsgefahr und deutlich geringere Wahrscheinlichkeit der Ansteckung weiterer Personen). Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ist bei Geimpften geringer als bei Ungeimpften. Eine aktuelle Studie gibt außerdem Hinweise darauf, dass das Virusmaterial von infizierten Geimpften weniger infektiös ist als jenes von infizierten Ungeimpften.

Im Unterschied zu Geimpften ist die Studienlage für Genesene etwas weniger ergiebig. Stärke und Dauer einer natürlich erworbenen Immunität nach einer SARS-CoV-2-Infektion scheinen von Faktoren wie Alter, Immunstatus und Symptomatik bzw. Schwere der Erkrankung abhängig zu sein. Insbesondere zur Dauer einer protektiven Immunität nach Genesung ist die Evidenz limitiert. Anhand derzeit verfügbarer Evidenz ist eine Immunitätsdauer von mindestens sechs bis acht Monaten nach Erkrankung wahrscheinlich. Reinfektionen von Genesenen sind generell selten, die Infektionswahrscheinlichkeit ist also gering. In Studien konnte eine Immunität (80 bis 100 %-iger Schutz) für etwa sechs Monate nach Erkrankung nachgewiesen werden. Allerdings wurden viele dieser Studien vor der Verbreitung der Variants of Concern durchgeführt, wodurch Unsicherheiten über mögliche Reinfektionen durch neue Varianten bestehen. Eine Auswertung aus England zeigte keine erhöhte Reinfektionsrate bei Delta gegenüber Alpha, wenn die Genesung weniger als sechs Monate zurücklag. Eine rezente Studie (Pre-Print) zeigt, dass Genesene ähnlich gut gegen eine Infektion mit der Delta-Variante geschützt sind wie Geimpfte. Geimpfte Genesene weisen noch bessere Schutzraten auf. Dies wird unterstützt durch eine von Centers for Disease Control and Prevention (CDC) publizierte Studie, wonach Genesene ohne weitere Impfungen im Vergleich zu genesenen Personen, die vollständig geimpft wurden, eine 2,3-fach erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit haben. Die unergiebige Studienlage über Genesene erlaubt kaum eine Aussage über die Transmissionswahrscheinlichkeit. Immunologische Überlegungen legen nahe, dass bei infizierten genesenen Personen auch eine gewisse Reduktion der Transmission gegeben ist, weil die Immunität am Ort der Infektion (Rachenschleimhaut) erworben wird. Die Reduktion der Transmissionswahrscheinlichkeit bei Genesenen sollte demnach vergleichbar mit jener von Geimpften sein.

Mit einer Testung auf SARS-CoV-2 soll festgestellt werden, ob eine Person aktuell mit dem Virus infiziert ist. Solche Tests stellen immer nur eine Momentaufnahme dar. Weiters ist zu beachten, dass Testergebnisse vor allem zu Beginn einer Infektiosität noch negativ sein können und dass die Zuverlässigkeit von Testergebnissen stark vom Testverfahren und der Art der Probenahme abhängig ist. Wie gering die epidemiologische Gefahr ist, die von einer negativ getesteten Person ausgeht, hängt im Wesentlichen von der Zuverlässigkeit und der Gültigkeitsdauer des Ergebnisses ab. Diese Gefahr ist umso geringer, je höher die Testqualität und je kürzer die Gültigkeitsdauer sind. Bei einem falsch negativen Testergebnis ist allerdings eine hohe Transmissionswahrscheinlichkeit gegeben. Anders als Geimpfte und Genesene verfügen negativ getestete Personen über gar keine Immunität gegen SARS-CoV-2. Eine Testung reduziert auch die Infektionswahrscheinlichkeit nicht.

Zudem ist zu beachten, dass das COVID-19-MG zur Regelung des Betretens und des Befahrens sämtlicher Orte mit dem Ziel ermächtigt, die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. So müssen dadurch konsequenterweise auch Maßnahmen gesetzt werden, die eine Weiterverbreitung von COVID-19 im weiteren zeitlichen Verlauf bzw. im Anschluss des Betretens oder des Befahrens verhindern. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Ungeimpfte eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, sich an Orten anzustecken und damit zur Weiterverbreitung beizutragen als Ungeimpfte.

Durch die gegenständliche Neufassung der Bestimmungen ändert sich somit nichts an den rechtlichen Handhabungsmöglichkeiten, diese werden aber vor dem Hintergrund der neuesten Erkenntnisse in Bezug auf Schutzimpfungen aktualisiert. Die zunächst unsichere Evidenz bezüglich der Wirkung der Impfung weist in der Zwischenzeit stärker auf eine reduzierte Infektions- und Transmissionswahrscheinlichkeit hin.

Zudem wird durch das allgemeine Abstellen hinsichtlich der Infektions- und Transmissionswahrscheinlichkeit auf einen Nachweis einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr die notwendige Flexibilität geschaffen, um einerseits auf die jeweils aktuelle epidemiologische Situation reagieren zu können, andererseits um, je nach Gefahrenneigung des jeweiligen Ortes, abstufende bzw. gelindere (Betretungs-)Regelungen setzen zu können.

Zu Z 3 (§ 1 Abs. 5a):

Es wird festgelegt, ab wann – nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand – von einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr auszugehen ist (Schutzimpfung, Negativtestung, Vorhandensein von Antikörpern, überstandene Infektion). Diese entsprechen den auch bisher vorgeschriebenen Nachweisen einer geringen epidemiologischen Gefahr (vgl. dazu aktuell die 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung).

Zu Z 4 und 5 (§ 1 Abs. 5b):

Diese Bestimmung entspricht dem bisher in Geltung stehenden § 1 Abs. 5e und wird an die neue Diktion des COVID-19-MG angepasst.

Zu Z 6 und 7 (§ 1 Abs. 5c bis 5f):

§ 1 Abs. 5c:

Durch Verordnung (bisher § 1 Abs. 5d) sind konkrete Anforderungen an die Schutzimpfung gegen COVID-19 und die Durchführung von Tests festzulegen. Dabei sind insbesondere Test- bzw. Impfintervalle sowie die Qualität und Modalität der Durchführung (speziell im Hinblick auf Tests) zu berücksichtigen. Unter die Modalität der Durchführung fällt etwa auch die Festlegung von Impfkombinationen. Zusätzlich sind Zeiträume für die jeweiligen Nachweise gemäß Abs. 5a festzulegen (vgl. dazu aktuell die 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung).

 

§ 1 Abs. 5d bis 5f:

Diese Bestimmungen entsprechen den bisher in Geltung stehenden § 1 Abs. 5b, 5f und 5g und werden an die neue Diktion des COVID-19-MG angepasst.

Zu Z 8 bis 10 (§ 7):

Angesichts der anstehenden Wintersaison und der damit verbundenen verstärkten Verlagerung der Zusammenkünfte in Indoor-Bereiche (zB Après-Ski-Lokale), wird die im COVID-19-MG verankerte Zuständigkeitskaskade hinsichtlich der Festlegung von Zeiten für das Betreten von Betriebsstätten um die Bürgermeister erweitert. Damit können nicht nur Öffnungs- und Schließzeiten, sondern auch „Pausensperrstunden“ (im Sinne von Unterbrechungszeiten, z.B. für das Durchlüften von Räumlichkeiten) festgelegt werden. Klargestellt wird, dass die Verordnungskompetenz nicht nur Sperrstundenregelungen für sämtliche Betriebsstätten, sondern auch für bestimmte (im Sinne von konkret umschriebene) Betriebsstätten erlaubt.

Zwar besteht schon nach geltender Rechtslage die Möglichkeit der regionalen Differenzierung (auch durch Verordnung der Bezirksverwaltungsbehörden, § 7 Abs. 4). Diese Ergänzung erfolgt aber vor dem Hintergrund, dass diesbezügliche örtliche Gegebenheiten und allenfalls lokale Besonderheiten auf Gemeindeebene besser überblickt und erfasst werden können. In diesem Sinne wird eine Handlungsmöglichkeit auf Gemeindeebene geschaffen, um möglichst rasch auf allfällige epidemiologisch bedenkliche Entwicklungen reagieren zu können.

Die Anforderungen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an die Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen (stRsp seit VfGH 14. 7. 2020, V 411/2020) gelten selbstredend auch für Verordnungen des Bürgermeisters, mit denen Betretungszeiten festgelegt werden. Der Bürgermeister wird daher entsprechende Verordnungen sinnvoller Weise in Absprache mit der Gesundheitsbehörde erlassen, um den erforderlichen fachlichen Austausch vor Verordnungserlassung sicherzustellen und dokumentieren zu können.

Zu Z 12 und 13 (§ 13 Abs. 1):

Mit Blick auf das aktuell nach wie vor hohe epidemiologische Grundgeschehen ist nach derzeitigem fachlichen Kenntnisstand davon auszugehen, dass auch nach dem 31. Dezember 2021 Maßnahmen nach dem COVID-19-MG ergriffen werden müssen. Auf Grund der derzeit auch in den mittleren Altersgruppen noch nicht ausreichenden Durchimpfungsraten kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur die Infektionszahlen, sondern auch die Hospitalisierungen weiter steigen werden und Einschränkungen zum Schutz des Gesundheitssystems weiterhin getroffen werden müssen. Es wird daher das COVID-19-MG um ein weiteres halbes Jahr (bis 30. Juni 2022) verlängert. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass – sofern dies auf Grund der epidemiologischen Situation unbedingt erforderlich ist – durch Verordnung der Bundesregierung ein anderer Zeitpunkt des Außerkrafttretens des COVID-19-MG bestimmt werden kann, wobei dieser nicht nach dem 31. Dezember 2022 liegen darf.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Ralph Schallmeiner mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 10 05

                             Ralph Schallmeiner                                                      Mag. Gerhard Kaniak

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann